Die Verordnung über Minimalgehälter in den beiden grössten Zürcher Städten wird aufgehoben. Die Stadtzürcher SP will das Urteil ans Bundesgericht weiterziehen.
In Zürich und Winterthur wird es vorerst keinen Mindestlohn geben. Das Zürcher Verwaltungsgericht hat die Verordnungen der beiden Städte aufgehoben, wie das Gericht am Freitagmittag bekanntgegeben hat.
Die Stimmbevölkerung der beiden Kommunen hatte im Sommer 2023 einem gesetzlichen Mindestlohn zugestimmt. In Zürich hätte dieser 23.90 Franken pro Stunde betragen sollen, in Winterthur 23 Franken. Profitiert alle Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer mit tiefen Gehältern, zum Beispiel Angestellte privater Reinigungsfirmen oder Servicekräfte in der Gastrobranche: Die Mindestmarke hätte in allen Unternehmen in Zürich und Winterthur gelten sollen, nicht nur in städtischen Betrieben.
Gegen kantonales Recht
Der Gewerbeverband der Stadt Zürich, die Handelskammer und Arbeitgebervereinigung Winterthur und der KMU-Verband Winterthur und Umgebung hatten daraufhin Beschwerden eingereicht. Die erste Instanz, das Bezirksgericht, hatte noch gegen die Verbände entschieden.
Zum aktuellen Entscheid schreibt das Verwaltungsgericht nun: «Weder die Verfassung des Kantons Zürich noch das kantonale Sozialhilfegesetz lässt den Gemeinden Raum, um zur Vermeidung von Armut in privatrechtliche Arbeitsverhältnisse einzugreifen. Die Verordnungen zur Einführung eines Mindestlohns verstossen damit gegen kantonales Recht.»
Die Stadtzürcher SP zeigt sich in einer ersten Reaktion enttäuscht über den Entscheid des Gerichts. Die Partei hatte die Mindestlohninitiative eingereicht, die Stadtzürcherinnen und Stadtzürcher hatten dann über einen Gegenvorschlag zu befinden an der Urne. Man werde bis zum Schluss kämpfen «für die 17 000 Tieflohnbetroffenen, die jeden Tag in der Stadt Zürich chrampfen», lässt sich die Gemeinderätin Fanny de Weck am Freitag in einem Communiqué zitieren. «Darum muss nun das Bundesgericht entscheiden.»
Und der Stadtzürcher SP-Präsident Oliver Heimgartner, spricht den Umstand an, dass den «Tieflohnbetroffenen» die Festtage verdorben würden. Diese müssten für die Weihnachtsgeschenke ihrer Kinder «jeden Franken» umdrehen. «Nun erfahren sie kurz vor den Festtagen, dass sie wegen des Gewerbeverbands die bescheidene Lohnerhöhung immer noch nicht erhalten.» Das sei eine Schande.
Wobei anzumerken ist, dass der Mindestlohn noch nicht in Kraft ist und unabhängig vom Urteil noch lange nicht in Kraft getreten wäre. Die Stadt Zürich wartet nämlich ab, bis ein rechtskräftiges Urteil vorliegt. Und selbst wenn das Bundesgericht den kommunalen Mindestlohn am Ende gutheissen würde, würde es noch mindestens ein halbes Jahr dauern, bis er in Kraft träte.
«Bürokratischer Unsinn»
Nicole Barandun, Präsidentin des städtischen Gewerbeverband, kontert die Kritik der SP. Sie sagt auf Anfrage: «Uns geht es darum, ein bürokratisches Monstrum zu verhindern. Und wir halten uns an die föderale Ordnung.»
Die Stadt sei nun einmal gehalten, die gesetzgeberischen Regeln einzuhalten. Kantonale Regelungen zum Mindestlohn seien zulässig, kommunale Regelungen aber nicht, wie nun der Entscheid des Verwaltungsgerichts zeige.
Barandun sagt: «Unser Ziel war immer, ein Flickwerk zu vermeiden. Die meisten Betriebe sind über die Gemeindegrenzen hinweg tätig. Wenn da jede Gemeinde eigens kontrolliert, ist das ein bürokratischer Unsinn.» Zumal auch Betriebe kontrolliert werden sollen, die den Mindestlohn aufgrund eines Gesamtarbeitsvertrags bereits einhalten.
Die Zahl von 17 000 Betroffenen sei umstritten, sagt Barandun. Davon abgesehen sei es das Ziel der Gewerbebetriebe, angemessene Löhne zu bezahlen und die Leute auch auszubilden, so dass sie die Möglichkeit auf einen besseren Verdienst hätten.
Stünde der Gewerbeverband einer kantonalen Regelung demnach offen gegenüber? Barandun sagt, es sei primär die Aufgabe der Sozialpartner, Gesamtarbeitsverträge auszuhandeln. «Aber wir würden rechtlich sicher nicht opponieren, denn eine kantonale Regelung wäre rechtens.» Für die Gewerbebetriebe seien verschiedene Kontrollen durch kommunale Behörden ein Graus. Mit einer einheitlichen kantonalen Kontrolle könnten sie grundsätzlich leben.
Das Sozialdepartement von Stadtrat Raphael Golta (SP), das den Gegenvorschlag zur Mindestlohn-Initiative ausgearbeitet hatte, wollte sich auf Anfrage nicht äussern zum Entscheid des Verwaltungsgerichts.