Als es um Recycling ging, wurde es im Stadtzürcher Parlament emotional.
Wo gelebt wird, entsteht Abfall. Und dieser Abfall muss irgendwann entsorgt werden. Wie das geschieht, ist dabei völlig gleichgültig. Die Hauptsache ist schliesslich, dass es in der Stadt einigermassen sauber und wohnlich bleibt. So läuft das in weiten Teilen der Welt – nicht aber im ordentlichen Zürich.
Wenn es um Recycling-Fragen geht, werden die Zürcherinnen und Zürcher emotional. Eine Kostprobe dieser Leidenschaft bewies am Mittwoch der Zürcher Gemeinderat.
Der Hintergrund der emotional geführten Debatte war dieser: Anfang des Monats hat der Stadtrat beschlossen, dass die kostenlosen Entsorgungscoupons abgeschafft werden. Diese erlaubten es jedem Zürcher Haushalt, pro Jahr bis zu 400 Kilogramm Sperrgut gratis in einem Recyclinghof abzugeben.
Der Stadtrat befand, dass dies zu unnötigen Autofahrten durch die Stadt führe. Ausserdem hätten Menschen ohne Auto – von denen es immer mehr gebe – nichts von dem Angebot. Deshalb schaffte die Regierung die Coupons kurzerhand ab. Stattdessen sollen Zürcherinnen und Zürcher künftig mehr mobile Angebote wie das Cargo-Tram oder die neuen Recycling-Lastwagen nutzen.
Gemeinderäte halten an Coupons fest
Diese mobilen Entsorgungslastwagen seien während zweier Jahre ausgiebig getestet worden. Nun solle das Angebot verstetigt werden – «aufgrund der positiven Rückmeldungen», die man bekommen habe. Dies teilte Entsorgung und Recycling Zürich (ERZ) am Mittwochnachmittag mit.
Bereits im vergangenen Sommer hätten die Lastwagen an zusätzlichen, ursprünglich nicht vorgesehenen Standorten haltgemacht. Nun soll das Angebot bis 2026 weiter ausgebaut werden: Bis zu 30 neue Standorte sind demnach geplant. Das Cargo-Tram wird ebenfalls 2026 «altersbedingt ausgemustert».
Doch gegen diese Pläne wehrte sich die Politik mit ebensolcher Vehemenz wie gegen die Erklärung, dass die Coupons der Vergangenheit angehören sollten. Der Gemeinderat hatte gleich fünf Postulate zu diesem Thema zu behandeln. Eingereicht hatten sie Vertreter von SVP, FDP, EVP, Mitte und AL. Die Postulate hatten eines gemeinsam: Sie verlangten, dass der Stadtrat seinen Entscheid überdenke.
Stephan Iten von der SVP fasste die Stimmung im Rat folgendermassen zusammen: Dass die Stadt ihr Recycling-Angebot näher zu den Menschen bringen möchte, sei zwar zu begrüssen. «Das darf aber nicht auf Kosten der bisherigen Möglichkeiten gehen.» Iten forderte per Postulat, dass die Coupons beibehalten würden.
Diese hätten sich seit ihrer Einführung 2003 nämlich bewährt. Sie stellten ein effektives Mittel gegen illegales Entsorgen dar. Die Modelle, die dem Stadtrat vorschweben, bezeichnet Iten als unpraktisch: Recycling-Tram und -Lastwagen seien nur werktags unterwegs, kritisierte er. Wer Vollzeit arbeite, profitiere davon nicht.
Entsorgung on demand?
Der Stadtrat will ausserdem verbieten, dass die Haltestellen des Cargo-Trams mit dem Auto angefahren würden. Erwartbar sei daher eine deutliche Verschlechterung der Situation, so Iten: «Es fährt doch keiner seinen alten Kühlschrank mit dem Velo zum Cargo-Tram!»
Jehuda Spielman von der FDP brachte einen Vorschlag ein, wie dieses Problem zu lösen wäre. Spielman schwebt vor, dass jedes Quartier eine eigene Entsorgungsmöglichkeit bekommt, die zu Fuss erreichbar und zu Randzeiten verfügbar ist.
