Fondsmanager Yoann Ignatiew von Rothschild & Co sieht grosse Chancen bei Minenbetreibern. Im Interview spricht er über die Gründe für den hohen Goldpreis, chinesische Aktienfavoriten und seinen alten Kollegen und Golfpartner Colm Kelleher, den heutigen UBS-Präsidenten.
Yoann Ignatiew bezeichnet sich als «europäischen Patrioten». Die Adelsfamilie seines Vaters stammt aus dem Zarenreich. Vorfahr Paul war Kapitän der kaiserlichen Garde und verteidigte 1825 Zar Nikolai I. beim ersten Versuch einer Revolution in Russland durch die sogenannten Dekabristen. Sein Grossvater floh wegen der Oktoberrevolution mit fünfzehn Jahren zu Fuss aus der Ukraine nach Paris.
«Was derzeit geschieht, ist für mich wie ein Rückschritt um hundert Jahre», sagt der Fondsmanager, der seit 2009 den Mischfonds R-co Valor von Rothschild & Co Asset Management in Paris verwaltet. Es gibt jedoch etwas, was den Investor Ignatiew beruflich noch mehr beunruhigt als der Krieg in der Ukraine oder andere politische Risiken.
Herr Ignatiew, was ist derzeit so beängstigend an den Märkten? Sie halten gegenwärtig ein Drittel Ihres Fondskapitals in bar, was für Ihre Strategie viel ist. Was bereitet Ihnen Sorgen, dass Sie derart vorsichtig sind?
Das ist die einzige Frage, die man wirklich stellen muss. Die Antwort ist, dass ich mich geirrt habe. Wenn Sie grosse Fonds verwalten, müssen Sie im Voraus denken. Was mir Angst macht, sind nicht China und Taiwan, nicht der Nahe Osten, geschweige denn die ukrainisch-russische Situation. Ich war besorgt und mache mir immer noch Sorgen über die gestiegenen Zinsen – und die Auswirkungen auf die Risikoprämie, die Anleger für Aktien zu zahlen bereit sind. Aber dem Aktienmarkt ist das vorerst egal, deshalb war es ein Fehler, so defensiv zu sein.
Trotz der Zinserhöhungen haben sich gemessen an den gängigen Indizes die finanziellen Bedingungen nicht verschärft. War das der Grund für die starken Börsen?
Die Finanzierungsbedingungen haben sich schon verschärft, aber die US-Wirtschaft war stark genug, um diese Verschärfung auszugleichen. Der wichtigste Teil war die Stärke des Konsums. Wenn man sich die Beschleunigung der US-Wirtschaft im dritten und im vierten Quartal 2023 ansieht, hat der Konsum im Grunde 80% des Wachstums verursacht. Und warum? Weil die Konsumenten mehr Lohn bekommen haben. Sie konnten Lohnerhöhungen von 5% aushandeln, es herrschte Rekordbeschäftigung.
Hat das Federal Reserve eine weiche Landung erreicht, wie es nur wenige Beobachter für möglich gehalten haben?
Zumindest bisher. Aber der starke Arbeitsmarkt schafft Wachstum in einem Umfeld, in dem die Inflation immer noch da ist. Deshalb stecken die Fed-Verantwortlichen fest. Sie wissen, dass Glaubwürdigkeit alles ist und sie ihre Zinspolitik zu spät angepasst haben. Sie begannen im August 2021 damit, ihren Kurs zu ändern, aber sie handelten erst im Frühjahr 2022. Dann erhöhten sie die Zinsen um 5,25 Prozentpunkte in etwas mehr als einem Jahr. Das gab es zuvor noch nie. Trotzdem hielt sich das Wachstum robust. Anfang 2023 schrumpfte das Bruttoinlandprodukt in den USA, aber das war nur ein Quartal, und die Rezession, auf die der gesamte Markt Ende 2022 gewartet hatte, trat nie ein.
Die deutsche Regierung war Ende April recht zufrieden. Sie sagte, wir könnten ein Wachstum von 0,3% erwarten für 2024, nicht nur 0,2%. Was halten Sie davon?
