Freitag, September 27

Thomas Jordan und die Nationalbank bildeten während Jahren eine untrennbare Einheit. Der abtretende Notenbanker war ein erfolgreicher Hüter der Preisstabilität und der geldpolitischen Unabhängigkeit.

Ein letzter Auftritt, ein letzter geldpolitischer Entscheid. Thomas Jordan hat am Donnerstag den Leitzins ein weiteres Mal gesenkt. Schon vier Tage später wird er als Präsident der Schweizerischen Nationalbank (SNB) abtreten. Bekannt ist das seit März dieses Jahres. Doch obwohl man es schon ein halbes Jahr lang weiss: Eine SNB ohne Thomas Jordan, beziehungsweise ein Thomas Jordan ohne SNB, ist gewöhnungsbedürftig. Amt und Person schienen beim 61-jährigen Vollblut-Ökonomen beinahe zu verschmelzen.

Erfolgreicher Hüter der Preisstabilität

Die Schweiz, die hiesigen Firmen und die Bevölkerung haben Jordan viel zu verdanken. Zusammen mit seinen Kolleginnen und Kollegen im SNB-Direktorium verfolgte er in den letzten zwölf Jahren eine umsichtige Geldpolitik. Dass die Schweiz viele Krisen besser überstand als andere Länder, hat auch mit der SNB zu tun. Seien es die Folgen der Finanz- und Euro-Krise, das Hantieren mit dem zeitweise starken Franken, die Covid-Pandemie oder der Krieg in der Ukraine: Jordan steuerte die SNB mit ruhiger Hand, skandalfrei und ohne Hang zu Aktivismus.

Zwar sollte man Notenbankchefs nicht bereits zum Zeitpunkt ihres Rücktritts loben oder kritisieren. Denn viele geldpolitische Massnahmen entfalten ihre volle Wirkung erst mit einer Verzögerung von mehreren Jahren. Im Falle von Jordan ist beispielsweise schwer abschätzbar, welche langfristigen Folgen die während seiner Amtszeit stark aufgeblähte SNB-Bilanz haben wird. Bereits feststellen lässt sich aber: Bei der wichtigsten Aufgabe, der Gewährleistung der Preisstabilität, hat Jordan gute Arbeit geleistet.

Seit Jordan im April 2012 das SNB-Präsidium übernommen hat, sind die Konsumentenpreise in der Schweiz um 5,8 Prozent gestiegen. Das ist zwar keine Preisstabilität im buchstäblichen Sinn. Doch allfälliges Klagen verstummt rasch, wenn man etwa nach Deutschland blickt. Dort stiegen die Preise im gleichen Zeitraum um 19 Prozent. Kommt hinzu, dass die Teuerung in der Schweiz nicht nur niedriger, sondern auch weniger volatil war. Dies, obwohl kleine Währungsräume, die den Stürmen des Auslands besonders stark ausgesetzt sind, oft zu heftigen Ausschlägen neigen.

Keine Verbrüderung mit der Politik

Die hohe Preisstabilität der Schweiz kann aber nicht ausschliesslich der SNB zugeschrieben werden. Wichtig waren auch strukturelle Gründe, etwa die geringere Abhängigkeit der Schweiz von Energieimporten, die relativ tiefe Staatsverschuldung und eine moderate Lohnentwicklung, die dazu beitrug, dass keine Lohn-Preis-Spirale zu drehen begann. Doch die SNB hat mit ihrem geschicktem Tarieren zwischen Zinserhöhungen, einer nominalen Frankenaufwertung und gezielten Devisenverkäufen stark dazu beigetragen, dass der Inflationsschub gering blieb.

Jordan war aber nicht nur ein erfolgreicher Inflationsbekämpfer. Der habilitierte Ökonom hatte auch einen klaren ordnungspolitischen Kompass, was seit Ausbruch der Finanzkrise bei vielen Zentralbanken selten geworden ist. Er verstand, was der gesetzliche Auftrag der SNB ist – und was in die Kompetenz von demokratisch gewählten Volksvertretern fällt. Entsprechend wusste er um das Risiko, wenn sich Notenbanker für Aufgaben der Regierung oder des Parlaments einspannen lassen. Denn solche Verbrüderungen führen stets zu einer Erosion der geldpolitischen Unabhängigkeit.

So verlockend es für die Eitelkeit eines Notenbankchefs sein mag, sich mit einem markigen «Whatever it takes»-Versprechen als allmächtiger Problemlöser zu empfehlen, so anmassend und rechtswidrig ist es letztlich. Ein ehrlicher Notenbanker kennt die Grenzen seiner Zuständigkeit – und respektiert sie. Das war bei Jordan der Fall, wobei ihm diese Prinzipientreue beim Niedergang der Credit Suisse zum Teil auch Kritik einbrachte. Er tat, was ihm das Gesetz aufgetragen hatte – und dies in einer Qualität, um die die Schweiz beneidet wird.

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