Close Menu
Meilleur en Suisse
  • Finanzen
  • Panorama
  • Reisen
  • Scheinwerfer
  • Schweiz
  • Sport
  • Technologie
  • Welt
  • Wirtschaft
  • Wissenschaft
  • Zürich
Im Trend

Zürcher Stimmberechtigte sprechen sich klar für städtische Beteiligung am Flughafen aus

Mai 18, 2025

Die Zeche einer traurigen Saison: Die GC-Männer sind im Abstiegskampf ohne Plan und Widerstandskraft

Mai 18, 2025

Die Urner haben sich entschieden: Schuss frei auf den Schneehasen

Mai 18, 2025
Facebook X (Twitter) Instagram
Trendthemen:
  • Feuilleton
  • Gesellschaft
  • Mobilität
  • Panorama
  • Pressemitteilung
  • Scheinwerfer
  • Gaza-Krieg
Login
Facebook X (Twitter) Instagram
Sonntag, Mai 18
Meilleur en Suisse
Abonnieren Verbinden
  • Finanzen
  • Panorama
  • Reisen
  • Scheinwerfer
  • Schweiz
  • Sport
  • Technologie
  • Welt
  • Wirtschaft
  • Wissenschaft
  • Zürich
Meilleur en Suisse
Startseite » «Die antisemitische Minderheit kann sich an den Unis austoben – die meisten Studenten und Professoren zeigen nicht einmal mehr einen Hauch von Gegenwehr»
Feuilleton

«Die antisemitische Minderheit kann sich an den Unis austoben – die meisten Studenten und Professoren zeigen nicht einmal mehr einen Hauch von Gegenwehr»

MitarbeiterVon MitarbeiterAugust 1, 2024
Aktie Facebook Twitter Pinterest LinkedIn Telegram Email WhatsApp Copy Link

Drei jüdische Studenten aus Deutschland berichten von ihrem Kampf gegen die Feindseligkeit an ihren Universitäten. Zwei von ihnen denken übers Auswandern nach.

Seit dem Terrorangriff der Hamas auf Israel und dem Krieg in Gaza werden Juden überall in der westlichen Welt beleidigt, bedroht und angegriffen. Vor allem an den Universitäten herrscht eine aufgeheizte Stimmung. Die NZZ hat mit zwei jüdischen Studentinnen und einem Studenten gesprochen. Rebecca Vaneeva, 23, studiert Sozialökonomie in Hamburg. Nicole Pastuhoff, 24, studiert Politikwissenschaft in Duisburg. Noam Petri, 20, studiert Medizin in Berlin.

Sie sind alle führende Mitglieder der Jüdischen Studierendenunion Deutschland. Wie ist die Lage an den Hochschulen?

Noam Petri: Dass der Antisemitismus in der gesamten westlichen Welt zunimmt, wussten wir schon vor dem 7. Oktober 2023. Das Ausmass, das folgte, fand ich trotzdem erschreckend. Wir kannten die Gruppen, die in Deutschland aktiv sind. Aber wie vernetzt die sind, wie genau die ihre Aktionen planen, bei der Besetzung von Hörsälen und auf den vielen Demos, das hat mich erschreckt.

Nicole Pastuhoff: In den ersten Kriegstagen haben viele Hochschulen noch erklärt: Wir äussern keine Solidarität, das hat nichts mit Wissenschaft zu tun. Wenig später hiess es dann: Die Proteste gehören zum wissenschaftlichen Diskurs. Diesen Wandel fand ich spannend. Mein Eindruck ist, dass sich die Zuständigen an vielen Hochschulen wegducken. Die sagen, sie seien gegen Antisemitismus. Und dann sagen sie, sie seien nicht zuständig, wenn eine antisemitische Demo auf oder vor ihrem Campus stattfindet. Das sei autonomer studentischer Aktivismus, da könne man nichts machen.

Wann hatten Sie an der Universität zum ersten Mal ein mulmiges Gefühl?

