Der Bauernverband hat die Ja-Parole zum Ausbau der Nationalstrassen gefasst. Die Biodiversitätsinitiative hätte zu einem grösseren Verlust von landwirtschaftlichem Kulturland geführt, sagt der Präsident Markus Ritter.
Herr Ritter, der Bauernverband hat vergangene Woche die Ja-Parole zum Autobahnausbau gefasst. Warum ist die Vorlage für die Landwirtschaft relevant?
Die Vorlage betrifft uns auf verschiedenen Ebenen. Der Verlust von Kulturland für breitere Autobahnen tangiert uns natürlich direkt. Wir sind aber auch darauf angewiesen, dass die Strassen funktionieren, um Produktionsmittel wie Dünger oder Futter und unsere Produkte wie Milch oder Getreide zu transportieren. Das erfolgt zum ganz grossen Teil auf der Strasse. Staus verursachen für alle Mehrkosten. Gerade bei den Tiertransporten ist es auch im Interesse des Tierwohls, dass der Verkehr fliesst.
56 der 106 Mitglieder der Landwirtschaftskammer votierten für die Ja-Parole. Der Antrag auf Stimmfreigabe kam aber immerhin auf 28 Stimmen. Wie erklären Sie sich das?
Wir haben zwei Herzen in der Brust. Mit dem Autobahnausbau geht Kulturland verloren. Diese Diskussion ist für uns auch in verschiedenen Kantonen wichtig, wo Projekte zum Hochwasserschutz geplant sind. Unser Vorstand argumentierte, dass das Bundesamt für Strassen (Astra) viel unternommen habe, um den Kulturlandverlust zu minimieren.
Inwiefern?
Bei drei der sechs Ausbauprojekte handelt es sich um reine Tunnelprojekte. Das Astra hat zudem viel getan, um die benötigte Strassenfläche bei den Autobahnen nach innen zu legen, etwa mit der Nutzung der Mittelstreifen. Zudem wird der Wald, der verlorengeht, nicht auf Kulturland kompensiert. Unter anderem sollen neu qualitative Massnahmen umgesetzt werden, indem Wald aufgewertet wird. Am meisten zog bei unseren Leuten aber das Argument, dass die von links-grüner Seite geforderten 3,5 Prozent Biodiversitätsförderfläche auf dem Ackerland der Produktion mehr als 6000 Hektaren Kulturland entzogen hätten. Dies konnten wir zum Glück abwenden. Bei den sechs Autobahnprojekten geht es um deutlich weniger Kulturland.
Bei der Biodiversitätsinitiative klagten Bauernvertreter, wertvolle Flächen würden der Landwirtschaft entzogen. Und nun sind Ihnen die 40 Hektaren Kulturland, Wald und Fruchtfolgeflächen, die gemäss dem Referendumskomitee verlorengehen, egal?
Nur etwa 10 Hektaren sind wirklich landwirtschaftliches Kulturland. Es handelt sich um eine Frage der Verhältnismässigkeit. Wir haben heute schon 190 000 Hektaren, die wir extensiv bewirtschaften. Die Biodiversitätsinitiative, über die wir im September abgestimmt haben, hätte bei einer konsequenten Umsetzung, wie sich das die Umweltverbände vorstellten, nochmals rund 145 000 Hektaren verlangt. Diese wären für die Produktion verlorengegangen. Die Forderungen der links-grünen Seite waren jenseits von Gut und Böse. Sie stehen in keiner Relation zu den 10 Hektaren für die sechs Autobahnprojekte, die Engpässe beseitigen und der Wirtschaft und Gesellschaft als Ganzem dienen. Dieser Kulturlandverlust tut uns zwar auch weh. Aber wir sind es gewohnt, vernünftig und verhältnismässig zu entscheiden.
Für den Autobahnausbau könnte es gemäss ersten Umfragen eng werden. Kritiker werfen Ihnen vor, die Ja-Parole sei bloss ein Freundschaftsdienst für die Allianz mit den Wirtschaftsverbänden – auch als Geld-und-Gülle-Allianz verspottet.
Wir haben die Vorlage sachlich und aus Sicht der Landwirtschaft beurteilt. Der Bauernverband ist eigenständig. Entschieden hat am Schluss nicht ein kleines Grüppchen, sondern die Landwirtschaftskammer, die hundert Mitglieder aus der ganzen Schweiz und aus vielen Kantonal- und Fachorganisationen umfasst. Diese haben sich intensiv Gedanken gemacht, ob der Autobahnausbau tragbar und verhältnismässig ist. Für uns war auch die Position des Berner Bauernverbandes wichtig, der am meisten betroffen ist. Der Ausbau der A 1 zwischen Schönbühl und Bern-Wankdorf sowie Kirchberg und Schönbühl kostet am meisten Land. Der Berner Verband kam dennoch zu dem Schluss, dass die Vorlage vernünftig ist. Auch die gute Zusammenarbeit mit dem Astra wurde gewürdigt. Dieses weiss, dass die Landwirtschaft in dieser Frage politisch ein grosses Gewicht hat.