Sonntag, September 29

Mitte-links beklagt sich über den gestiegenen Aufwand im Rat. Dabei verursacht der Gemeinderat viel von seiner Arbeit selbst.

Das Zürcher Stadtparlament meint es gut mit sich selbst. Es hat sich am Mittwoch eine üppige Lohnerhöhung gegönnt. Künftig sollen die 125 Gemeinderätinnen und Gemeinderäte statt 16 000 Franken rund 28 000 jährlich für ihren Aufwand erhalten – also fast doppelt so viel wie heute. Dies sei angemessen, befanden alle Parteien ausser der FDP und der SVP.

Der Grundtenor der Debatte lautete: Eine Gehaltsaufbesserung sei nötig, um der hohen Fluktuation im Parlament entgegenzuwirken. Ohne Pensumsreduktion im Beruf könne das Amt kaum ausgeübt werden. Die politische Arbeit sei aufwendiger und zeitintensiver als früher.

Diese Lohnerhöhung in eigener Sache ist dreist. Denn die Mehrarbeit, über die sich der Gemeinderat beschwert, erzeugt er selbst.

Gewiss gibt es grosse Brocken, über die das Parlament brütet. Das Budget, die Bau- und Zonenordnung oder der Verkehrsrichtplan sind komplexe Geschäfte, in die sich die zuständigen Kommissionsmitglieder einarbeiten müssen. Dafür ist eine sorgfältige Vorbereitung nötig.

Viel zu oft ist der Rat allerdings damit beschäftigt, seine endlos lange Liste von – mehr oder weniger relevanten – Vorstössen abzuarbeiten. Keine Idee zu klein, ein politisches Anliegen zu sein. Debattiert wird über Gratis-Sonnencrème für die Bevölkerung, «Freundschaftsbänke» gegen psychische Leiden oder die Pflanzung von Kastanienbäumen.

Meistens sind die Meinungen längst gemacht, dafür gibt es die Vorbesprechung in den Kommissionen. Trotzdem ufern die Ratsdebatten regelmässig aus. Bestes Beispiel dafür war die Diskussion über die höhere Entschädigung selbst. Geschlagene eineinhalb Stunden diskutierten die Parlamentarier, einige meldeten sich mehrmals, um das bereits Gesagte zu wiederholen. Für andere Geschäfte blieb danach kaum mehr Zeit.

Mit anderen Worten: Das Stadtparlament beschäftigte sich ausgiebig mit sich selbst. Wie so oft.

Es ist im Gemeinderat üblich, dass manche während der Sitzungen E-Mails schreiben, andere Computerspiele spielen und wieder andere ein Schwätzchen vor der Kaffeemaschine abhalten. Bis zu einem gewissen Grad ist dies erklärbar: Stadtparlamentarier sind Spezialisten. Sie konzentrieren sich auf einige wenige Geschäfte und folgen den übrigen eher passiv. Umso irritierender ist es da allerdings, dass die Kommissions- und Ratssitzungen neu auf die Minute genau abgerechnet werden sollen.

Gewiss soll die Milizarbeit angemessen entschädigt werden. Es spricht nichts gegen eine moderate Erhöhung, um die Teuerung auszugleichen. Letztmals grundlegend angepasst wurden die heutigen Beträge im Jahr 1998. Aber ein politisches Amt ist nicht vergleichbar mit einer Erwerbsarbeit. Es ist darum stossend, dass die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler für eine Lohnerhöhung aufkommen müssen, die ihnen keinen Mehrwert bringt.

Statt sich über die gestiegene Arbeitslast zu beschweren, sollten die Gemeinderätinnen und Gemeinderäte besser darüber nachdenken, wie sie ihren Aufwand reduzieren können. Möglichkeiten gibt es durchaus. Kommissionssitzungen beispielsweise können wie während der Corona-Zeit virtuell stattfinden. Das ist effizienter. Vor allem aber sollten sich die Parlamentarier Gedanken machen, ob wirklich jede Idee, die Stadt zu verbessern, als Vorstoss in den Rat getragen werden muss. Die Antwort ist Nein.

Mit noch höheren Entschädigungen passiert das Gegenteil. Der Rat hat keinen Anreiz, sich zu mässigen.

Die SVP hat angekündigt, das Referendum zu ergreifen. Somit dürften die Stimmbürger das letzte Wort haben. Gut möglich, dass der SVP im rot-grünen Zürich mit dieser Abstimmung Sympathie entgegenschlägt. Mit der Initiative gegen «goldene Fallschirme» für abtretende Behördenmitglieder ist ihr im Frühling ein Coup gelungen. Sogar die linken Hochburgen der Kreise 4 und 5 stimmten dafür, dass nur noch abgewählte Stadträte eine Abfindung bekommen sollen.

Es ist nur folgerichtig, wenn die Entschädigungsverordnung vors Volk kommt. Schliesslich ist es der Chef, der über eine Lohnerhöhung bestimmt.

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