Dank innovativer Technik und einem optionalen GT-Paket, das den Wagen um 100 Kilogramm leichter macht, bietet das bisher stärkste Serien-SUV eine beeindruckende Kombination aus Komfort und Fahrdynamik.
Man kann mit dem Kopf schütteln, oder man kann sich freuen, wehren kann man sich aber nicht: Autos mit Elektromotor werden ständig stärker. Das gilt besonders für die Nische der Premium-SUV. Nach dem Aston Martin DBX 707 mit 707 PS und dem Ferrari Purosangue mit 725 PS markiert Porsche mit dem neuen Cayenne E-Hybrid Turbo die Spitze: Mehr als 739 PS hat sonst kein Serien-SUV zu bieten – nur der BMW XM ist mit 748 PS stärker, aber nur als stückzahlenlimitierter Label Red, und seine Produktion soll ohnehin bald auslaufen.
Der Cayenne Turbo E-Hybrid soll bis zu 295 km/h schnell sein. Wem das nicht genug ist, der kann dazu ein «GT-Paket» ordern, dann sollen 305 km/h möglich sein.
Ein Herzstück des Hybridantriebs ist ein neuer Elektromotor, der um 30 kW und 50 Newtonmeter stärker ist als beim Vorgänger, nun also 130 kW (176 PS) und 450 Nm leistet. Zudem rekuperieren die Turbo-E-Hybrid-Modelle jetzt mit einer Leistung von bis zu 88 kW und bis zu einer tiefen Geschwindigkeit von 2 km/h – der Vorgänger verzögerte bis zu einem Tempo von 14 km/h mit der E-Maschine.
Mit der Hochvolt-Batterie sollen jetzt 70 bis 73 Kilometer batterieelektrische Reichweite möglich sein. Ein neues On-Board-Ladegerät mit einer maximalen Ladeleistung von 11 kW verkürzt den Ladevorgang an einer geeigneten Stromquelle auf weniger als zweieinhalb Stunden.
Das andere Herzstück ist und bleibt der V8-Biturbo mit einer Leistung von 441 kW (599 PS), was sich gemeinsam mit dem E-Motor zu 544 kW (739 PS) und einem maximalen Drehmoment von 950 Nm summiert. Das sind 59 PS mehr als im bisherigen Cayenne Turbo S E-Hybrid. Technisch hat Porsche beim Verbrenner den Turbolader optimiert und den Einspritzdruck erhöht. Ein Ergebnis: Mit Launch-Control klappt der Sprint aus dem Stand auf 100 km/h jetzt in 3,7 Sekunden.
Neues Fahrwerk bringt mehr Sicherheit und Komfort
Zweite grosse Änderung zum Vorgänger Turbo S E-Hybrid: Das adaptive Luftfahrwerk ist mit einer neuen 2-Kammer-2-Ventil-Technologie ausgerüstet. Das bedeutet: Die geregelten Schwingungsdämpfer des adaptiven Fahrwerks verfügen über zwei Ventile, um die Zug- und Druckstufe der Dämpfer unabhängig voneinander verändern zu können. Das soll für eine Steigerung in Sachen Komfort und Fahrsicherheit sorgen.
Wer noch mehr Dynamik will, muss zum optionalen GT-Paket greifen. Das gibt es nur im Zusammenhang mit dem Coupé (Porsche unterscheidet beim Cayenne wegen der unterschiedlichen Heckpartien zwischen SUV und Coupé) und macht das Kraftpaket unter anderem rund 100 Kilogramm leichter. Ein Carbondach spart im Vergleich zum sonst üblichen Glasdach rund 22 Kilogramm und senkt den Schwerpunkt und reduziert damit auch die Wankneigung.
Zudem wird die Karosserie um 10 Millimeter tiefer gelegt, und alle Regelsysteme werden angepasst. Etwas breitere Felgen vorne sorgen für mehr Seitenführungskräfte, was zu mehr Querbeschleunigung beiträgt. Die optionale Hinterachslenkung erhält ebenfalls eine GT-spezifische Abstimmung.
