Das Staatsradio des Fürstentums ist politisch umstritten. Kurz vor der Sommerpause haben Regierung und Parlament dem Radio mehr Geld zugesichert. Doch das Volk könnte nun die Privatisierung des Senders verordnen.
Radio Liechtenstein, der öffentlichrechtliche Sender des Fürstentums, steht wieder einmal im Zentrum heftiger Diskussionen. Regierung und Parlament haben sich noch vor der Sommerpause auf einen höheren Staatsbeitrag verständigt, um dem Radio das Weiterbestehen für die nächsten Jahre zu sichern. Beinahe gleichzeitig lancierte die Oppositionspartei Demokraten pro Liechtenstein eine Initiative, die den öffentlichrechtlichen Rundfunk auflösen und den Radiosender privatisieren will.
Trotz Ferienzeit seien über 1700 Unterschriften für das Volksbegehren zustande gekommen, gaben die Demokraten pro Liechtenstein bekannt. Zur Gültigkeit des Volksbegehrens und damit für eine Volksabstimmung über die Abschaffung des öffentlichrechtlichen Rundfunks sind lediglich 1000 Unterschriften von Stimmberechtigten notwendig.
Schon fünf Jahre vorher hatte die Partei mit einer Motion die Privatisierung gefordert, war aber am Nein der anderen Parteien gescheitert. Ihrem Ziel ist die Oppositionspartei nun einen Schritt näher gekommen.
Finanzspritze in letzter Minute
Die Initianten kritisieren, in den letzten Jahren seien zu viele Steuergelder in den Sender investiert worden, die Aufhebung des öffentlichrechtlichen Status und die finanzielle Gleichstellung mit anderen Medien über die allgemeine Medienförderung dränge sich auf. Wirtschaftsministerin Sabine Monauni, in der Regierung zuständig für Medienpolitik, dagegen warnt vor dem Volksbegehren: Die Privatisierungsinitiative sei in Wahrheit eine Abschaffungsinitiative.
Dass beide Strategien für Radio Liechtenstein gleichzeitig laufen, erscheint auf den ersten Blick verwirrend. Der Hintergrund aber ist, dass das Parlament der Regierung im vergangenen Herbst den Auftrag erteilte, ein Konzept zur zukünftigen Ausrichtung von Radio Liechtenstein vorzulegen. Dieser Auftrag erfolgte, nachdem der Staat dem Sender mit einer Finanzspritze zu Hilfe hatte eilen müssen, um einen Konkurs abzuwenden. Zu jenem Zeitpunkt aber hatten die Demokraten pro Liechtenstein bereits eine Volksinitiative zur Privatisierung des Senders angekündigt.
In einer Dokumentation, die an alle Haushalte ging, hatte die Partei nochmals die wichtigsten Beweggründe für die Volksinitiative dargelegt. Die Privatisierung habe nicht die Auflösung von Radio Liechtenstein zum Ziel, sondern den Übergang von einem Staatssender zu einem Privatradio, das als Informations- und Unterhaltungssender nach unternehmerischen Prinzipien geführt werden müsse. In Zukunft sollten alle Medien in gleicher Weise durch die geltende Medienförderung in Liechtenstein unterstützt werden.
Keine überprüfbaren Daten
Nach Berechnung der Demokraten pro Liechtenstein erhält der Sender derzeit Staatsgelder, die rund 70 Prozent der gesamten Medienförderung ausmachen. Diese Bevorzugung eines einzelnen Mediums hält die Partei für nicht mehr gerechtfertigt, umso weniger, als über die Verbreitung des Senders in Liechtenstein und der Nachbarschaft schon seit einiger Zeit keine nachprüfbaren Daten mehr vorlägen.
Die Regierung wie auch die Demokraten pro Liechtenstein teilen die Auffassung, die staatliche Medienförderung sei ein zentrales Element für das Überleben der Medien. Dabei unterstreicht die Regierung, bisher habe Liechtenstein eine klare Trennung zwischen privaten Medien und dem öffentlichrechtlichen Rundfunk vorgenommen.
Während die privaten Medien die Förderung nach bestimmten Kriterien wie Auflage, Berichterstattung über nationale Politik, Wirtschaft und Kultur sowie Ausbildung der Angestellten erhielten, erfülle der öffentlichrechtliche Radiosender einen Service-public-Auftrag, der mit einem speziellen Staatsbeitrag abgegolten werde. Dieser Programmauftrag enthalte die Verpflichtung zur Neutralität, Ausgewogenheit und Vielfalt sowie den Verzicht auf eine Bezahlschranke. Solche Auflagen könnte ein privater Radiosender, der die gleiche Förderung wie andere Medien erhalte, nicht erfüllen.
Vorgerechnet wird, dass ein Privatsender mit staatlicher Medienförderung und Werbeeinnahmen zu Gesamteinnahmen von 1,3 Millionen Franken käme, womit die gegenwärtigen Jahresausgaben von Radio Liechtenstein nur zu einem Drittel gedeckt wären. «Ein Radio Liechtenstein mit dem bestehenden Leistungsauftrag ist mit Werbeeinnahmen jedenfalls nicht profitabel zu betreiben», schreibt die Regierung als Schlussfolgerung aus diesen Zahlen. Andernfalls müsste mit einem massiven Abbau der Programmleistungen gerechnet werden, zumal sich nach Ansicht der Regierung kaum ein privater Investor finden lasse, um die Finanzlücke zu füllen.
Abstimmung im Herbst
Die Demokraten pro Liechtenstein liessen bei der Lancierung ihrer Volksinitiative die Finanzierungsfrage offen – bis auf den Hinweis, nach der Privatisierung müsse der Radiosender bei der staatlichen Medienförderung die gleiche Behandlung wie andere Medien erfahren. Der Regierung wird bei einer Annahme der Initiative bis Ende 2025 Zeit gegeben, die Privatisierung vorzunehmen und die Finanzierungsfrage zu lösen.
Mit dem Zustandekommen der Volksinitiative wird das Volk im Herbst das letzte Wort haben. Bei dieser Entscheidung dürfte die Frage die Hauptrolle spielen, ob Liechtenstein auch in Zukunft einen eigenen Radiosender haben soll. Die Zahlen einer von der Regierung in Auftrag gegebenen Umfrage von Anfang 2024 geben dazu einen kleinen Hinweis: Nur knapp ein Fünftel der Befragten hört jeden Tag Radio Liechtenstein. Einen eigenen liechtensteinischen Radiosender hielten 43 Prozent für wichtig oder sehr wichtig, auf der anderen Seite waren 46 Prozent der Befragten gegenteiliger Meinung.