Ein studentischer Verein hatte den Diplomaten fälschlicherweise als «Ambassador» bezeichnet. Chinesische Studenten waren empört, die Botschaft der Volksrepublik intervenierte bei der Hochschule.
David Huang ist ein freundlicher Mann. Er lässt sich die gute Laune auch nicht nehmen, obwohl seiner Heimat der Zugang zur Generalversammlung der Vereinten Nationen in New York auch dieses Jahr verwehrt wurde. «We are forced to be a part of China», sagte Huang am Donnerstagabend in einer kurzen Ansprache an einem Podium an der Universität Zürich. Der Titel der Veranstaltung: «Discover the Untold Story of Taiwan’s Sovereignty!»
Über den Wirbel um seine Person, über den der «Nebelspalter» am Donnerstag berichtet hatte, kann der 59-Jährige nur müde lächeln. Der Diplomat ist das Theater gewohnt, das vor seinem Auftritt in Zürich aufgeführt wurde: Supermacht gegen kleines Land, Einparteistaat gegen Demokratie, kommunistische Propaganda gegen freie Rede.
Huang ist der Vertreter von Taiwan in Bern. Der studentische Verein Foraus hatte ihn eingeladen, ein paar einleitende Worte an der Veranstaltung vorzutragen. Informiert über den Abend des Think-Tanks wurde die Studentenschaft in der vergangenen Woche per Massen-E-Mail, wie dies bei solchen Veranstaltungen üblich ist.
Neutralität der Schweiz in Gefahr?
Das Problem: Foraus hatte Huang versehentlich als Botschafter von Taiwan bezeichnet – also mit einem Titel, der offiziellen Vertretern ausländischer Staaten vorbehalten ist. Huang vertritt jedoch keinen Staat, zumindest nicht offiziell. Er darf sich lediglich «Representative» nennen. Denn Taiwan wird von den meisten Ländern der Welt nicht anerkannt. Auch die Schweiz verfolgt eine Ein-China-Politik: Diplomatische Beziehungen gibt es nur mit Peking, nicht mit Taipeh. China betrachtet die Inselrepublik im Südchinesischen Meer als abtrünnige Provinz.
Und die will es zurückhaben. Das ist das erklärte Ziel des chinesischen Machthabers Xi Jinping. «Das Vaterland muss vereint sein und wird zwangsläufig vereint sein.» Das sei der Wunsch des chinesischen Volks, sagte Xi Ende des vergangenen Jahres in einer Rede in Peking. Er hat die Taiwan-Frage zur Schicksalsfrage seiner Präsidentschaft gemacht.
Das Thema ist entsprechend aufgeladen – und das zeigte sich auch in den Tagen vor der Podiumsrunde an der Universität Zürich. Mehrere chinesische Studentinnen und Studenten der Hochschule protestierten gegen die Veranstaltung.
Ein Masterstudent empörte sich nicht nur über den Begriff «Ambassador», den Foraus für Huang verwendet hatte, sondern auch über das Schlagwort «Sovereignty»: Taiwan sei kein souveräner Staat. Die Podiumsrunde (die noch gar nicht stattgefunden hatte) foutiere sich um Fakten. Es handle sich um eine politische Veranstaltung zur Unterstützung der Unabhängigkeit Taiwans und nicht um eine seriöse Debatte unter Wissenschaftern, schreibt der junge Mann in einer E-Mail an die Organisatoren, die der NZZ vorliegt.
Eine chinesische Studentin stellt gar den Kurs der hiesigen Aussenpolitik infrage. Die Podiumsrunde an der Universität mache verdächtig. Wenn die Mehrheit der Bevölkerung und die Landesregierung genauso dächten wie die Veranstalter, dann werde der Status der Schweiz als «‹neutrales Land›» Schaden nehmen.
Druck aus Bern
Für regimetreue Chinesen hat alles mit Politik, mit Partei, Staat und Nation zu tun. Die Aufregung in der chinesischen Diaspora war so gross, dass einige Studenten aus dem Reich der Mitte kurzerhand das Generalkonsulat in Zürich und die Botschaft der Volksrepublik in Bern alarmierten. Die Botschaft wiederum intervenierte beim Rektorat der Universität. Dort hatten sich auch mehrere Wissenschafter der Hochschule gemeldet, die die Massen-E-Mail mit der Einladung zur Podiumsrunde und der unglücklichen Wortwahl ebenfalls erhalten hatten.
«Die Bezeichnung ‹Ambassador› entspricht nicht dem internationalen Standard, daher haben wir vom Verein Foraus verlangt, dies anzupassen», sagt Beat Müller, der Sprecher der Universität. Am Mittwoch verschickten die Veranstalter eine zweite Massen-E-Mail, in der man bei allen Studierenden um Entschuldigung bat für das «Missverständnis»: Huang ist der Vertreter Taiwans in der Schweiz, nicht der Botschafter.
Müller lässt durchblicken, dass man die Richtigstellung zur Bedingung gemacht habe, damit die Podiumsrunde habe stattfinden können.
Hat sich die Universität Zürich von der chinesischen Botschaft unter Druck setzen lassen? Müller verneint. Aber es sei wichtig, bei Veranstaltungen an der Hochschule diplomatisch korrekte Begriffe zu verwenden – zumal bei einem derart delikaten Thema wie China und Taiwan.
Die Universität wollte kein Risiko eingehen. Der Verein Foraus musste kurzfristig eine zweite Bedingung erfüllen – und zwei Securitas-Mitarbeiter aufbieten für die Podiumsrunde, man weiss ja nie. Der Abend ging ohne Zwischenfälle über die Bühne.