Die spanische Nationalmannschaft greift nach ihrem vierten EM-Titel. Sie gleicht im Halbfinal gegen Frankreich einen Rückstand aus und dreht die Partie innerhalb von vier Minuten.
Wer sich dabei langweile, ein Spiel seiner Mannschaft anzuschauen, der solle sich doch ein anderes ansehen – das hatte Frankreichs Nationaltrainer Didier Deschamps den Kritikern seiner Mannschaft mit auf den Weg gegeben. Bloss war dies gar nicht nötig im EM-Halbfinale seiner Mannschaft gegen Spanien. Denn auch ein Auftritt der Franzosen kann durchaus unterhaltsam sein – wenn sie denn dazu gezwungen werden. Und das taten die Spanier. Einen 0:1-Rückstand durch Randal Kolo Muani konterten sie durch Treffer von Lamine Yamal und Dani Olmo.
Die Spielverweigerer sind also ausgeschieden. Und sie können sich nicht einmal beklagen. Das Kalkül des Routiniers Deschamps ging an diesem Abend nicht auf. Spanien verstand sich nicht bloss auf gutes Kombinationsspiel, das Team war robust genug, um die erfahrenen Franzosen auch körperlich in Schach zu halten.
Der Attraktivitätsgrad der Partie zählte zu den höchsten dieser EM – das Verdienst dafür lag vor allem beim Team von Luis de la Fuente. Dessen Vertrauen in die eigene Equipe ist unerschütterlich, und das zeigte sich nach einem frühen Rückstand durch ein Kopfballtor von Randal Kolo Muani. Der oftmals so phlegmatische Angreifer von Paris Saint-Germain wuchtete den Ball aus nur fünf Metern Distanz über die Linie – Spaniens Innenverteidigung zeigte sich buchstäblich nicht auf der Höhe.
Spanien reagiert prompt
Die Reaktion? Sie kam prompt, und zwar immer wieder über die extrem variablen Flügelstürmer Lamine Yamal und Nico Williams. Ihrem Antritt und vor allem ihrem Tempo im Dribbling waren die Routiniers in der französischen Defensive nicht immer gewachsen – und wenn es bisher als eine Schwäche des technisch trotz seinen 16 Jahren schon nahezu perfekten Lamine Yamal galt, den Abschluss zu suchen, so zögerte er in der 21. Minute nicht und vollstreckte von der Strafraumgrenze zum 1:1.
Pedri’s reaction to Lamine Yamal’s goal 😂 pic.twitter.com/4IRn7qKNEO
— ESPN FC (@ESPNFC) July 9, 2024
Kicks aus der Distanz – sie zählen zu den Stärken der Spanier, die mit Rodri einen enorm gefährlichen Schützen haben. Der Profi von Manchester City harmonierte hervorragend mit Fabián Ruiz von Paris Saint-Germain, und gemeinsam gelang ihnen, was in einem solchen Match essenziell ist: Sie behaupteten das Zentrum, was gegen drei so zweikampfstarke Spieler wie Adrien Rabiot, N’Golo Kanté und Aurélien Tchouaméni eine beachtliche Leistung war.
Das in den bisherigen Begegnungen für unüberwindlich gehaltene Trio bekundete grosse Mühe mit den Spaniern, und Deschamps war angesichts der spanischen Dominanz gezwungen, zu reagieren. Er brachte anstelle von Kanté Eduardo Camavinga von Real Madrid ins Spiel. Das Kalkül war klar: Der laufstarke Camavinga sollte jene Lücken schliessen, die es den Veteranen nun an Energie mangelte.
Offensiv bis zum Ende
Deschamps ersetzte zudem Rabiot mit Antoine Griezmann – die Equipe versuchte nun mit dosiertem Risiko die Verlängerung zu erzwingen. Bloss gelang es den Spaniern lange, die Franzosen nicht vors Tor kommen zu lassen, mochte ihre Dominanz auch allmählich schwinden. Erst mit der Einwechslung des robusten Mittelstürmers Olivier Giroud in der 79. Minute hatten die Franzosen die Möglichkeit, mit hohen Bällen Spaniens Abwehr unter Druck zu setzen – es gelang kaum.
Beinahe wäre es der nach seinem Nasenbruch wieder mit freier Sicht spielende Kylian Mbappé gewesen, der den Ausgleich erzielt hätte. Für einmal hatte er Raum für einen seiner Sprints, doch sein Abschluss strich über die Querlatte. Wobei die Szene für sich genommen schon bemerkenswert war: Mbappé schloss einen Konter bei Rückstand des eigenen Teams ab.
Spanien blieb der offensiven Linie bis zum Schluss treu, verbunden mit dem Risiko, den Ball zu verlieren. Der Beifall zum Abpfiff tönte beinahe ehrfürchtig: Die beste Mannschaft des Turniers hat sich den Weg in den Final gebahnt.
Spanien – Frankreich 2:1 (2:1)
München. – 66 000 Zuschauer. – Schiedsrichter: Vincic (SLO). – Tore: 9. Kolo Muani (Mbappé) 0:1. 21. Yamal 1:1. 25. Olmo 2:1.
Spanien: Simon; Navas (58. Vivian), Nacho, Laporte, Cucurella; Rodri, Ruiz; Yamal (94. Torres), Olmo (76. Merino), Williams (94. Zubimendi); Morata (76. Oyarzabal).
Frankreich: Maignan; Koundé, Upamecano, Saliba, Hernandez; Kanté (62. Griezmann), Tchouaméni, Rabiot (62. Camavinga); Dembélé (79. Giroud), Kolo Muani (62. Barcola), Mbappé.
Bemerkungen: Spanien ohne Carvajal, Le Normand (beide gesperrt) und Pedri (verletzt). Frankreich komplett.
Verwarnungen: 14. Navas, 60. Tchouaméni, 89. Camavinga, 91. Yamal.