Pastuhoff: Das war schon in der ersten Woche meines Studiums, im Herbst 2022. Ich habe damals das Jüdische Jugendzentrum der Gemeinde Düsseldorf geleitet und anderen Erstsemestern davon erzählt. Wir waren in einer Kneipe. Alle, die mit mir am Tisch sassen, haben mich sofort intensiv befragt. Wie ich zu Israel stehe, wollten sie wissen. Mehrere Kommilitonen haben gesagt, dass sie noch nie einen Juden gesehen hätten. Okay, habe ich gedacht: Vielleicht kann ich helfen, Vorurteile abzubauen. Aber dann hat keiner von denen je wieder mit mir geredet.

Und nach dem 7. Oktober?

Pastuhoff: Meine Uni hat auf Instagram einen Solidaritätspost für Israel hochgeladen, kurz nach dem Angriff der Hamas. Das hat mich gefreut. Dann habe ich die Kommentare darunter gesehen, und ich fand es krass, wie viele Leute sich terrorverherrlichend geäussert haben. In der Whatsapp-Gruppe meines Studiengangs wurde unsere Hochschule wegen des Posts als «Drecksjudenuni» bezeichnet.

Das hat jemand unter seinem echten Namen geschrieben?

Pastuhoff: Ja. Aber der Kommentar wurde schnell wieder gelöscht.

Frau Vaneeva, welche Erfahrungen haben Sie in Hamburg gemacht?

Rebecca Vaneeva: Mein Studiengang und unser ehemaliger Fachschaftsrat, der auf dem Campus noch aktiv ist, haben eine sehr linke und sehr antikoloniale Ausrichtung. Das bekommt man seit dem 7. Oktober stark zu spüren. Bei uns werden ständig Flyer ausgelegt mit Forderungen wie der Ablehnung der IHRA-Definition von Antisemitismus (laut der International Holocaust Remembrance Alliance ist Antisemitismus «eine bestimmte Wahrnehmung von Juden, die sich als Hass gegenüber Juden ausdrücken kann». Gegner der Definition kritisieren unter anderem, dass die IHRA auch die Unterstellung, Israel sei ein «rassistisches Unterfangen», als Beispiel für Antisemitismus nennt, Anm. d. Red.). In Gebäuden der Uni finden Veranstaltungen mit antisemitischen Gruppierungen wie Thawra und Students for Palestine statt.

Wie kommen Gruppen auf den Campus, die nichts mit der Universität zu tun haben?

Vaneeva: Durch Partner an der Uni. Das linksradikale studentische Bündnis für Aufklärung und Emanzipation kooperiert in Hamburg mit Thawra und bietet gemeinsame Veranstaltungen an. Das führt mich zu dem Punkt von Nicole: Der autonome Studierendenaktivismus sorgt dafür, dass an den Unis alle diese Veranstaltungen möglich sind, die klar antisemitisch sind. Auf meinem Campus in Hamburg ist das seit dem 7. Oktober permanent der Fall.

Was ist an den Veranstaltungen klar antisemitisch?

Vaneeva: Die Ablehnung der IHRA-Definition habe ich erwähnt. Diese Forderung ist antisemitisch, weil sie uns Jüdinnen und Juden das Recht auf eine Definition von Antisemitismus abspricht, die wir selbst verwenden. Ringvorlesungen an meiner Uni werden als zionistische Propaganda verunglimpft. Graffiti auf dem Uni-Gelände setzen Zionismus und Faschismus gleich und bezeichnen Israel als Kindermörder- und Apartheidstaat.

Was passiert mit den Graffiti?

Vaneeva: Die verschwinden zum Glück immer recht schnell wieder. Das liegt auch daran, dass ich und andere permanent Druck machen.

