Am 27. Juli 1934 – also genau vor 90 Jahren – verunfallte im süddeutschen Wurmlingen ein Swissair-Flugzeug. Neun Passagiere und drei Besatzungsmitglieder waren sofort tot. Die Maschine war erst wenige Monate alt.
Die 1931 aus Balair und Ad Astra gegründete Swissair flog zwölf Jahre unfallfrei. Im dreizehnten Jahr aber stürzte die nur drei Monate in Betrieb stehende CH 170 auf dem Flug von Zürich nach Berlin in Wurmlingen bei Tuttlingen ab. Wie konnte es dazu kommen?
Das «Gross-Express-Flugzeug» Curtiss AT-32C Condor II war eine amerikanische Maschine neuster Konstruktion. Es wurde von der Curtiss Wright Robertson Airplane Co. in Garden City im Süden von New York gebaut und wurde der Swissair am 28. März 1934 übergeben.
Bei dem Flugzeug handelte es sich um eine Spezialanfertigung für die Swissair. Die Kabine war für 15 Personen eingerichtet, schalldämpfend verkleidet und mit verstellbaren Luftdüsen für die Frischluftversorgung der Fluggäste ausgestattet. «Damit ist die Vergrösserung des Maschinenparkes bei der Swissair abgeschlossen», liest man in der damaligen Medienmitteilung.
Der Pilot Armin Mühlematter, der 1928 zur Balair gekommen und dann von der Swissair übernommen worden war, hatte bis zum Unfall rund eine halbe Million Kilometer in regelmässigem Linienverkehr zurückgelegt. Zur Crew gehörten der Bordfunker Hans Daschinger und die erste Stewardess der Swissair, Nelly Diener, die auf sämtlichen 83 Flügen der Curtiss Condor zwischen Zürich und Berlin gearbeitet hatte. Sie war auch als «Engel der Lüfte» bekannt.
Vorgesehen war, dass das Flugzeug ab dem 1. Mai 1934 auf der Strecke Zürich–Stuttgart–Berlin mit Zwischenstopps auf dem Landesflughafen in Stuttgart-Böblingen und Halle/Leipzig verkehrt.
«Durch den Einsatz dieses damaligen Grossflugzeuges mit einer Reisegeschwindigkeit von 240 km/h konnte die Flugzeit von fünf auf drei Stunden und 40 Minuten – inklusive Zwischenlandungen – reduziert werden», heisst es in internen Unterlagen der nationalen Fluggesellschaft der Schweiz.
Die Curtiss AT-32C Condor II war die grösste Maschine der damaligen schweizerischen Luftverkehrsflotte. Und bei der Swissair als der ersten Fluggesellschaft Europas flog eine Stewardess mit: Nelly Diener.
Das Flugzeug war am Freitag, 27. Juli 1934, kurz nach 9 Uhr in Dübendorf gestartet. Noch in der Nacht, so ist in Dokumenten zu lesen, sei die Curtiss Condor penibel und unter Aufsicht eines Prüfers vom Luftamt gewartet worden.
Im Sturm kam es zum Knall
Nach nur drei Monaten in Betrieb und mit etwas mehr als 100 000 Flugkilometern kam es zur Tragödie, als gemäss planecrashinfo.com an der Grenze zwischen der Schweiz und Deutschland ein Gewittersturm wütete. Um 9 Uhr 45 gab es über dem Wurmlinger Kapf in etwa 800 bis 900 Metern Flughöhe einen Knall, und der rechte Motor sowie die obere Tragfläche lösten sich vom Flugzeug. Das Flugzeug stürzte ab. Alle Passagiere und die Besatzungsmitglieder starben.
Über die genaue Unfallursache wurde spekuliert: Die Vertreter des eidgenössischen Luftverkehrsamtes vermuteten Schäden nach einem Ausbau des Motors, wie es bei stärkeren Motoren schon verschiedentlich vorgekommen sei. Eine Untersuchungskommission aus Deutschland meinte, dass die ersten Frakturen durch ungenügende Verschweissung der Anschlusslaschen und durch Vibrationen des Motors entstanden seien.
Der rechte Motor und Teile der rechten Aussentragfläche wurden etwa 50 Meter vom Rumpf entfernt gefunden. Die rechte obere Tragfläche sowie einige Verspannungsdrähte hatten sich ebenfalls vom Rumpf gelöst und lagen ungefähr 800 Meter vom Rumpf entfernt im Wald.
Im Buch «Swissair – Von fliegenden Kisten zum Jet» schrieb Curt Riess: «Infolge einer damals von aussen nicht erkennbaren Materialermüdung – heute lässt sich eine solche auf elektromagnetischem Weg feststellen – brach ein Flügel ab.» Eine gründliche amtliche Untersuchung habe diese Vermutung bestätigt, ist in Erich Tilgenkamps Buch zur Schweizer Luftfahrtgeschichte zu lesen.
Es war der erste tödliche Swissair-Unfall
Der Absturz brachte das Ende der unfallfreien Zeit bei der Swissair. Er löste damals bei den noch exklusiven Passagieren, die nicht so oft in ein Flugzeug stiegen, eine «Vertrauenskrise» aus.
Doch gute Betriebsresultate dank lukrativen Postflügen verhalfen der Firma schnell zu einer Rückkehr zur Normalität. Zudem glaubte man an den aufstrebenden Luftverkehr und schöpfte – dank der Führung von Walter Mittelholzer (Technischer Direktor Swissair) und Balz Zimmermann (Gründer der Swissair) – in kurzer Zeit wieder Vertrauen ins Fliegen.
An diesem 27. Juli 1934 und den folgenden Tagen wehten die Fahnen des schweizerischen Luftverkehrs erstmals auf halbmast. Ein Gedenkstein vor Ort erinnert heute an den tragischen ersten Unfall der Swissair.