«Am besten wäre eine Lösung, bei der man die Ware abholen lassen kann», findet Spielman. Er stellt sich eine App vor, über die man eine Abholung kurzfristig bestellen und sogleich bezahlen kann. Bis das realisiert sei, seien die Coupons als Übergangslösung beizubehalten.
Einen Abholservice gibt es zwar schon heute. Doch dieser muss bis zu 10 Tage im Voraus gebucht werden und kostet mindestens 86 Franken – und nochmals so viel, wenn das Aufladen des Abfalls länger als eine Viertelstunde dauert. Dieser Preis gehöre deutlich gesenkt, forderte die AL.
Entsorgung sei günstiger geworden, sagte Brander
Simone Brander, die Vorsteherin des Tiefbaudepartements und oberste Chefin von ERZ, verteidigte ihre Pläne am Mittwochabend vor dem Gemeinderat leidenschaftlich: Die Coupons seien «eine sympathische Lösung» gewesen. Auch ihr habe es zuerst leidgetan, dass damit nun Schluss sein solle. «Aber die Fakten haben mich überzeugt», sagte die Sozialdemokratin.
Fakt sei zum Beispiel der Umstand, dass jeweils bloss 10 Prozent aller Entsorgungscoupons eingelöst worden seien. Folglich habe man den meisten Haushalten etwas geschenkt, was gar nicht gefragt gewesen sei. Dieses Verhältnis werde künftig verbessert. Möglichst alle sollten ihren Unrat möglichst einfach entsorgen können – dies sei mit den Plänen von ERZ sichergestellt.
Fakt sei schliesslich auch, fuhr Brander fort, dass die Entsorgungskosten in letzter Zeit immer nur gesunken seien. Dies habe sich beispielsweise in den günstigeren Sackgebühren ausgedrückt. Ein 35-Liter-Sack kostet seit Anfang 2023 bloss noch 1 Franken 30 statt wie bisher 1 Franken 70.
Simone Brander empfahl dem Gemeinderat, bis auf jenes von Jehuda Spielman sämtliche Postulate abzulehnen. Und ihr Wort hatte Gewicht: Bei der Schlussabstimmung um halb zehn folgte ihr der Rat in vier von fünf Punkten.
Löhne der Gemeinderäte kommen vors Volk
olc. Es war eine lange und emotionale Debatte, als die Zürcher Gemeinderäte vor drei Wochen ihre Gehälter besprachen. Für linke und grüne Parlamentarier war klar, dass die politische Arbeit besser mit Beruf und Familie vereinbar sei, wenn sie besser honoriert wird.
FDP und SVP dagegen lehnten den Vorschlag ab. Die vorgeschlagene Erhöhung der Entschädigungen ging ihnen zu weit. Sie stellten sogar grundsätzlich infrage, dass der Gemeinderat über sein eigenes Salär befinden solle, und drohten damit, die Sache vors Volk zu bringen.
Dies wird nun gar nicht notwendig sein. Am Mittwochabend teilten die Fraktionen SP, Grüne, GLP, Mitte/EVP und AL mit, dass sie gegen ihren eigenen Beschluss das Parlamentsreferendum ergreifen wollten. Somit kommt das Ansinnen vor das Stimmvolk.
Die FDP reagierte «befremdet» über dieses Vorgehen. Es sei «absurd», dass die FDP-Fraktion nicht zur Mitunterzeichnung des Referendums angefragt worden sei, obwohl die Ankündigung desselben ursprünglich auch von der FDP ausgegangen sei. In der Sache begrüsst die FDP das Referendum aber.
Die SVP hält das Manöver für «durchschaubar»: Es gehe den beteiligten Fraktionen bloss darum, sich bei der Bevölkerung «anzubiedern» – aus Angst, der SVP recht geben zu müssen, die von Anfang an gegen die Erhöhung der Saläre gewesen sei.