Petri: In Berlin gab es die erste von zahlreichen Hörsaalbesetzungen in Deutschland, bei denen jüdische Studenten daran gehindert wurden, in die Räume reinzukommen. Sie wurden geschubst, und per Megafon wurde gebrüllt: «Zionisten raus, das ist unsere Universität!» Lahav Shapira, der später in Berlin von einem Kommilitonen fast totgeprügelt wurde, haben sie gefilmt und die Videos und Bilder ins Netz gestellt. Von einem anderen Studenten wurde die Handynummer auf eine Toilette geschrieben. Der kriegt seither Drohanrufe und Nachrichten, in denen steht, er werde bald eine Zahnspange brauchen. Solche Vorfälle gibt es seit dem 7. Oktober überall in Deutschland. In Leipzig wurde ein Student, der gegen die Besetzung seiner Uni demonstriert hat, getreten. In Hamburg wurde eine Zuhörerin einer Ringvorlesung über Antisemitismus ins Gesicht geschlagen. An der Uni Bonn wurde ein Student bei einer Veranstaltung gewürgt.

Pastuhoff: Ich selbst habe zum Glück noch keine Gewalt erlebt. Was es bei uns in Nordrhein-Westfalen aber sehr oft gibt, sind die Blockaden: Studierenden, egal ob jüdisch oder nicht, wird der Zugang zu Räumen verwehrt, wenn sie vermeintlich zionistisch sind.

Gibt es Fachbereiche mit besonders vielen Antisemiten?

Petri: In den Geistes- und Sozialwissenschaften ist es übel. Aber Studiengänge, in denen Naturwissenschaften gelehrt werden, sind auch betroffen. Was mir in der öffentlichen Diskussion zu kurz kommt, sind die vielen Hamas-Sympathisanten. In deutschen Medien wird immer wieder behauptet, die Demonstranten protestierten vor allem gegen die israelische Regierung oder für einen Waffenstillstand. Das ist in sehr vielen Fällen falsch. Es gibt zum Beispiel die Gruppe Young Struggle (die laut dem deutschen Inlandgeheimdienst der türkischen Marksist Leninist Komünist Parti nahesteht, Anm. d. Red.). Die haben das Massaker des 7. Oktober als «Befreiungskampf» bezeichnet. Oder die sogenannte Frauenrechtsorganisation Zora, die in Deutschland die Propaganda der PFLP verbreitet (die sogenannte Volksfront zur Befreiung Palästinas verübt seit einem halben Jahrhundert Terroranschläge, Anm. d. Red). Als das Institut für Sozialwissenschaften der Humboldt-Universität in Berlin besetzt und zerstört wurde, prangte an den Wänden danach das rote Hamas-Dreieck sowie ein Herz für die Kassam-Brigaden der Hamas. Die Studenten kooperierten mit dem Verein Palestine Speaks, der den 7. Oktober am Tag des Massakers als «revolutionären Tag» feierte.

In der Diskussion über die Proteste an den Hochschulen steht bis jetzt die postkoloniale Denkschule im Fokus. Das scheint aber nur die halbe Wahrheit zu sein. Wie gross ist der Einfluss politischer Organisationen aus dem Ausland?

Pastuhoff: Der ist gross. Bei uns in Nordrhein-Westfalen ist Zora sehr aktiv. An meiner Uni haben die bei der kritischen Orientierungswoche im vergangenen Herbst einen eigenen Raum auf dem Campus bekommen.

Was ist eine kritische Orientierungswoche?

Pastuhoff: Es gibt die offizielle Orientierungswoche, und es gibt an den meisten Unis heute parallel dazu eine kritische Orientierungswoche. Da sollen junge Menschen ein bisschen ins kritische Denken kommen und sich nicht nur damit auseinandersetzen, was die Uni ihnen vorgibt. Bei uns haben die Leute von Zora die ganze Woche über Flyer verteilt, auf denen stand, dass der Angriff des 7. Oktober ein Freiheitskampf für palästinensische Frauen gewesen sei und dass man in ihrem Workshop mehr erfahren könne. Ernsthaft? Vergewaltigungen als Freiheitskampf für Frauen?

Wie kann es sein, dass die Universitäten so etwas zulassen?