In Europa sieht es ganz anders aus als in den USA. Wir hatten noch höhere Inflation, aber sie geht schneller zurück, weil es sich um eine durch zyklischere Einflüsse geprägte Inflation handelt. Die Arbeitslosigkeit ist auf einem annehmbaren Niveau. Die Löhne steigen ein wenig, aber nicht so sehr. Doch wir haben eine sehr schwache Wirtschaftsaktivität. Die grossen Länder wie Deutschland und Frankreich hinken den anderen hinterher. Und dann ist da noch Chinas schwächelnde Wirtschaft, die ein Problem darstellte, auch für viele europäische Unternehmen.
Wie haben sich denn die chinesischen Unternehmen geschlagen, die 20% Ihres Aktienportfolios ausmachen?
Mit dem chinesischen Reiseunternehmen Ctrip.com haben wir unser Geld verdoppelt. Vor kurzem haben wir begonnen, ein wenig Gewinn mitzunehmen. Der Kurs des Onlinehändlers VIPshop ist im letzten Jahr in die Höhe geschossen und läuft dieses Jahr ganz ordentlich. Wir haben also einige schöne Geschichten in China, die sich hauptsächlich um Dienstleistungen für Verbraucher drehen. Und wir haben immer noch einige traurige Geschichten wie den Tech-Konzern Alibaba oder den Unternehmenssoftwarehersteller Kingsoft. Der Aktienkurs des Tech-Konzerns Tencent immerhin ist gestiegen.
Reduzieren oder erhöhen Sie Ihre China-Investments?
Im Januar, als der chinesische Markt 15% verlor, haben wir unser Engagement in China erhöht. Wir haben zum Beispiel den Batteriehersteller CATL gekauft. Der Kurs ist seither mehr als 25% gestiegen.
Sie haben in letzter Zeit Aktien mehrerer Bergbauunternehmen gekauft. Warum?
Wir haben unser Engagement im Goldbergbau in den letzten zwei Monaten erhöht. Und wir arbeiten an unseren Kupferinvestitionen, die uns immer noch gefallen. Unsere Hauptposition ist Ivanhoe, eine sehr profitable langfristige Investition.
Der Bergbau macht 14% Ihres Aktienportfolios aus, verglichen mit 4% im MSCI World, darunter auch der Goldminenbetreiber Newmont. Weshalb dieses Übergewicht?
Meine Theorie hier ist einfach, und manchmal sind einfache Dinge sehr wichtig. Wenn man sich den Goldminensektor ansieht, sind die Aktienkurse in den letzten zwei Jahren um etwa 35% hinter dem Goldpreis zurückgeblieben. Der Grund dafür sind die Kosten: Die Löhne betragen 50%, Energie 25% und andere Rohstoffe 25% der Kosten in der Goldförderung. Sie sind in den letzten zwei Jahren in die Höhe geschossen, besonders die Löhne. Die Branche war also weltweit nicht in der Lage, einen steigenden Cashflow zu erzielen, obwohl der Goldpreis in die Höhe schoss.
Was ist der Grund für den zuletzt so starken Anstieg des Goldpreises?
Die Angst. Von Zeit zu Zeit wegen der Geopolitik, aber das Wichtigste ist die Angst vor dem Gelddrucken. Sie treibt auch den Preis von Bitcoin. Der Hauptauslöser ist, dass das US-Staatsdefizit gerade in die Höhe schiesst. Die US-Staatsverschuldung wird Ende dieses Jahres 124% des Bruttoinlandprodukts erreichen. Und wir werden bis 2054 auf 180% gehen, wenn nichts geändert wird. Haben Sie gehört, was Donald Trump kürzlich gesagt hat?
Was denn?
«Wir werden Länder bestrafen, die versuchen, den Handel in Dollar zu vermeiden.» Das ist die Welt, in der wir uns befinden. Glauben Leute wie Trump wirklich, dass sie einen Einfluss auf die Chinesen haben? Glauben sie, dass die Inder ihr Öl nicht in ihrer eigenen Währung bei den Saudis kaufen werden, wie sie es letztes Jahr getan haben? Ausserdem haben wir vor wenigen Wochen die grösste Emission von US-Staatsanleihen mit einer Laufzeit von fünf Jahren mit einem Volumen von 70 Mrd. $ gesehen. Und die Auktion war nicht so schön. Im Gegensatz zu den immer zahlreicher ausgegebenen Dollar können Sie das Angebot an Gold oder einige Aspekte von Kryptogeld nicht kontrollieren. Und das sind im Vergleich zum Treasury-Markt sehr kleine Märkte. Deshalb gehen die Preise nach oben.
Wie hoch kann diese Bewegung den Goldpreis in naher Zukunft führen?
