Freitag, November 29

Im Endspiel der Copa Libertadores duellieren sich Botafogo aus Rio de Janeiro und Atlético Mineiro aus Belo Horizonte. Viele brasilianische Vereine sind verschuldet – und dominieren auf ihrem Kontinent trotzdem.

Das Wehklagen in Argentinien, im Land des Fussball-Weltmeisters, ist gross. Am Samstag wird in der Hauptstadt Buenos Aires der Final der Copa Libertadores ausgetragen, des wichtigsten südamerikanischen Klubwettbewerbs. Und im Estadio Monumental werden sich ausgerechnet zwei Klubs des Erzrivalen Brasilien duellieren: Botafogo aus Rio de Janeiro und Atlético Mineiro aus Belo Horizonte.

Nicht dass dies eine Überraschung wäre. Aus Brasilien kommen neun der letzten zehn Finalisten in diesem Wettbewerb und sechs der letzten sieben Titelträger. Binnen kurzer Zeit haben die brasilianischen Klubs einen grossen Rückstand aufgeholt. Noch vor zwanzig Jahren führten die argentinischen Klubs im Direktvergleich mit neun Titeln Vorsprung, nun wird dieser bald auf einen Titel geschmolzen sein (25:24). Der Rest ist sowieso chancenlos; der letzte Verein, der die Copa Libertadores gewann und weder aus Brasilien noch aus Argentinien stammte, war 2008 Liga de Quito aus Ecuador.

Bei den diesjährigen Finalisten handelt es sich historisch betrachtet keineswegs um Schwergewichte. Botafogo, der Verein des legendären Dribblers Garrincha, hat die Copa Libertadores noch nie gewonnen, Atlético Mineiro erst einmal, 2013, angeführt vom früheren Weltfussballer Ronaldinho.

Ein amerikanischer Investor bringt Geld – aber auch Ärger

Zu den Besonderheiten der brasilianischen Dominanz in diesem Wettbewerb gehört, dass sie sich breit verteilt: Allein in den letzten zwanzig Jahren triumphierten neun verschiedene Klubs. Das Niveau in der nationalen Liga Brasileirão ist – ähnlich wie in der argentinischen Primera División – sehr ausgeglichen, es gibt fast jedes Jahr einen anderen Meister.

Der Grund für die brasilianische Hegemonie in Südamerika ist schnell gefunden: das Geld. Nach einer Studie der Beratungsfirma Sports Value kamen die zwanzig Erstligisten aus Brasilien im Jahr 2023 auf einen Gesamtumsatz von 1,83 Milliarden Dollar. Der Branchenprimus Flamengo aus Rio de Janeiro verzeichnete 280 Millionen Dollar an Einnahmen – fast doppelt so viele wie alle Klubs zusammen in den Ligen in Chile (155) oder Kolumbien (146) und nicht viel weniger als jene in Argentinien (330), wo der reichste Klub River Plate auf 60 Millionen Dollar kam.

Das Brasileirão ist in dieser Finanzstatistik weltweit gesehen die Nummer 7, hinter den fünf grossen europäischen Meisterschaften und der nordamerikanischen MLS. Dabei sind viele brasilianische Klubs verschuldet – aber sie weisen eine gesunde Diversifizierung auf. Die Abhängigkeit von TV-Rechten und Preisgeldern ist kontrollierbar (36 Prozent der Gesamteinnahmen), die in Südamerika so wichtigen Transfergelder sind nicht allzu dominant (22 Prozent).

In Brasilien spielen fast alle namhaften südamerikanischen Profis, die (noch) nicht den Kontinent verlassen haben oder aufs Karriereende hin wieder zurückgekehrt sind – und zunehmend Talente im besten Alter. Den Angriff des Finalisten Atlético Mineiro bilden die Globetrotter Hulk und Deyverson und der 24-jährige Paulinho, der zuvor in Leverkusen spielte und den Deutschen einst eine Ablösesumme von knapp 20 Millionen Euro wert war.

Botafogo kann im Mittelstürmer Igor Jesus, 23 Jahre alt, und im Rechtsaussen Luiz Henrique, 23, den es für 16 Millionen Euro von Betis Sevilla gekauft hat, sogar auf zwei derzeitige brasilianische Nationalstürmer zählen – und im Offensivspielmacher Thiago Almada, 23, auf einen Weltmeister. Der Argentinier kam für die brasilianische Rekordablösesumme von 20 Millionen Euro vom MLS-Klub Atlanta United. Seine Anhänger attestieren ihm ein ähnliches Spielverständnis wie Lionel Messi.

THIAGO ALMADA ES #BOTAFOGO 🥰 | #LIBERTADORES

Botafogos Luxus-Shopping ging die Klubübernahme durch den Investor John Textor im März 2022 voraus. Der Amerikaner machte sich eine Gesetzesänderung zunutze, die den Vereinen die Umwandlung in Sportaktiengesellschaften ermöglichte. Doch Textors Gebaren ist umstritten in Brasilien. In der letzten Saison erhob er Manipulationsvorwürfe, als Botafogo in der Liga auf Palmeiras einen Vorsprung von dreizehn Punkten einbüsste.

Vor allem wird bei Textor kritisch beäugt, wie er den Traditionsklub als Rangierbahnhof in seinem globalen Netzwerk nutzt. Thiago Almada etwa soll im kommenden Januar zum Textor-Klub Olympique Lyonnais weitergereicht werden – wie es heisst, gegen seinen Willen. Wenn ihn der Eigentümer nicht lieber gleich verkauft, damit er mit Lyon den drohenden Zwangsabstieg abwenden kann. Davor soll es aber noch mit dem Meistertitel klappen; zwei Runden vor Schluss liegt Botafogo drei Punkte vor Palmeiras. Diesmal will man den Vorsprung ins Ziel bringen.

Chaotische Zustände in Argentinien – die Liga wächst auf 30 Mannschaften an

Investoren wie Textor könnten Brasiliens Vorherrschaft in Südamerika weiter verstärken. Ursächlich dafür sind sie nicht. Am Anfang stehen neben dem Vorteil der schieren Marktgrösse – fast die Hälfte der rund 440 Millionen Südamerikaner lebt in Brasilien – der Wirtschaftsboom der nuller Jahre und die Investitionen in Stadien und Trainingsanlagen vor der Heim-WM 2014. Auf dem Höhepunkt um 2012 waren die Umsatzzahlen des Brasileirão sogar noch höher als heute.

Argentiniens Klubfussball hingegen hat, begleitet von der Inflation, weiter an Boden verloren. In der Liga herrschen chaotische Zustände; diese umfasste 28 Vereine und wird nun nicht etwa reduziert, sondern auf 30 Klubs erweitert. Gabriel Milito, der Trainer von Atlético Mineiro aus Brasilien, sagt, unterdessen könne man die Vereine der beiden Länder auch punkto Wettkampfhärte nicht mehr vergleichen. «In Brasilien gibt es bis zu zwölf sehr gute Mannschaften, das macht die Liga so stark.» Milito ist notabene Argentinier. Wenn ein solcher das Niveau im Land des Erzrivalen lobt, muss etwas dran sein.

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