Pastuhoff: Gruppen wie Zora sind sehr gut organisiert. Bei Protesten treten sie auf dem Campus immer nur als Mitveranstalter auf und sind nie als Anmelder erkennbar. Das übernehmen Sympathisanten an der Hochschule. Die Gruppen haben Handreichungen, wie man mit der Polizei umzugehen hat und welche Aussagen gerade noch rechtlich geduldet werden. Noam hat eben das Hamas-Dreieck erwähnt. Das ist bisher nur in Berlin verboten. In allen anderen deutschen Bundesländern ist es erlaubt. Und entsprechend oft sieht man es.

Petri: Im Studentenparlament der Hochschule Darmstadt gab es kürzlich einen Antrag, jegliche Kooperation mit Gruppen zu beenden, die mit der Hamas sympathisieren und den Terror verteidigen. Er wurde mit 99 Prozent abgelehnt. Es gab nur eine Stimme dafür, die des Antragstellers.

Die Antisemiten an den Universitäten gelten als Minderheit. Das klingt jetzt anders.

Petri: Ich würde nicht sagen, dass die Mehrheit diesem radikalen Postkolonialismus-Denken anhängt. Es ist eine Minderheit, die, je nach Ort, mal kleiner und mal grösser ist. Aber die antisemitische Minderheit kann sich an den Unis austoben. Die meisten Studenten und Professoren zeigen nicht einmal mehr einen Hauch von Gegenwehr.

Vaneeva: Das stimmt. Der Gegenwind ist gleich null.

Petri: Und das ist das eigentliche Problem. Es geht ja nicht nur um die Universitäten oder um uns Juden. Der Westen hat verlernt, seine Werte zu verteidigen. Er lässt sich kampflos aushöhlen. Denken Sie an Claudine Gay, die frühere Präsidentin von Harvard. Auf die Frage, ob der Aufruf zum Völkermord an Juden gegen die Anti-Mobbing-Richtlinien ihrer Uni verstosse, sagte sie, das hänge vom Kontext ab. Wahnsinn.

Aber warum schauen deutsche Studenten und auch Professoren diesem Treiben zu? In der Bundesrepublik wird der Holocaust in der Schule intensiver behandelt als anderswo. Es gibt KZ-Gedenkstätten, Antisemitismusbeauftragte, es gibt den Zentralrat. Man sollte meinen, dass angehende deutsche Akademiker und ihre Lehrer antisemitische Stereotype wie das des «Kindermörders Israel» erkennen und dagegen aufbegehren.

Petri: Philipp Peyman Engel, der Chefredaktor der «Jüdischen Allgemeinen», beschreibt das in seinem Buch «Deutsche Lebenslügen» treffend. Die Deutschen erzählen sich seit Jahrzehnten die Lüge, dass Antisemitismus immer nur von rechts komme. Wenn irgendwo gegen die AfD protestiert wird, erscheinen Zehntausende. Aber wenn Lahav Shapira in Berlin von einem muslimischen Kommilitonen fast totgeschlagen wird, kommen zur Demo 200 Leute: viele Journalisten und jüdische Studenten, ein paar Kommilitonen. Wäre der Täter ein Rechter gewesen, hätte halb Berlin protestiert.

Vaneeva: Viele haben Angst, selbst in die Schussbahn zu geraten. Die wollen sich nicht mit der lauten Minderheit und deren linken bis linksliberalen Fürsprechern herumschlagen. Die haben keine Lust, als Rassist oder rechtsextrem beschimpft zu werden.

Pastuhoff: Nach dem Angriff auf Lahav Shapira hiess es immer wieder, man müsse den «Kontext» beachten. Der Angriff habe eine Vorgeschichte gehabt. Lahav sei an der Uni zuvor selbst aggressiv aufgetreten. Bei keinem anderen kulturellen Hintergrund des Opfers würde man fordern, den Kontext eines solchen brutalen Angriffs zu berücksichtigen. Bei Juden schon.

Lassen Sie uns noch über das «Statement von Lehrenden an Berliner Unis» sprechen. Die Unterzeichner – es sind inzwischen mehr als tausend aus ganz Deutschland – kritisierten darin im Frühjahr die Räumung eines Protestcamps an der Freien Universität Berlin durch die Polizei. Das Recht auf friedlichen Protest schliesse auch die Besetzung von Uni-Gelände ein. Was sagen Sie dazu?

