Samstag, November 23

«Gladiator II» variiert uninspiriert die altbekannte Geschichte. So kann Ridley Scott, 86 Jahre alt, nicht die Arena verlassen.

Neu gibt es auch Haie. Im ersten Film bekamen es die Gladiatoren gerade einmal mit Tigern zu tun. Hundskommune Raubkatzen. Jetzt lässt Ridley Scott in «Gladiator II» zuerst blutrünstige, seltsam Gollum-artige Affen auf die Sklaven los. Einmal kommt ein Gegner auf einem riesigen Rhinozeros angeritten. Dann, im aufwendigsten Schaukampf bei Filmmitte, schwimmen Haie im Kolosseum.

Aus dem Amphitheater ist ein Freiluftbecken geworden. Zur Unterhaltung des Publikums wird die Seeschlacht von Salamis, 480 v. Chr., nachgespielt. Stellvertretend für die Hunderte von persischen Galeeren rudern die Gladiatoren verzweifelt um ihr Leben. Vom anderen Schiff lassen die gegnerischen Kämpfer Pfeile regnen. Im Wasser warten die Meeresräuber. Wer über Bord geht, ist Fischfutter.

Vollkommen klar: Im alten Rom gab es Gladiatoren-Games in allen möglichen Ausgestaltungen, Naumachien waren die Höhepunkte im Unterhaltungsprogramm. Ob nun das kolossale Haifischbassin zoologisch schlüssig ist, mag man sich fragen. Jedenfalls sind die Haie originell, und das ist der jüngste Film von Ridley Scott selten genug.

Rache am Establishment

Mit neuem Personal erzählt Scott die alte Legende: Aus dem innersten römischen Machtzirkel wird einer verstossen. Versklavt, als Gladiator, findet er sich unverhofft zurück in der kaiserlichen Hauptstadt. Dort gibt er sich zu erkennen, dann nimmt er Rache am Establishment.

Im ersten Film war es der von Russell Crowe verkörperte Feldherr Maximus Decimus Meridius, der sich vor Live-Publikum in der Arena den tobsüchtigen Tyrannen mit dem Babyface packte, den unrechtmässigen Kaiser Commodus (Joaquin Phoenix). Am Ende waren beide tot.

Zentral im neuen Film ist nun Commodus’ Neffe, Lucius. Der Junge wurde von der Mutter fortgeschickt; «Gladiator II» beginnt mit Lucius (Paul Mescal), genannt Hanno, wie er bei den Berbern in Nordafrika aufwächst. Hanno ist zum Truppenführer herangereift, als die Römer einfallen, um das Reich zu vergrössern.

General Marcus Acacius (Pedro Pascal) erobert Numidia. Hannos Frau bekommt einen Pfeil in die Brust, Hanno schwört Vergeltung. Bald bekommt er seine Chance. «Starkes Kinn, gute Arme», sagt der Gladiatorenmeister (Denzel Washington), der den Kriegsverlierer kauft und aufpäppelt. Wie anno dazumal Maximus macht auch Hanno/Lucius als Kämpfer im Kolosseum von sich reden.

«Squid Game» ist Messlatte

Fortsetzungen von Blockbustern genügen sich in einer einfachen Steigerungslogik: dasselbe nochmals, nur in noch grösser und aufwendiger. Doch ist das im vorliegenden Fall gar nicht so einfach. Denn die Prämisse vom Wettkampf um Leben und Tod wurde von der «Hunger Games»-Franchise über «Squid Game» geflissentlich weiterentwickelt.

In allen erdenklichen, perversen Varianten hat die Film- und Fernsehunterhaltung die Idee von tödlichen Spielen durchexerziert. Dagegen wirkt es nicht besonders originell, wenn Ridley Scott, 86 Jahre alt, nun die Artenvielfalt in der Arena vergrössert. Er kann noch so viele Haifischflossen im Bassin kurven lassen.

Der Effekt verpufft auch, weil das Personal, das verfüttert wird, zu beliebig ist. Im ersten Film waren die Nebendarsteller tragende Säulen in dem Rom-Epos. Ralf Moeller und Djimon Hounsou spielten gewitzt die Gladiatoren an der Seite von Russell Crowe. Charaktere wie sie fehlen.

Stattdessen soll der irische Jungstar Paul Mescal alles schultern: Er hat zwei der schönsten modernen Melodramen getragen, «Aftersun» und «All of Us Strangers». Zur Vorbereitung für «Gladiator II» verbrachte er offensichtlich viel Zeit im Gym. Aber als Actionheld wirkt der Treuherzige, trotz starkem Kinn und guten Armen, nicht in seinem Element.

Er hat es auch nicht leicht mit einem Drehbuch, das ihn eher halbschlau wirken lässt. «The gates of hell are open night and day»: Wenn Hanno Vergil zitiert, um seinen Zorn zu veranschaulichen, wirkt er in seinem Bemühen, dem Kämpfer Tiefe zu geben, eher läppisch.

Das ist kein Vergleich zum grosser Stoiker Russell Crowe, der sich vor vollen Kolosseumsrängen aufbaute und deklamierte: «My name is Maximus Decimus Meridius», er sei gekommen, um Rache zu nehmen. «I will have my vengeance, in this life or the next.» Bei Ridley Scott lernte man vielleicht kein korrektes Latein, aber «gravitas».

Es ging um Populismus

«Gladiator» von 2000 ist gut gealtert. Es war kein Zeitgeist-Film, sondern einer, der witterte, was noch kommen würde: Sieht man den Film heute, erkennt man in Commodus einen jungen Tyrannen, der falsch gewickelt ist in seiner Tunika. Einen Pionier des heutigen Populismus, der den Nöten der Menschen mit einer Entertainment-Offensive begegnet. Mit den Gladiatorenkämpfen gewinnt Commodus das einfache Volk. Aber er hat auch leichtes Spiel, weil der Senat dekadent und abgehoben ist. Commodus Trumpodus, wenn man so will.

Der alte Film ist gegenwärtiger als der neue. «Gladiator II» hat keinen politischen Subtext. Fast ein Vierteljahrhundert nach dem ersten Teil fehlt der Fortsetzung das Verkaufsargument. Der Schuh sass perfekt, jetzt probieren wir trotzdem eine Nummer grösser? «Gladiator II» verramscht die Sandale.

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