Ein bürgerlicher Verkehrspolitiker kritisiert den «Kontroll- und Bussenwahn» der Stadt.
Das neue Verkehrsregime an der Langstrasse in der Stadt Zürich scheint auch Monate nach dessen Einführung noch für Verwirrung zu sorgen. Eigentlich ist der Abschnitt zwischen der Brauerstrasse und der Dienerstrasse seit Ende September des letzten Jahres tagsüber für Auto- und Motorradfahrer gesperrt.
Weil das Verbot aber von zahlreichen Autofahrern missachtet wurde, führte die Stadt am 8. Januar eine «automatische Durchgangskontrolle» ein, die wie das Verbot mit einem Schild signalisiert ist. Eine Kamera erfasst seither die Nummernschilder. Wer das Verbot missachtet, wird gebüsst. Und solche Bussen hagelte es in den letzten Wochen geradezu.
Wie die Stadt am Mittwoch mitteilte, wurden im ersten Monat 17 310 Bussen à 100 Franken ausgestellt. Mit anderen Worten: Die Bussen spülten über 1,7 Millionen Franken in die Stadtkasse. Zum Vergleich: Die Stadt nimmt jedes Jahr insgesamt rund 60 Millionen Franken an Bussgeldern ein.
Stadt hat bessere Signalisation aus Kostengründen verworfen
Bei der Stadt zeigt man sich gelassen. «Es ist ein übliches Phänomen, dass sich viele Leute bei einer Änderung des Verkehrsregimes anfangs falsch verhalten», sagt Mathias Ninck, Sprecher des Sicherheitsdepartements. Er verweist auf den Gubristtunnel, in dem neu Tempo 80 statt 100 gilt und in dem im vergangenen Jahr über 20 000 Fahrzeuge mit überhöhter Geschwindigkeit unterwegs waren. Allerdings fahren durch den Gubristtunnel täglich auch 120 000 bis 130 000 Autos.
Die Erfahrung zeige, dass die Zahl der fehlbaren Autofahrer mit der Zeit sinke, sagt Ninck. «Wer gebüsst wird, ist alarmiert.»
Müsste die Stadt das Verbot also besser signalisieren? Mathias Ninck sagt, man habe die Einführung eines digitalen Wechselsignals anstelle des Verbotsschilds geprüft. Weil es aber sehr teuer sei und einen Stromanschluss bedinge, habe man davon abgesehen. Sollte die Zahl der Übertretungen aber hoch bleiben, werde man nochmals über die Bücher gehen.
Aus Sicht der Stadt ist das Fahrverbot an der Langstrasse ein Erfolg. «Die Verkehrssituation hat sich komplett verändert, lange Autokolonnen gibt es keine mehr», sagt Ninck.
Auch Markus Knauss gehörte zu den Unterstützern der Langstrassen-Sperrung. Der grüne Gemeinderat und Co-Geschäftsführer der Zürcher Sektion des Verkehrsclubs der Schweiz (VCS) sagte der NZZ kürzlich, die Langstrasse sei tagsüber zu einer attraktiven Achse für Velofahrer geworden. Daran hält er auch heute noch fest. Er habe das Gefühl, der Autoverkehr habe in den letzten Wochen merklich abgenommen.
«Darum bin ich auch recht überrascht über die hohe Anzahl von Bussen», sagt Knauss. Das Fahrverbot sei offensichtlich noch nicht allen bekannt. Wer aber einmal eine Busse von 100 Franken erhalten habe, werde sich das sicher merken.
Es dauere immer eine gewisse Zeit, bis ein neues Verkehrsregime akzeptiert werde. Es könne aber freilich nicht das Ziel sein, dass mit dem Fahrverbot nun die Staatskasse gefüllt werde. Die Idee der Sperrung sei, dass das Quartier weniger Verkehr erdulden müsse.
«Das Fahrverbot könnte sicher noch besser signalisiert werden», sagt Knauss. Die schlechte Signalisation habe er denn auch schon von Anfang an kritisiert. Dass die Langstrasse nur tagsüber geschlossen sei, trage wohl auch zur Verwirrung bei. Trotzdem findet es Knauss gut, dass die Strasse nachts für den Verkehr geöffnet bleibe. Damit würden die Wohnquartiere rundherum in der Nacht entlastet.
SVP-Politiker: «Fahrverbot sofort aufheben»
Ein vehementer Gegner der Sperrung ist der SVP-Stadtparlamentarier Stephan Iten. Das Fahrverbot müsse sofort aufgehoben werden, sagt er. Tagsüber habe es auf der Langstrasse kaum Verbesserungen gegeben, nachts hingegen mehr Lärm. Denn statt einspurig kann die Strasse nachts nun in beiden Richtungen befahren werden.
«Die Situation vor Ort ist sehr unübersichtlich und verwirrend für Autofahrer», sagt Iten. «Kein Wunder, dass das Verbot so oft missachtet wird.» Er kritisiert, dass die Stadt in einen «Kontroll- und Bussenwahn» verfallen sei.
Für die Stadt ist derweil klar: Sie will an der automatischen Durchfahrtskontrolle festhalten – und somit auch am Bussensystem.