Petri: Dazu gibt es einiges zu sagen. Ich wage es zu bezweifeln, dass es ein solches Statement geben würde, wenn die demonstrierenden Gruppen dem rechtsextremen Spektrum zugeordnet würden. Ausserdem verteidigen die Unterzeichner etwas, was es nicht gab: einen friedlichen Protest. Hinter dem Camp an der Freien Universität steckten auch die Gruppen, die zuvor einen Feueralarm ausgelöst hatten. Die haben jüdischen Studenten, die sie von Gegendemos oder durch Social Media kannten, den Zutritt zu einem Hörsaal verwehrt. Die haben zur Vernichtung Israels aufgerufen und mit linksextremen Organisationen zusammengearbeitet, die vom Verfassungsschutz beobachtet werden. Und warum fordern die Unterzeichner, dass es auf dem Campus keine Polizeieinsätze geben dürfe und straffällige Studenten keine Strafanzeigen bekommen sollen? Sollen Universitäten rechtsfreie Räume sein? Ich wundere mich auch, dass keiner der Unterzeichner nach der Besetzung und Zerstörung des Instituts an der Humboldt-Universität seine Unterstützung für diese Art des Protests öffentlich bedauert und seine Unterschrift zurückgezogen hat. Denn dort ist ja genau das eingetreten, was im Statement verteidigt wird: Ein Institut wurde besetzt, und die Polizei wurde nicht hineingelassen. Am Ende betrug der Schaden 150 000 Euro.

Wie haben die Demonstranten zur Vernichtung Israels aufgerufen?

Petri: Unter anderem mit der Parole «From the river to the sea».

Der Fluss ist der Jordan, das Meer das Mittelmeer. Problematisch wird die Parole aus Sicht der Kritiker durch den zweiten Teil: «Palästina wird frei sein.» Ein palästinensischer Staat vom Jordan bis zum Mittelmeer würde Israel auslöschen.

Petri: Genau.

Ralf Michaels, Direktor des Max-Planck-Instituts für ausländisches und internationales Privatrecht in Hamburg, sieht das anders. Viele Demonstranten meinten mit der Parole nur, dass es im ganzen Land Demokratie und Gleichberechtigung geben solle.

Petri: Das Argument ist billig. Ich kenne es von Patrick Bahners, dem Feuilletonredakteur der «Frankfurter Allgemeinen Zeitung», der auch schon behauptet hat, israelbezogener Antisemitismus sei nur erfunden worden, um Kritik am Zionismus zu skandalisieren. Ja, was meinen denn wohl Leute, die sagen, die Juden seien Kolonisatoren und Fremde zwischen dem Fluss und dem Meer? Sie meinen, dass die Juden dort nicht hingehörten und kein Recht auf das Land hätten. Das sagen sie auch offen.

Von der Meinungsfreiheit sind auch radikale Meinungen geschützt. Warum soll das in diesem Fall anders sein?

Petri: Der Konkurrenzkampf der Meinungen basiert auf der Annahme, dass überhaupt ein Diskurs stattfindet. Das ist bei diesen Protesten nicht der Fall. Schauen Sie sich die Camps an den Unis an. Die Teilnehmer reden nur mit Gleichgesinnten, alle anderen werden ignoriert oder niedergebrüllt. Als eine Richterin des Obersten Gerichtshofs von Israel im Frühjahr an einem Podiumsgespräch der Humboldt-Universität teilnehmen wollte, haben die Demonstranten so lange geschrien, bis die Frau flüchtete. Julia von Blumenthal, die Präsidentin der Uni, wurde bei einem anderen Anlass ebenfalls niedergebrüllt. Und Günter Ziegler, der Präsident der Freien Universität Berlin, wurde mit Wasser überschüttet. Diese Leute wollen keinen Diskurs. Es handelt sich, wie Amos Oz einmal gesagt hat, um wandelnde Ausrufezeichen.