Der Goldpreis wird auf mindestens 2500 $ pro Unze steigen. Dann wird er einen Stopp einlegen, um diesen Lauf zu verkraften. Der Goldpreis-Chart ist wie eine Treppe. Er geht eine Weile seitwärts, und dann springt er eine Stufe nach oben.
Ist die US-Staatsverschuldung der Hauptfaktor für den Anstieg des Goldpreises?
Spannend war zuletzt, dass viele chinesische Privatpersonen Gold gekauft haben. Sie sind von den fallenden Immobilienpreisen arg gebeutelt, denn die sind sie seit Anfang dieses Jahres nochmals um 10% gesunken. Deshalb wollen viele Chinesen ihr Vermögen diversifizieren. Auch Zentralbanken in Asien kaufen Gold, besonders die People’s Bank of China. Die Türkei tat das Gleiche, Polen tat das Gleiche. Wir haben sogar die Staatsfonds der Saudis gesehen, die letztes Jahr gekauft haben, was ich von denen zum ersten Mal gesehen habe. Wenn die People’s Bank of China eine vergleichbare Menge an Gold wie die Zentralbank Frankreichs halten möchte, müsste sie ihre Goldbestände um das Drei- oder das Vierfache erhöhen.
Wie Sie sagen, ist Gold ein kleiner Markt. Selbst wenn Chinas Regierung es wollte, könnte sie den US-Treasury-Markt überhaupt meiden?
Chinas Politiker sind auch Gefangene. Sie sind gefangen, weil sie 3,2 Bio. $ an Währungsreserven haben, und der einzige Markt, auf den sie gehen können, um etwas zu kaufen, ist der Bondmarkt. Die Japaner sind in der gleichen Situation. Die grössten externen Kapitalgeber für die USA sind Japan und China.
Das exorbitante Privileg der Vereinigten Staaten, der Dollar als einzige Weltwährung, besteht also weiter?
Ja, aber gleichzeitig ist es eine Bedrohung. Erinnern Sie sich, was im Oktober 2023 passiert ist? Es gab eine Auktion für US-Staatsanleihen mit einer Laufzeit von zehn Jahren. Zu diesem Zeitpunkt lagen die Zinsen für US-Treasuries mit zehn Jahren Laufzeit bei 4,75%, unwesentlich höher als heute. Dann gab es ein technisches Problem: Eine chinesische Bank konnte bei der Auktion nicht mitbieten. Nicht, weil sie es nicht wollte, sondern wegen eines technischen Problems. Als der Markt das Ergebnis sah, stieg die Rendite zehnjähriger Treasury Notes auf 5%, und der US-Aktienmarkt beschleunigte seinen Kursrutsch, der S&P 500 sank auf 4000.
Die Befürchtungen der Anleger haben seither nachgelassen, der S&P 500 steht jetzt deutlich über 5000.
Ja. Aber wir haben doch die Reaktionen auf einige Unternehmensgewinne gesehen. Schauen Sie sich Meta an, eine grosse Position in unserem Portfolio. Meta verfehlt die Erwartungen der Analysten ein wenig und erhöht die Prognose für die Investitionen ein wenig, und dann verliert die Aktie noch am selben Tag 20%. Die Erwartungen der Investoren sind so hoch. Sie zu erfüllen, ist für die Unternehmen eine Herausforderung. Und wenn sie dann wie im Fall von Caterpillar, Intel oder IBM danebenliegen, ist die Konsequenz für den Aktienkurs grausam.
Wir sehen wieder einige Megafusionen, etwa das Angebot des Bergbaukonzerns BHP für den Rivalen Anglo American. Solche Deals haben in der Vergangenheit oft den Höhepunkt der Rohstoffpreise markiert. Auch diesmal?
Für mich ist es nicht der Höhepunkt. Sie wissen, dass ich ein Kupferkäufer bin. Die Kupferproduktion hat viele Probleme, die sogar meine Erwartungen übertreffen.
Warum können die Minenbetreiber die Kupferproduktion in den kommenden Jahren nicht ausweiten?
Wenn man sich BHP, Anglo American und sogar Freeport-McMoRan ansieht, all die grossen Unternehmen, die Kupfer fördern, so haben sie ihre Produktionserwartungen gesenkt. Und dann gibt es noch einige spezifische Probleme wie in Panama, wo die Regierung beschlossen hat, die Förderung zu stoppen.
