Nach der Lohndebatte um den CEO Christoph Brand gibt es weitere Negativschlagzeilen: Die spanische Marktaufsicht wirft Axpo-Händlern schwere Verfehlungen beim Stromhandel vor.
Die Axpo kommt nach den Diskussionen um die Entlöhnung des CEO Christoph Brand nicht zur Ruhe. Die spanische Wettbewerbsbehörde CNMC hat eine Geldstrafe von 1,5 Millionen Euro gegen den Nordostschweizer Energieriesen verhängt. Sie beschuldigt die Axpo Iberia, die spanische Tochter des Unternehmens, den Strommarkt manipuliert zu haben. Die Behörde stuft die Vorfälle als schwerwiegend ein.
Die Manipulationen sollen in der Zeit zwischen September 2022 und Dezember 2022 auf dem sogenannten Intraday-Markt stattgefunden haben. Auf diesem Markt wird Strom in Echtzeit gehandelt, um kurzfristige Schwankungen bei Angebot und Nachfrage auszugleichen. Dabei geht es rasant zu und her, denn die Energie muss oft schon kurz nach Abschluss eines Deals geliefert werden.
Irreführende Signale
Die spanischen Behörden werfen der Axpo nun vor, sie habe diesen Markt mit falschen oder irreführenden Signalen manipuliert. Konkret soll das Unternehmen Verkaufsangebote abgegeben und kurz darauf wieder zurückgezogen haben. Die meisten dieser Angebote waren offenbar gar nicht ernst gemeint. Vielmehr ging es darum, die Konkurrenz zu verwirren oder sich selber beim Handel mit Strom an der französischen Grenze in eine bessere Ausgangslage zu bringen.
Die Aussichten, mit solchen Aktionen Gewinn zu machen, waren im Herbst und Winter 2022 besonders gut. Am Strommarkt schossen die Preise wegen des Angriffs Russlands auf die Ukraine und der daraus resultierenden Gasknappheit in Rekordhöhen. Die spanischen Behörden reagierten, indem sie unter anderem den Gaspreis für die Stromerzeugung deckelten.
Die Turbulenzen an den Märkten hatten auch Auswirkungen in der Schweiz. Im September 2022 musste der Bundesrat der Axpo Holding AG einen Kreditrahmen von 4 Milliarden Franken gewähren, um Liquiditätsengpässe aufgrund extremer Preisschwankungen auf den Energiemärkten zu verhindern.
Aufgeheiztes Umfeld
Die Marktmanipulationen, die der Axpo vorgeworfen werden, sind in einem solch aufgeheizten Umfeld besonders gravierend. Carlos Aguilar Paredes, Mitglied der spanischen Wettbewerbsbehörde, ist gemäss der Urteilsschrift denn auch der Meinung, dass die ausgesprochene Strafe zu milde ist.
In einer abweichenden Meinung am Ende der Urteilsschrift fordert der Experte, die Axpo müsse andere Unternehmen entschädigen, die damals durch das Verhalten der Axpo-Händler Verluste erlitten hätten. Zudem solle die Axpo für eine bestimmte Zeit vom spanischen Markt ausgeschlossen werden. Paredes drang mit dieser Forderung bei seinen Kollegen in der Wettbewerbsbehörde allerdings nicht durch.
Der Fall erregt inzwischen in ganz Europa Aufsehen. Die Branchenorganisation der europäischen Energieregulierungsbehörden (Acer) begrüsst in einer Mitteilung das Vorgehen der spanischen Wettbewerbsbehörde gegen die Axpo und lobt ihre Konsequenz bei der Durchsetzung von Regeln gegen Marktmanipulation.
Axpo geht in Berufung
Die Axpo sagt auf Anfrage, sie sei überrascht über den Beschluss der spanischen Wettbewerbsbehörde und werde in Berufung gehen. «Die Axpo hat stets alle Marktregeln und -vorschriften befolgt und hält sich auch weiterhin daran», sagt der Sprecher Martin Stucki. Weitere Angaben zum laufenden Verfahren könne der Konzern zurzeit nicht machen. Ob der Fall personelle Konsequenzen hatte, lässt die Axpo offen.
Der Fall in Spanien dürfte die Diskussionen um das Unternehmen und seine Firmenstrategie weiter anheizen. Es war zwar nicht die Schuld der in dreissig Ländern tätigen Händler, dass sich die Axpo 2022 unter den Rettungsschirm des Bundes flüchten musste. Das Unternehmen hatte sich vielmehr mit dem Verkauf seines in der Schweiz produzierten Stroms falsch positioniert. Mit dem Trading-Geschäft geht der vollständig im Besitz der Nordostschweizer Kantone stehende Konzern aber dennoch hohe finanzielle Risiken ein. Und setzt auch seine Reputation aufs Spiel.
Heute liefert der internationale Handel den grössten Beitrag ans Ergebnis der Axpo – 1,1 Milliarden Franken waren es allein im letzten Geschäftsjahr. Doch das gab es nicht gratis. Wie ein Insider gegenüber der NZZ sagt, kassierten die Trader der Axpo im letzten Geschäftsjahr Boni in Höhe von mindestens 40 bis 50 Millionen Franken.
Laut «Inside Paradeplatz» sollen einzelne Axpo-Händler im letzten Geschäftsjahr gar 3 bis 5 Millionen Franken verdient haben – das wäre deutlich mehr als der CEO Christoph Brand, der für diesen Zeitraum mit rund 1,8 Millionen Franken entlöhnt wurde.
Kein Boni-Deckel
Der Axpo-Sprecher Stucki sagt, sein Konzern mache weder Angaben zur Grösse des Bonuspools noch zu individuellen Bonuszahlungen. Laut Stucki wird ein Teil der Boni zeitversetzt ausbezahlt, ein weiterer Teil direkt. Ein Boni-Deckel existiert zwar, aber nur für den direkt ausbezahlten Teil. Damit sind Boni in Höhe von 3 und mehr Millionen Franken wohl nicht ausgeschlossen.
In den letzten Tagen führte nicht nur der Lohn des Axpo-CEO Brand zu Diskussionen. Weil die Axpo und andere Schweizer Stromproduzenten offenbar enorme Beträge verlangten, um mit ihren Kraftwerken das Stromnetz stabil zu halten, führte die schweizerische Strommarktaufsicht vor einer Woche einen Preisdeckel ein.