Sonntag, September 29

Mitten im Krieg streicht Israels nationale Fluggesellschaft Rekordgewinne ein – obwohl die Sicherheitskontrollen aufwendig und die Tickets teuer sind. Denn El Al hat einen grossen Wettbewerbsvorteil: Ihre Maschinen heben auf jeden Fall ab.

Nun ist es wieder so weit. Israel hat einen umfassenden Luftkrieg gegen den Hizbullah begonnen, auf den Norden Israels geht der Raketenhagel der Schiitenmiliz nieder. Die neue Phase des Kriegs, wie sie Israels Verteidigungsminister Yoav Gallant nennt, bringt die Reisepläne der meisten Israeli durcheinander – einmal mehr. Swiss, Lufthansa, Wizz Air und British Airways kündigten in den vergangenen Tagen an, Israel vorerst nicht mehr anzufliegen.

Schon seit Kriegsbeginn stornieren internationale Airlines ihre Flüge von und nach Tel Aviv, sobald die Feindseligkeiten mit den Islamisten aus Libanon oder Gaza einen neuen Höhepunkt erreichen. Auch jetzt sind in Israel beim Thema Ausreise nur noch vier magische Buchstaben in aller Munde: El Al.

Seit dem Beginn des Gaza-Kriegs am 7. Oktober ist Israels nationale Airline El Al zur einzig zuverlässigen Möglichkeit geworden, das Land zu verlassen und wieder einzureisen. Die Fluggesellschaft, deren Passagiere langwierige Sicherheitschecks über sich ergehen lassen müssen, streicht deswegen mitten im Krieg Rekordgewinne ein. Die Israeli haben eine Hassliebe zu der Airline entwickelt, dessen Geschichte eng mit jener des Staates Israel verbunden ist.

Schon immer mehr als eine normale Airline

Nur drei Monate nachdem Israels erster Ministerpräsident David Ben-Gurion den Staat Israel ausgerufen hatte, beschloss die Regierung, eine Airline zu gründen. Schon damals stand ein starkes nationales Interesse im Vordergrund: Während seines Unabhängigkeitskriegs stellten alle internationalen Fluggesellschaften den Betrieb in Israel ein. «El Al war schon zu Beginn eine Lebensader für den israelischen Staat – und bleibt es bis heute», sagt Marvin Goldmann, einer der weltweit grössten Sammler von El-Al-Devotionalien und der inoffizielle Historiker der Fluggesellschaft.

Der Name El Al stammt aus dem biblischen Buch des Propheten Hosea und bedeutet übersetzt «nach oben» oder «zum Himmel». Während der gesamten Geschichte Israels war die staatliche Fluggesellschaft weit mehr als ein Instrument für die Beförderung von Touristen. Schon 1949 und 1950 begann die «Operation Fliegender Teppich», als rund 49 000 jemenitische Juden aus Aden nach Israel ausgeflogen wurden. 1991 stellte El Al mit der Operation Solomon einen neuen Rekord auf: Bei der Rettung der äthiopischen Juden transportierte es mit 1087 Personen in einer Maschine die meisten Menschen in einem Flugzeug während einer Luftbrücke.

Schon früh stand Sicherheit an erster Stelle. 1968 entführten Terroristen der linksextremen Palästinenserorganisation PFLP eine El-Al-Maschine auf dem Weg von Israel nach Rom und zwangen den Piloten zur Landung in Algier. Es sollte die einzige gelungene Entführung in der Geschichte der Fluggesellschaft bleiben.

Auch in den Folgejahren kam es zu palästinensischen Terrorangriffen – ein besonders spektakulärer ereignete sich 1969 am Flughafen Zürich, als Terroristen der PLO und der linksextremen PFLP auf dem Rollfeld das Feuer auf eine El-Al-Maschine eröffneten. Seit diesen Tagen gelten auf El-Al-Flügen weltweit einzigartige Sicherheitsstandards, die bis heute Bestand haben.

Immer fliegen bewaffnete Sicherheitsbeamte mit

Jährlich fallen für die Sicherheitschecks achtstellige Kosten an. An Bord jedes El-Al-Flugs befindet sich mindestens ein versteckt bewaffneter Sicherheitsbeamter der Airline. Ausserdem müssen Passagiere sich drei Stunden vor Abflug am Flughafen einfinden, um eine peinlich genaue Sicherheitsbefragung über sich ergehen zu lassen.

Das Gepäck wird zusätzlich zur normalen Überprüfung von der Fluggesellschaft auf Sprengstoff gecheckt. Sollte etwas übersehen werden, schützt eine verstärkte Bodenplatte zwischen Passagier- und Frachtraum die Personen an Bord. Seit Anfang der 2000er sind alle Maschinen zusätzlich mit einem Raketenabwehrsystem ausgestattet. Die meisten Piloten dienten zuvor in der israelischen Luftwaffe und haben daher eine Kampfausbildung durchlaufen.