Wie gross ist das Ungleichgewicht zwischen dem Kupferangebot und der Nachfrage?
2024 wird die Kupferproduktion etwas höher sein als die Nachfrage. Aber 2025, 2026 und 2027 wird das Gegenteil der Fall sein, weil die Minenbetreiber kaum neue Vorkommen entdeckt haben und in den letzten zehn Jahren nicht in der Lage waren, die Produktion auszubauen. Zugleich haben Sie einen Nachfrageausblick für Kupfer, der immer noch sehr, sehr gut ist. Die Nachfrage kommt von der Elektrifizierung der Infrastruktur, und nicht nur dafür, sondern auch wegen Technologien wie künstlicher Intelligenz: Rechenzentren werden viel mehr Strom benötigen. Und mehr Strom braucht mehr Kupfer. Unsere Prognose zeigt, dass wir in sechs bis sieben Jahren ein Defizit von 8 Mio. Tonnen zwischen Angebot und Nachfrage haben können. Das ist mehr oder weniger ein Drittel des jährlichen Produktionsvolumens. Die Nachfrage könnte aufgrund der explodierenden Preise schwächer ausfallen, aber selbst wenn das Ungleichgewicht nur 4 Mio. Tonnen beträgt, wäre es immer noch riesig.
Es war also nicht der klügste Schachzug von BHP, sich in den vergangenen Jahren auf Düngemittel statt Kupfer zu konzentrieren, was sie nun mit dem Übernahmeangebot zu korrigieren versucht?
Ja. Die interessante Botschaft, die BHP sendet, ist, dass die Manager ein Kupfer-Asset haben wollen. Das ist der Hauptgrund, warum sie Anglo American kaufen wollen. Ich bin mir aber nicht sicher, ob der Deal zustande kommt. BHP bietet eine Prämie von 15%. An der Börse wird Anglo American mit einem Aufschlag auf diesen Angebotspreis gehandelt. Sollte es zu einem Deal kommen, dann nicht zu der derzeit angebotenen Prämie von 15%, sondern zu der doppelten Prämie. Also ich glaube nicht, dass dieses Angebot das Ende ist.
Sie haben auch die zwei kleineren Minenunternehmen NGEx Minerals und Filo gekauft. Was begeistert Sie dort?
Diese Unternehmen besitzen zwei neue Kupferminenprojekte, die sich nahe der Grenze zwischen Argentinien und Chile befinden. Die Projekte sind sehr interessant, aber auch anspruchsvoll, sie liegen teilweise auf mehr als 5000 Metern Höhe. Mein Kollege ist dorthin gereist. Es ist wichtig, dass wir derartige Projekte selbst begutachten können, bevor wir investieren. Wir reisen auch in den Kongo, um das Ivanhoe-Bergbauprojekt zu sehen, wenn wir 150 Mio. € investieren.
Sie könnten auch ganz angenehm nach New York reisen, Sie sind seit Jahren Investor bei Morgan Stanley. Wie sehen Sie die Bank heute, und wie sehen Sie UBS nach der Notübernahme von Credit Suisse?
Ich habe früher bei Morgan Stanley gearbeitet, kenne den im Januar angetretenen CEO Edward Pick jedoch nicht persönlich. Aber ich kenne den ehemaligen Präsidenten von Morgan Stanley sehr gut, Colm Kelleher, der seit 2022 Präsident von UBS ist. Ich habe mit ihm gearbeitet und mit ihm Golf gespielt.
Wie beurteilen Sie UBS und Kelleher als Chairman?
Eine der ersten Fragen, die Kelleher stellte, war, warum die Schweiz so hohe Eigenkapitalanforderungen einführen will. Der Grund dafür ist, dass UBS für die Schweiz «too big to fail» ist. Deshalb kaufe ich die Aktie nicht. Auch wenn es sich wahrscheinlich um einen der besten Vermögensverwalter der Welt handelt. Aber UBS wird stark reguliert werden.
Und Kelleher, was halten Sie von ihm in dieser Rolle?
Ich habe ihn in den letzten zwanzig Jahren nicht gesehen, aber er ist sehr gut. Er war zu unserer gemeinsamen Zeit bei Morgan Stanley dafür zuständig, festverzinsliche Investments an britische Pensionsfonds zu verkaufen. Dann machte er Karriere. Er hat sich bei Morgan Stanley ausserordentlich gut geschlagen, was bemerkenswert ist, weil er halb Engländer, halb Ire ist. Morgan Stanley ist ein sehr amerikanisches Unternehmen. Es ist selten, dass ein Nichtamerikaner solch eine Position dort erreicht.
