Der Weltmarktführer für Computermäuse schafft endlich die Wende. Doch Borel fordert eine Palastrevolution. Ein Gericht gibt ihm Recht.
Daniel Borel ist offenkundig wütend: «Anliegen von Aktionären werden unter den Teppich gekehrt. Anwälte werden angeheuert, um zu verhindern, dass Aktionäre mitreden können. Es braucht Gerichtsentscheide, damit sich das Unternehmen an das Gesetz hält.» In einem am Montag versandten Brief an den Logitech-Verwaltungsrat macht Borel seinem Ärger Luft. Die Aktionäre, von denen er spricht, sind vor allem einer: er selbst.
Borel hat den heutigen Weltmarktführer für Computermäuse, Tastaturen und andere Peripheriegeräte im Jahr 1981 mitgegründet. Er war CEO und Verwaltungsratsvorsitzender von Logitech; nun hält er noch knapp 2 Prozent der Aktien. Aber das reicht aus, um eine Palastrevolution zu starten – oder es zumindest zu versuchen. Borel will Logitech-Präsidentin Wendy Becker zum Rückzug zwingen. Er wirft ihr Führungsversagen vor.
Borel setzt sich durch – mithilfe der Justiz
Deshalb hatte der 74-Jährige einen Antrag eingereicht, um an der Generalversammlung Anfang September einen anderen Kandidaten für den Vorsitz zur Wahl zu stellen. Das Unternehmen wollte diese Abstimmung nicht zulassen – doch am Montag entschied das Waadtländer Bezirksgericht von La Côte, dass es das muss. So wird es nun kommen; Logitech will die Aktionärsversammlung nicht verschieben. Für Borel ist es ein Erfolg.
Ein Erfolg ausgerechnet vor dem Tag, an dem Logitech mit Erfolg glänzte: Das schweizerisch-amerikanische Unternehmen mit Sitz in Lausanne hat von April bis Juni einen Umsatz von 1,1 Milliarden Dollar erwirtschaftet, wie es in der Nacht auf Dienstag mitteilte. Das sind 12 Prozent mehr als im Vorjahreszeitraum. Der Betriebsgewinn hat sich gar auf 153 Millionen Dollar fast verdoppelt, die Marge stieg eindrücklich. Die Erwartungen der Analysten wurden klar übertroffen.
Borel kritisiert das Logitech-Präsidium seit rund einem Jahr – mit Verweis auf die grossen Probleme des Unternehmens im Nachgang von Corona. Zu Beginn der Pandemie kauften Firmen und Privatleute massenhaft Computerzubehör, um sich für Videokonferenzen und das Arbeiten im Home-Office auszurüsten. Dann folgte eine Kaufpause, verstärkt von Inflation und allgemeiner Konsumzurückhaltung.
Logitech ist zurück in der Spur
Im Geschäftsjahr per Ende März 2024 verzeichnete Logitech einen Umsatz von 4,3 Milliarden Dollar. Zwei Jahre zuvor waren es noch 5,5 Milliarden Dollar gewesen. Mitten im Einbruch zog sich Firmenchef Bracken Darrell zurück. Die Nachbesetzung brauchte Zeit. Seit November 2023 führt die frühere Unilever-Managerin Hanneke Faber die Geschäftsleitung.
Jetzt hob Faber den Ausblick für Umsatz und Betriebsgewinn im laufenden Geschäftsjahr leicht an. Sie sehe wachsende Nachfrage, wolle angesichts der konjunkturellen Unsicherheiten aber pragmatisch bleiben, sagte Faber zu Analysten. Im vergangenen Quartal hatten fast alle Produktgruppen und alle Regionen zugelegt, zuvorderst Europa. Vor allem bei Verkäufen von Mäusen und Tastaturen, laut Faber der Kern von Logitech, ist man optimistisch.
Daniel Borel hat wenig gegen Faber – und sicher nichts gegen den Umstand, dass sich Logitechs Aktienkurs seit dem Tief im Herbst 2022 wieder um 80 Prozent erholt hat. Doch er wirft Wendy Becker vor, zu langsam reagiert zu haben. Die seit 2019 amtierende Verwaltungsratspräsidentin habe in der Krise zu lange die Zügel schleifen lassen und kein Konzept für die Zeit nach Darrells überraschendem Abtritt gehabt, kritisierte Borel im September 2023 im Gespräch mit der NZZ.
Kurios: ein Kandidat wider Willen
Jedoch hat Becker bereits Konsequenzen gezogen und will sich nicht zur Wiederwahl stellen – allerdings erst an der Generalversammlung im September 2025. Bis dahin will sie weitermachen. Borel ist dagegen und bezeichnet sie als «lame duck». Er schlägt Guy Gecht für den Vorsitz vor. Das Verwaltungsratsmitglied Gecht hatte Logitech nach Darrells Abgang interimistisch als CEO geführt. Der auch zuvor in seiner Karriere bereits als Firmenchef tätige Gecht machte bei Borel offenbar einen guten Eindruck.
An diesem Punkt droht Borels Anliegen ins Absurde zu kippen. Denn Gecht erklärte bereits, dass er sich an der anstehenden Generalversammlung nicht zur Wahl für den Vorsitz stellen will. Borel argumentiert hingegen, das sage Gecht nur, weil er keine Kampfkandidatur gegen Becker führen wolle. Doch wenn Gecht gewählt werde, gebe es wenig Zweifel, dass er sich dieser Aufgabe schon jetzt stellen werde, behauptet Borel in seinem Brief an den Verwaltungsrat.
Eben weil Gecht sein Desinteresse geäussert hatte, wollte Logitech den Antrag Borels nicht zur Abstimmung zulassen. Sie würde die Aktionäre nur unnötig verwirren, hiess es. Im Gegenzug warf Borel dem Präsidium am Montag vor, einen Zirkus zu veranstalten und auf lächerliche Weise Zeit und Geld für die Abwehr seines Antrags zu verschwenden.
«Sie haben keine Kristallkugel und können nicht vorhersagen, was Guy Gecht tun wird, falls er gewählt wird», warf Borel dem Verwaltungsrat vor. Doch erst die Generalversammlung wird wohl zeigen, wer hier wessen Ressourcen verschwendet. Schon im September 2023 hatte sich Borel gegen die Wiederwahl von Becker ausgesprochen. Sie wurde mit 96 Prozent Zustimmung im Amt bestätigt.