Montag, September 30

Wie ein Waffennarr einen bizarren Behördenstreit auslöst.

Am 23. Mai 2021 geht bei der Zürcher Kantonspolizei ein bemerkenswertes Gesuch ein: Ein Mann beantragt eine Ausnahmebewilligung für verbotene Waffen. Knapp vier Monate später folgt der Entscheid der Polizei: Sie lehnt das Gesuch ab.

Der Mann hatte bereits Waffen registriert. Und das zuständige Statthalteramt Winterthur dürfte ein ungutes Gefühl beschlichen haben. Es beschliesst aufgrund des Gesuchs, die schon registrierten Waffen, einen Revolver und eine Flinte, zu prüfen.

Am 24. Februar 2022 ist es so weit. Die Kantonspolizei führt bei dem Mann eine Hausdurchsuchung durch – und stösst auf ein ganzes Waffenarsenal. Der Mann hortete Revolver, Pistolen, Armbrüste mitsamt Pfeilen, Macheten, Beile, Dolche, Äxte und zwei Kisten Munition. Insgesamt stellt die Polizisten rund drei Dutzend verschiedene Waffen sicher.

Darüber hinaus scheint der Mann ein Faible für Devotionalien aus der Nazizeit zu haben. Die Polizei entdeckt in seiner Sammlung unter anderem ein Banner mit dem salutierenden Hitler, eine NS-Fahne mit Hakenkreuz, eine Fahne der Waffen-SS sowie das Buch «Mein Kampf».

Was dann folgt, ist ein Rechtsstreit. Denn der Mann will seine Waffen zurück. Mit seiner Forderung geht er bis vor das Verwaltungsgericht.

Unter Drogeneinfluss Auto gefahren

Das nun vorliegende Urteil ist auch deshalb interessant, weil die Staatsanwaltschaft und das Statthalteramt offenbar uneins waren, wie mit den sichergestellten Waffen umzugehen sei. Die Staatsanwaltschaft hatte nach der Hausdurchsuchung ein Strafverfahren wegen Vergehens gegen das Waffengesetz eröffnet, es aber später wieder eingestellt.

Für das Statthalteramt Winterthur, das die Hausdurchsuchung angeordnet hatte, ist klar: Der Mann, der im Gastgewerbe tätig ist, sollte keine Waffen besitzen. Ihm war vorübergehend der Führerschein entzogen worden, weil er Betäubungsmittel und Psychopharmaka konsumierte. Er fuhr unter Drogen Auto und fiel strafrechtlich auf wegen Übertretungen gegen Ruhe und Ordnung. Vermerkt ist ausserdem die Nachtruhestörung durch lärmintensiven Discobetrieb.

Zudem war ihm das Recht auf Armeewaffen entzogen worden. Gemäss dem Urteil des Verwaltungsgerichts hatte er auf eigene Initiative hin gegenüber der Armee erklärt, dass er wegen seiner psychischen Probleme keine Schusswaffen besitzen könne und dienstuntauglich sei. Aufgrund seines Tinnitus soll er an psychischen Problemen sowie an Schlaflosigkeit gelitten und sich deshalb in eine Klinik begeben haben. Eine Zeitlang war er arbeitsunfähig.

Sein labiler psychischer Zustand, der Besitz von NS-Propaganda, der Drogenkonsum und seine Berufstätigkeit als Geschäftsführer im Gastgewerbe liessen auf eine Selbst- und Drittgefährdung schliessen, die mit einem Waffenbesitz nicht vereinbar sei, befindet das Statthalteramt.

Deshalb sollten die von der Polizei sichergestellten Waffen beschlagnahmt und definitiv eingezogen werden. Herausgegeben werden sollten hingegen die diversen Messer, Dolche, Streitäxte, Bögen und Armbrüste sowie der Baseballschläger.

Was das Statthalteramt nach eigenen Angaben nicht weiss: Schon Monate zuvor hat die Staatsanwaltschaft Unterland/Winterthur angeordnet, einige Waffen einzuziehen und zu vernichten, dem Mann aber einen beträchtlichen Teil seiner Waffensammlung wieder zurückzugeben. Einzig ein Revolver und eine Flinte, für die der Mann eine Bewilligung hat, sollen dem Statthalteramt «zur Prüfung einer Einziehung» übergeben werden.

Rüffel vom Verwaltungsgericht

Im Urteil des Verwaltungsgerichts ist ein Rüffel herauszulesen. Gemäss den Akten hat kein «koordiniertes Vorgehen» zwischen Statthalteramt und Staatsanwaltschaft stattgefunden. Ein solches wäre aber geboten gewesen, weil die Staatsanwaltschaft für die Beurteilung einer administrativen Beschlagnahmung und Einziehung von Waffen gar nicht zuständig sei. Diese Kompetenz liege beim Statthalteramt.

Die Staatsanwaltschaft selbst könne bei einer Einstellungsverfügung lediglich die Einziehung von Gegenständen anordnen, wenn diese zur Begehung einer Straftat dienten oder durch eine Straftat hervorgebracht worden seien.

Die Beschwerde des Waffensammlers weist das Verwaltungsgericht ab. Es bestätigt im Wesentlichen die Begründung des Statthalteramts. Der langanhaltende Mischkonsum von Betäubungsmitteln und von verschreibungspflichtigen Medikamenten sowie der psychisch labile Zustand des Beschwerdeführers sprächen für eine Selbst- und Drittgefährdung, ebenso das Fahren unter Betäubungsmitteleinfluss.

Hingegen hält das Gericht fest, dass sich vom Besitz der nationalsozialistischen Memorabilia nicht ohne weiteres auf eine Drittgefährdung schliessen lasse: «Dazu bedürfte es konkreterer Bekundungen einer nationalsozialistischen Gesinnung.»

Weil der Mann vor Gericht unterliegt, muss er die Gerichtskosten von 3370 Franken übernehmen.

Urteil VB.2023.00184 vom 18. Juli 2024, noch nicht rechtskräftig.

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