Die jüngsten Konjunkturdaten in den USA enttäuschen die Erwartungen. Der Aktienmarkt reagiert freudig darauf. Wie passt das zusammen?
Heisser als erwartet: Diese Aussage charakterisierte das Umfeld an den Finanzmärkten in den ersten Monaten des laufenden Jahres. Die publizierten Konjunkturdaten, primär in den USA, fielen meist besser aus als von den Ökonomen im Vorfeld prognostiziert. Weil sich in der wichtigsten Volkswirtschaft der Welt gleichzeitig auch die Inflation hartnäckig hoch hielt, war an den Märkten von einem «inflationären Boom» die Rede.
Im Rahmen dieser Entwicklung mussten die Erwartungen an baldige Zinssenkungen durch die US-Notenbank laufend nach hinten verschoben werden.
US-Konjunktur überrascht nicht mehr positiv
Doch seit Mitte April scheint der Wind zu drehen. Die in den USA publizierten Konjunkturdaten fallen in der Summe schwächer aus als erwartet. Abzulesen ist diese Entwicklung am Citi Economic Surprise Index (CESI); liegt er über null, fallen die Wirtschaftsdaten besser aus als von den Ökonomen im Vorfeld prognostiziert, fällt er unter null, verfehlen die publizierten Daten die Erwartungen.
Der Index ist volatil, seine Ausschläge sollten nicht allzu unmittelbar gelesen werden. Dennoch ist augenfällig, wie der CESI in den USA seit dem Anstieg in den ersten Januarwochen stets klar im positiven Bereich verharrte – und nun seit Mitte April deutlich nach unten zeigt. Die CESI in der Eurozone und in China liegen derweil gegenwärtig immer noch im positiven Bereich, das heisst, in diesen Regionen liegen die publizierten Konjunkturdaten insgesamt noch über den (sehr geringen) Erwartungen.
Für Schlagzeilen sorgte der US-Arbeitsmarktbericht vom vergangenen Freitag: Mit 175’000 neuen Stellen wurden im April deutlich weniger neue Arbeitsplätze geschaffen als erwartet. Der monatliche JOLTS-Arbeitsmarktbericht zeigte ebenfalls eine sinkende Zahl offener Stellen. Auch die beiden vielbeachteten ISM-Einkaufsmanagerindizes für den Industrie- und den Dienstleistungssektor in den USA sanken im April überraschend unter die Expansionsschwelle von 50.
Ist das nun gut oder schlecht?
Die erste Reaktion an den Finanzmärkten war «Bad News are Good News»: Die Rendite zehnjähriger Treasury Notes ist seit dem 25. April, als sie auf über 4,7% geklettert war, um mehr als 20 Basispunkte auf unter 4,5% gesunken. Der S&P 500 nahm die Entspannung an der Zinsfront dankbar auf und ist im gleichen Zeitraum um knapp 4,5% gestiegen.
Verfassung der Konsumenten im Fokus
Die Befürchtung, die US-Notenbank könnte sich angesichts der zu heissen Inflation sogar nochmals zu Zinserhöhungen gezwungen sehen, hat sich verflüchtigt. Mehrere Fed-Exponenten haben in den vergangenen Tagen in öffentlichen Reden bestätigt, dass der nächste Schritt der Zentralbank eine Zinssenkung sei – es handle sich bloss um eine Frage des Zeitpunktes. Mit Spannung blicken die Märkte nun auf den 15. Mai, wenn der Index der Konsumentenpreise (Consumer Price Index, CPI) für den Monat April publiziert wird.
Aber Achtung: Die «Bad News are Good News»-Stimmung ist fragil. Besonders die Verfassung der Konsumenten in den USA wird in den kommenden Wochen und Monaten genau beobachtet werden müssen. Wie die quartalsweise vom Fed erhobene Umfrage unter Kreditmanagern (Senior Loan Officer Opinion Survey on Bank Lending Practices) nämlich zeigte, haben die Banken ihre Konditionen für Kreditkarten- und allgemeine Konsumkredite im ersten Quartal nochmals deutlich verschärft. Fällt eine Verknappung der Konsumkredite mit einem fortgesetzten Anstieg der Arbeitslosenquote zusammen, droht dem Konsum in den USA eine empfindliche Schwäche.