Denken Sie, dass Morgan Stanleys durch die Stärkung der Vermögensverwaltung angetriebene Erfolgsgeschichte weitergehen wird?
Ich denke, dass das Investment Banking zurückkommen wird. Auch aufgrund von Fusionen wie möglicherweise der zwischen Anglo American und BHP. Wir haben zuletzt auch wieder mehr Börsengänge gesehen, weil die Aktienkurse so hoch sind. Der Motor, der in den letzten zwei Jahren nicht funktioniert hat, läuft wieder. Das ist ein Zeitpunkt, um zumindest für die kommenden Quartale ein gewisses Engagement im Investment Banking zu besitzen.
Und Morgan Stanley bleibt Ihre bevorzugte Wahl?
Ja, weil die Bank in den richtigen Geschäften diversifiziert ist. Ich möchte im Moment kein Kreditengagement haben, weil ich mich mit dem Ausfallrisiko unwohl fühle. Die US-Bürger konsumieren ihren gesamten Lohn, sie benutzen die Kreditkarte. Die Ausfallraten dürften langsam steigen. Und jeder Investor kauft derzeit Kreditbanken. Das sagt alles. Ich habe meine letzten Capital-One-Aktien verkauft.
Es ist schwierig, das Ausfallrisiko einer Bank von aussen zu beurteilen. Ich sass im Mai 2022 eine Stunde lang mit Greg Becker, dem CEO von Silicon Valley Bank, zusammen. Ich fragte ihn, ob steigende Zinsen gut für seine Bank seien, weil ein Analyst das geschrieben hatte. Er bejahte das. Tatsächlich kollabierte die Bank wegen ihrer Verluste aufgrund steigender Zinsen. Auch Sie besassen 2022 Aktien von SVB. Im kritischen Rückblick: Woher hätten Sie wissen können, dass Becker dieses Ausmass von Risiko einging?
Ja, da haben wir uns die Finger verbrannt. Der Fehler, den wir bei SVB gemacht haben, hängt mit dem Verkennen der schwachen Kundenbasis zusammen, bei der es sich im Grunde nur um einige wenige Private-Equity-Fonds handelte. Innerhalb von zwei Tagen haben sie die Bank verlassen.
Wie konnte Silicon Valley Bank so falschliegen?
Bei SVB dachten sie nicht, dass die Zinsen in so kurzer Zeit so hoch steigen könnten. Wenn die Zinserhöhungen des Fed nicht in einem Jahr, sondern in zwei Jahren stattgefunden hätten, dann wäre SVB immer noch da.
Sie haben die Aktie des Schweizer Industriekonzerns ABB kürzlich verkauft, obwohl er einen enorm starken Lauf hat. Warum sind Sie ausgestiegen?
Weil ich die Titel für 22 Fr. gekauft habe und sich der Kurs mehr als verdoppelt hat.
Besser wird es also nicht mehr bei ABB?
Es könnte schon noch weiter aufwärtsgehen. Wir haben zu Kursen zwischen 37 und 42 Fr. verkauft. Jetzt liegt der Aktienkurs bei etwa 45 Fr., wir haben also etwas zu früh verkauft. Aber ich denke, die Neubewertung ist abgeschlossen, die Aktie ist jetzt sogar ein bisschen teuer. Der scheidende CEO Björn Rosengren ist ein grossartiger Typ. Er hat mit ABB die Wende geschafft. Vor drei Jahren hat niemand daran geglaubt. Jeder glaubt es jetzt. Und deshalb können wir nach neuen Ideen für unseren Fonds suchen.
Yoann Ignatiew
Yoann Ignatiew ist seit 2008 Manager des Mischfonds R-co Valor von Rothschild & Co Asset Management mit 4,7 Mrd. € verwaltetem Kapital. Seine Karriere begann er als Wertpapierhändler, in dieser Funktion arbeitete er elf Jahre lang bei Morgan Stanley. Er entstammt einer russischen Adelsfamilie, wurde in Marokko geboren, verbrachte seine frühe Kindheit in Kanada und kam mit sechs Jahren nach Frankreich. Ignatiew lebt und arbeitet in Paris.