Pastuhoff: Ich bin ein grosser Freund der Meinungs- und der Protestfreiheit. Davon lebt unsere Demokratie. Ich könnte gut mit propalästinensischen Protestcamps leben – wenn die Leute friedlich wären, nicht zu Gewalt aufrufen, keinen Terror verherrlichen, niemandem die Existenz absprechen und andere nicht vom Betreten von Hochschulräumen und damit von ihrem Studium abhalten würden.

Sie alle exponieren sich. Was tun Sie, um sich zu schützen?

Petri: Wenn irgendwo an einer Uni eine Besetzung stattfindet, meide ich diesen Ort. Ich habe gesehen, was mit Lahav Shapira passiert ist. Das würde ich gerne vermeiden. Und wenn ich ein Uber bestelle, dann nur unter falschem Namen.

Pastuhoff: Ich gehe schon auf Gegendemos, aber nur an anderen Universitäten. An meiner Uni ist mir das auch zu riskant.

Vaneeva: Ich habe keine einzige der Ringvorlesungen besucht, die meine Universität anbietet, was ich sehr schade fand. Die Störungen kamen immer von den Gruppen, die auch das Protestcamp organisiert haben. Dort kennt man mein Gesicht. Wenn ich in der Bahn oder im Bus sitze, spreche ich nie über meine Arbeit für den Studierendenverband. Und ich höre keine hebräische Musik auf dem Handy, weil ich nicht wissen kann, wer sich neben mich setzt und auf mein Display schaut.

Haben Sie das mit den Telefonaten und der Musik eines Tages bewusst entschieden?

Vaneeva: Nein, das waren ganz automatische Reaktionen, die ich irgendwann an mir beobachtet habe.

Kennen Sie jüdische Studenten, die noch offen eine Kette mit Davidstern tragen?

Petri: Ich kenne einen aus Potsdam. Der ist mal von zwei Leuten dumm angegangen worden. Die hat er weggeschubst. Aber er ist auch ziemlich gross und breit.

Und sonst?

Petri: Ich kenne auch einen orthodoxen Medizinstudenten, der eigentlich Kippa trägt. Aber an der Uni verzichtet er inzwischen darauf. Seine körperliche Unversehrtheit gehe vor, sagt er.

Pastuhoff: Ich habe dafür kürzlich an einer Kasse eine Verkäuferin gesehen mit einer ganz auffälligen Kette mit Davidstern. Ich habe sie sofort angesprochen: «Oh mein Gott, es macht mich so glücklich und so stolz, dass du deine Kette so offen trägst.» Und sie: «Ich habe hier überall Kameras, ich bin sicher.»

Wie reagieren Ihre Familien und Freunde auf Ihr Engagement?

Vaneeva: Ich wurde mal von den Protestcamp-Leuten auf Instagram markiert. Danach haben sich viele meiner Verwandten Sorgen gemacht. Das war für mich verständlich. Ich hatte selbst Angst. Zugleich erhalte ich aber auch viel Zuspruch. Wir Juden brauchen starke Sprecherinnen und Sprecher. Und ich sehe es als meine Aufgabe, einer dieser Menschen zu sein.

Pastuhoff: Meine Familie war am Anfang überfürsorglich. «Nicole, warum machst du das?», haben sie gefragt. Es gab auch eine Phase, in der mich meine Familie gebeten hat, nicht mehr mit vollem Namen und Bild in der Öffentlichkeit aufzutreten. Nein, habe ich gesagt. Ich stehe für das, was ich tue. Inzwischen ist meine Familie dankbar. Ich rede häufig mit meiner Oma. Für sie ist es schön, zu sehen, dass wir Jungen viel handlungsfähiger sind, als ihre Generation es war. Oft erfährt sie es gar nicht zuerst von mir, wenn irgendwo ein Interview erscheint, sondern von ihren Freundinnen.

Petri: Es ist ambivalent. Viele freuen sich, dass die junge jüdische Generation mutig ist und seit dem 7. Oktober Präsenz zeigt. Aber natürlich gibt es auch Warnungen, hier oder dort nicht zu sprechen oder sich zu dieser und jener Thematik lieber nicht zu äussern. Meine Eltern und Grosseltern machen sich Sorgen.

