Aus der Hoffnung der Pharmabranche, dass sich grosse Teile der Bevölkerung Jahr für Jahr gegen Covid-19 impfen lassen würden, ist nichts geworden. Die wachsende Impfskepsis setzt nun sogar dem Branchenriesen Pfizer zu.
Die Pandemie verhalf Impfstoffherstellern zu glänzenden Geschäften. Aus einem Markt, der zuvor ein weltweites Volumen von rund 3o Milliarden Dollar gehabt hatte, wurde 2021 und 2022 auf einmal ein solcher mit Umsätzen von je 100 Milliarden Dollar. Dabei entfielen je rund 60 Milliarden Dollar auf Geschäfte mit Vakzinen gegen Covid-19.
Doch mittlerweile ist das Volumen stark geschrumpft, auch wenn die verbliebenen drei Hauptanbieter mit Covid-Impfstoffen noch immer mehrere Milliarden Dollar erwirtschaften. So rechnet der amerikanische Pharmakonzern Pfizer damit, im laufenden Jahr mit seinem Vakzin der Marke Comirnaty 5 Milliarden Dollar einzunehmen.
Sein deutscher Partner Biontech, der dasselbe Produkt im Angebot hat, erwartet noch ungefähr 2,5 Milliarden Euro an Umsatz. Im Spitzenjahr 2021 hatte das Unternehmen aus Mainz noch Verkäufe von 19 Milliarden, 2022 von über 17 Milliarden Euro verbucht.
Auch die Hauptzielgruppe reagiert zurückhaltend
Auch der dritte Anbieter von mRNA-Impfstoffen gegen Covid-19, Moderna, ist mit einem starken Aderlass konfrontiert. Das amerikanische Unternehmen, das auf Basis der mRNA-Technologie inzwischen auch ein Vakzin gegen die Atemerkrankung Respiratorisches Synzytial-Virus (RSV) auf den Markt gebracht hat, stellt seinen Aktionären einen Gesamtumsatz von 3 bis 3,5 Milliarden Dollar in Aussicht. 2021 und 2022 waren die Verkäufe bei 18 beziehungsweise 19 Milliarden Dollar gelegen.
Das Trio hatte ursprünglich darauf gehofft, dank jährlichen Auffrischimpfungen weiterhin zweistellige Milliardenbeträge im Geschäft mit der Verhinderung schwerer Covid-Erkrankungen zu verdienen. Doch nur drei Jahre, nachdem in der Schweiz und vielen anderen Ländern Restaurants und andere öffentliche Orte lediglich gegen Vorweisen eines Impfzertifikats betreten werden durften, hat die Impfbereitschaft stark nachgelassen. Selbst Personen über 65, die nach wie vor als gefährdeter für einen schweren Krankheitsverlauf als jüngere Erwachsene gelten, sind unwillig, sich die Impfung ein weiteres Mal verabreichen zu lassen.
Gestiegenes Vertrauen in natürliche Immunität
So gaben in einer Umfrage, die der Impfstoffhersteller Moderna in dieser Altersgruppe jüngst in der Schweiz durchführen liess, über die Hälfte der 600 Befragten an, das Risiko einer Covid-Erkrankung für ihre eigene Gesundheit als gering oder sogar als sehr gering einzuschätzen. Ein ähnliches Ergebnis zeigten die Antworten auf die Frage, wie gefährlich die Umfrageteilnehmer eine Grippeinfektion auffassten.
Offensichtlich hat das Vertrauen in die natürliche Immunität in weiten Bevölkerungskreisen stark zugenommen. Zudem wurden in der Umfrage von Moderna immer wieder Zweifel an der Sicherheit von Impfstoffen als Grund gegen Covid- und Grippeimpfungen genannt. Hersteller von Vakzinen scheinen so gesehen mittlerweile mit einem Glaubwürdigkeitsproblem zu kämpfen. Viele Leute sind nicht mehr bereit, sich Auffrischimpfungen verabreichen zu lassen, selbst gegen die saisonale Grippe.
Finanzanalysten revidieren Erwartungen nach unten
Wegen der sinkenden Impfbereitschaft haben auch Marktbeobachter damit begonnen, ihre Erwartungen an die Anbieter von Vakzinen nach unten zu schrauben. Analysten der britischen Grossbank HSBC erklärten diese Woche, im Fall des Pharmakonzerns GlaxoSmithKline (GSK) mit deutlich geringeren Wachstumsraten als bis anhin zu rechnen.
GSK hat zwar keine Covid-Impfungen im Angebot, doch zählt das Unternehmen zu den weltgrössten Anbietern von Vakzinen und erwirtschaftet in diesem Bereich umgerechnet über 10 Milliarden Dollar Umsatz. Mittlerweile mischt es zusammen mit Moderna und Pfizer auch im Geschäft mit Impfstoffen gegen RSV mit. Allerdings erwarten die Analysten von HSBC, dass sich wegen der gestiegenen Impfskepsis die ursprünglichen Umsatzerwartungen nicht mehr erfüllen lassen, ähnlich wie bei Impfungen gegen Gürtelrose.
Schwarzer Tag für die Aktien von Impfstoffherstellern
Mit der Nominierung des Impfskeptikers Robert Kennedy zum US-Gesundheitsminister hat die Branche einen weiteren Schlag erhalten. Zwar muss der Senat dem Vorschlag von Donald Trump noch zustimmen, doch haben sich Investoren bereits auf Kennedy einzustellen begonnen.
Als am 15. November durchsickerte, er solle den Posten erhalten, war dies ein schwarzer Tag für die Aktien von Impfstoffherstellern. Besonders arg erwischte es die Valoren von Pfizer. Die Kursverluste kosteten den Pharmakonzern laut Analytikern der amerikanischen Investmentbank Morgan Stanley 20 Milliarden Dollar an Börsenkapitalisierung.
Kennedy hat in den sozialen Netzwerken beteuert, niemandem in den USA Impfstoffe wegzunehmen. Ein grosses Anliegen scheint ihm aber zu sein, die Öffentlichkeit stärker über die Risiken von Impfungen aufzuklären.
Kippt Kennedy industriefreundliches Gesetz?
In diesem Zusammenhang könnte die neue Regierung auch versuchen, ein umstrittenes Gesetz aus dem Jahr 1986 zu kippen, das es nahezu verunmöglicht, Hersteller von Vakzinen auf Schadenersatz zu verklagen. Nach Einschätzung von John Plassard, Anlagespezialist bei der Genfer Privatbank Mirabaud, ist es kontraproduktiv. Anbieter von Impfstoffen hätten dank der Immunität, die sie geniessen würden, keinen Anreiz, ihre Produkte zu optimieren sowie für Transparenz zu sorgen. Das Gesetz sollte, meint er, lediglich die Anbieter einfacher, günstiger Vakzine vor Klagen schützen.
So oder so wird die Branche einiges unternehmen müssen, um ihre angeschlagene Glaubwürdigkeit zu verbessern. Zu Beginn der Pandemie noch als Heilsbringer gefeiert, bekommt sie mittlerweile starken Gegenwind.