Aussen ist der Cayenne Turbo E-Hybrid Coupé mit GT-Paket an der Titanabgasanlage mit mittig angeordneten Endrohren sowie einem Heckdiffusor aus Carbon zu erkennen sowie an abgedunkelten Hauptscheinwerfern mit HD-Matrix-LED-Technik. Aus dem bisherigen Leichtbau-Sport-Paket übernimmt das Topmodell schwarze Radhausverbreiterungen, Seitenschweller sowie das Heckunterteil. Bei sonst gleichen Antriebsbedingungen soll das Coupé mit GT-Paket 10 km/h schneller in der Höchstgeschwindigkeit sein und in 3,6 Sekunden von 0 auf 100 km/h beschleunigen.
Die Testfahrt des Cayenne Turbo E-Hybrid findet auf der pittoresken Rennstrecke Castellolí nahe Barcelona statt. Zur Innenausstattung des GT-Topmodells zählen ein Sportlenkrad mit klein wirkendem 360-Millimeter-Durchmesser und ein roter «Sport Response Button» am Modus-Schalter.
Wie bei Porsche üblich ist auf den achtfach verstellbaren Sportsitzen eine optimale Sitzposition schnell gefunden. Das Armaturenbrett beinhaltet drei Bildschirme – der optionale ganz rechts ist dafür da, dass sich der Beifahrer nicht langweilt. Zwei schnelle Runden auf der 4,14 Kilometer langen Strecke mit elf Kurven reichen zwar nicht, um das SUV gut kennenzulernen, aber es genügt, um einzuschätzen, wie es mit engen Bögen und plötzlichen Lastwechseln umgeht.
Mit GT-Paket wird der Cayenne rennstreckentauglich
Der Monster-GT sprintet trotz dem Gewicht eines satten Breitmaulnashorns beeindruckend, 250 km/h sind selbst auf den recht kurzen Geraden möglich. Das Erschreckende: Man bemerkt das Tempo nicht und ist froh über die beim GT-Paket serienmässigen Keramikbremsen, bei denen gelbe 10-Kolben-Bremssättel an der Vorderachse arbeiten. Die Bremse lässt sich ausgezeichnet dosieren, auch aufgrund eines neuen Bremskraftverstärkers, der den Übergang zwischen Rekuperation und Reibbremse besonders sanft gestalten soll.
Über einen kleinen Schalter, der aus dem Armaturenbrett ragt, dirigiert man die Acht-Gang-Automatik. Doch kann man über Schaltpaddel auch manuell eingreifen, was mehr Fahrspass bringt, aber die Rundenzeit nicht verkürzt. Die Paddel sind weit eingerückt am Lenkrad angebracht. Einziger Nachteil beim manuellen Schalten: Die Ganganzeige im Display ist ausgesprochen klein und deswegen kaum hilfreich.
Auf der Strasse lassen wir es gemächlicher angehen – hier sind wir ohne GT-Paket unterwegs, was im Alltag aber keinen Unterschied macht. Den Offroad-Modus probieren wir nicht aus – so ein 739-PS-Bolide ist kein typisches Geländefahrzeug, auch wenn er es könnte.
Im Fahrmodus «E-Charge» sind wir innerhalb geschlossener Ortschaften sowie in Städten und bei einem Tempo von weniger als 55 km/h unterwegs. Dann teilen sich Verbrenner und Elektromotor die Aufgaben, und der Ladestand des Akkus bleibt konstant. Ausserorts und bei höherem Tempo übernimmt der Verbrennungsmotor den Antrieb vollständig und lädt die Batterie bis auf maximal 80 Prozent.
Der Modus «Hybrid-Auto» bezieht Umgebungs- und Navigationsdaten in die Antriebsstrategie mit ein und ermöglicht innerorts einen höheren rein elektrisch gefahrenen Streckenanteil. Bei «Sport» kümmert sich die Elektronik dann kaum noch um elektrische Effizienz.
Auch auf Landstrassen machen die Sport-Modi dank der direkten Lenkung, dem schnell agierenden Acht-Gang-Getriebe und der überzeugenden Kraftentfaltung Spass. Da vergisst man tatsächlich kurz die berechtigte Frage, wer 739 PS oder einen knapp 2,7 Tonnen schweren Pkw eigentlich braucht.
Aber wie für alles wird es Kunden geben. Und die müssen mindestens 203 100 Franken für ein Cayenne-Turbo-E-Hybrid-SUV zahlen, das Coupé bei gleicher Motorisierung kostet schon 207 300 Franken. Für das Coupé mit GT-Paket muss man 240 200 Franken bezahlen.