Hat von Ihnen schon einmal jemand erwogen, Alija zu machen und nach Israel auszuwandern?

Petri: Für mich kam der Gedanke lange nicht infrage. Deutschland ist meine Heimat. Ich bin hier aufgewachsen. In Frankfurt ist meine Gemeinde. Aber der 7. Oktober war auch in dieser Hinsicht ein Wendepunkt. Seitdem spiele ich mit dem Gedanken, meine Facharztausbildung nach dem Medizinstudium in Israel zu machen. Ich kenne viele junge Juden, die darüber nachdenken, Deutschland zu verlassen, weil sie sehen, wohin sich das Land entwickelt.

Frau Pastuhoff, Sie nicken.

Pastuhoff: Eigentlich war ich auch immer fest davon überzeugt, dass Deutschland mein Zuhause ist. Und seit dem 7. Oktober denke ich immer wieder: Das kann doch alles nicht wahr sein! Es gibt Tage, an denen ich am liebsten sofort wegziehen würde. Aber es gibt auch die guten Tage. Da denke ich: Nein, ich lasse mir mein Zuhause nicht wegnehmen.

Vaneeva: Ich will, dass jüdisches Leben hier eine Zukunft hat. Deshalb werde ich bleiben.

Weiter Lesen

Die Kirche wächst und wächst. Inzwischen gibt es 1,4 Milliarden Katholiken. Aber wo?

Nach Udo Jürgens und Conchita Wurst: JJ gewinnt den ESC für Österreich. Wer ist der junge Countertenor?

Die Dragqueens verweigern die Zeugenaussage: «Sollen wir einer Gesellschaft helfen, die uns mobbt und auslacht?», fragen sie in dem «Polizeiruf», der zum Erziehungsmärchen wird

Die Menschen verbrannten bei lebendigem Leib in ihren Häusern: In Weissrussland zerstörten die Nazis ganze Dörfer, um «deutschen Lebensraum» zu schaffen

«Ehrlich gesagt habe ich jedes Selbstvertrauen verloren», schrieb F. Scott Fitzgerald, als vor 100 Jahren «Der grosse Gatsby» erschien

Tonhalle Zürich: Augustin Hadelich geigt mit der Sicherheit eines Traumwandlers – ein Ereignis

Redakteurfavoriten

Die Zeche einer traurigen Saison: Die GC-Männer sind im Abstiegskampf ohne Plan und Widerstandskraft

Mai 18, 2025

Die Urner haben sich entschieden: Schuss frei auf den Schneehasen

Mai 18, 2025

Also doch: GC kann Spitzenfussball. Den Frauen entgeht der Meistertitel nur knapp

Mai 18, 2025

8 Schweizer Restaurants mit gutem Grill-Angebot

Mai 18, 2025

Die Kirche wächst und wächst. Inzwischen gibt es 1,4 Milliarden Katholiken. Aber wo?

Mai 18, 2025

Neueste Nachrichten

Nach Udo Jürgens und Conchita Wurst: JJ gewinnt den ESC für Österreich. Wer ist der junge Countertenor?

Mai 18, 2025

Die Dragqueens verweigern die Zeugenaussage: «Sollen wir einer Gesellschaft helfen, die uns mobbt und auslacht?», fragen sie in dem «Polizeiruf», der zum Erziehungsmärchen wird

Mai 18, 2025

Die Menschen verbrannten bei lebendigem Leib in ihren Häusern: In Weissrussland zerstörten die Nazis ganze Dörfer, um «deutschen Lebensraum» zu schaffen

Mai 18, 2025
Facebook X (Twitter) Pinterest TikTok Instagram
© 2025 Meilleur en Suisse. Alle Rechte vorbehalten.
  • Datenschutzrichtlinie
  • Nutzungsbedingungen
  • Kontakt

Type above and press Enter to search. Press Esc to cancel.

Sign In or Register

Welcome Back!

Login to your account below.

Lost password?