Seit dem 7. Oktober wurden die Sicherheitsvorkehrungen nochmals verschärft. So wurden manche Routen abgeändert, um weiter entfernt von Jemen abzufliegen und nicht in die Nähe von möglichen Raketen der Huthi-Miliz zu geraten, teilt eine El-Al-Sprecherin mit. Teilweise änderten die Piloten auch den Landeanflug auf Tel Aviv und flögen etwas weiter südlich oder nördlich, um entweder Hamas- oder Hizbullah-Raketen auszuweichen.

El Al streitet ab, vom Krieg zu profitieren

Für El Al haben mit dem Krieg goldene Zeiten begonnen. Mitte August berichtete das Unternehmen, dass seine Profite im zweiten Quartal 2024 um 150 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum gestiegen sind: 147 Millionen Dollar Plus machte die Fluggesellschaft in dem Zeitraum.

«Zunächst hatte man bei El Al sicher das Gegenteil erwartet», sagt Marvin Goldman. Vergangene Kriege hätten sich negativ auf das Geschäft ausgewirkt, weil viele Kunden storniert hätten. «Doch dieser Krieg ist anders», sagt der El-Al-Historiker. «Weil er bereits über 11 Monate andauert und viele andere Fluggesellschaften ihren Betrieb immer wieder einstellten, konnte El Al profitieren.»

El Al hat seine Flotte erweitert, die Auslastung stieg an, doch vor allem schossen die Ticketpreise in die Höhe: 17 Prozent mehr pro Kilometer verlangte die Airline im Vergleich zum zweiten Quartal 2023. Auf manchen Strecken konnte sie quasi eine Monopolstellung erreichen. Der Marktanteil von El Al auf den Routen zwischen Nordamerika und Israel stieg von 35,5 Prozent im zweiten Quartal 2023 auf 88,2 Prozent im Jahr darauf. Um den meisten Israeli weiterhin die Ausreise zu ermöglichen, einigten sich die Regierung und El Al Ende August darauf, auf vier Routen die Ticketpreise bis Ende 2024 konstant zu halten.

Die Fluggesellschaft streitet allerdings ab, vom Krieg zu profitieren. «Wir haben Preise gesetzt, die weit unter dem Maximum liegen, das wir verlangen könnten», sagt eine Sprecherin. Der Preisanstieg liege vor allem an der hohen Auslastung und den Passagieren, die im letzten Moment ein Ticket buchten. «So wie bei jeder Airline sind die letzten verbleibenden Plätze die teuersten.» In der Vergangenheit hätte El Al diese letzten Plätze oftmals nicht verkauft, doch jetzt seien die Maschinen auf manchen Routen nahezu komplett ausgelastet. «Die Last-minute-Buchungen treiben den Durchschnittspreis nach oben.»

Der Krieg rettete El Al vor dem Bankrott

So oder so: Für El Al kam der Geldregen genau zur richtigen Zeit. Die seit Anfang 2005 grösstenteils privatisierte Airline stand 2020 kurz vor dem Konkurs. Während der Corona-Pandemie entliess El Al 1300 Beschäftigte und legte ein hartes Sparprogramm auf.

Ende 2022 ächzte das Unternehmen unter einer Schuldenlast in Höhe von 1,7 Milliarden Dollar. Anderthalb Jahre später steht es nur noch mit 611 Millionen Dollar in der Kreide. Sollte sich diese Tendenz fortsetzen, könnte El Al bis Ende des Jahres komplett schuldenfrei sein. Der positive Trend zeigt sich auch im Aktienkurs des Unternehmens: Im vergangenen Jahr konnte El Al an der Börse um rund 70 Prozent zulegen.

Viele Israeli haben seit Kriegsbeginn eine Hassliebe zu «ihrer» Fluggesellschaft entwickelt. Immer wieder hört man Beschwerden über den sich verschlechternden Service und enge Sitzreihen, während die Ticketpreise weiter steigen. Gleichzeitig sind viele dankbar, dass es immerhin eine Airline gibt, auf die sie sich verlassen können – und buchen deswegen fleissig weiter. Daniel, ein junger Israeli aus dem Norden des Landes, erzählte kürzlich von seinem El-Al-Flug nach New York Anfang Oktober. Kostenpunkt: 1000 Dollar retour. «Ich erinnere mich noch an Zeiten, als ich nur 300 bezahlt habe», sagt er. «Aber was bleibt mir anderes übrig?»

Exit mobile version