Der führende Chiphersteller wächst enorm schnell und ist hochprofitabel, die Kunden reissen ihm die neuesten KI-Chips förmlich aus den Händen. Selbst der «Deepseek-Schock» konnte Nvidia bisher nichts anhaben.
Die KI-Party ist noch nicht vorbei – dank Nvidia. Der Chiphersteller hat am Mittwochabend einmal mehr hervorragende Quartalszahlen vorgestellt und die hohen Erwartungen der Wall Street übertroffen. Nvidia rechtfertigt damit seine astronomisch hohe Marktkapitalisierung von mehr als 3 Billionen Dollar.
Das Unternehmen wächst rasch und bleibt dabei hochprofitabel: Im abgelaufenen Quartal, das sich von November 2024 bis Januar erstreckte, erzielte Nvidia einen Umsatz von 39,3 Milliarden Dollar – 78 Prozent mehr als im Jahr zuvor. 11 Milliarden davon stammen bereits aus den Verkäufen der neuen, auf KI-Anwendungen optimierten Blackwell-Chips, die Nvidia derzeit ausrollt. Der Gewinn beläuft sich auf 22,1 Milliarden Dollar; er legte sogar um 80 Prozent zu gegenüber dem Vorjahresquartal.
Neue KI-Modelle brauchen noch mehr Rechenleistung
Die Anleger wissen noch nicht recht, was sie von diesen Zahlen halten sollen. Die Nvidia-Aktie hatte während des Handelstages um 3,7 Prozent zugelegt, die Zahlen wurden aber erst nachbörslich publiziert. Im volatileren Handel nach Börsenschluss wurden die Titel zunächst noch höher gehandelt, gaben ihre Gewinne aber bald wieder ab.
Die Marktteilnehmer sind es mittlerweile einfach gewohnt, von Nvidia positiv überrascht zu werden. Der Schlüssel für den Erfolg des Unternehmens bleibt der KI-Boom, der Ende 2022 eingesetzt hat. Für Unternehmen wie Amazon, Microsoft oder Meta bilden die Grafikprozessoren von Nvidia die beste Basis, um ihre immer grösser werdenden KI-Modelle zu trainieren und zu betreiben. Seit zwei Jahren bestellen die Tech-Giganten daher Unmengen von Chips bei Nvidia.
Die Nachfrage nach Blackwell-Chips nimmt gemäss Huang auch deshalb so stark zu, weil sich bei der Entwicklung der modernsten KI-Modelle neue «Skalierungsgesetze» eingestellt hätten: Der Einsatz von mehr Rechenleistung im Training mache die Modelle klüger. Diese könnten später zudem noch klügere Antworten geben, wenn sie länger nachdenken und dabei noch mehr Rechenleistung zur Verfügung haben.
Die neuesten Modelle werden auch als Reasoning-KI-Modelle bezeichnet, weil sie (endlich) logisches Denken ermöglichen sollen. Dafür brauchten sie aber bis zu hundertmal so viel Rechenleistung wie die Modelle früherer Generationen, und das sei erst der Anfang, so Huang. Die Nachfrage nach Rechenleistung soll weiter exponentiell ansteigen, sowohl für das Training der Modelle als auch insbesondere für ihren Gebrauch.
Keine grossen Einführungsprobleme
Die neuen Blackwell-Chips sollen diesem Bedürfnis nachkommen. Sie sind deutlich leistungsfähiger als ihre Vorgänger und lassen sich zudem noch effizienter zu grossen Einheiten zusammenfügen. Das hilft nicht zuletzt den führenden Cloud-Computing-Anbietern wie Amazon oder Microsoft, die derzeit am Laufband riesige Datencenter bauen und mit den Blackwell-Chips ausrüsten.
In den vergangenen Quartalen hatte das Tech-Portal «The Information» noch von Schwierigkeiten bei der Implementierung der Blackwell-Architektur gewarnt. Die Chips könnten sich je nach Konfiguration zu stark erhitzen. Diese Sorge scheint aber unbegründet gewesen zu sein.
Zwar ist Nvidia tatsächlich stark gefordert, weil es die individuellen Sonderwünsche all seiner Grosskunden berücksichtigen will. Faktisch optimiert man das Layout der Datencenter jeweils gemeinsam und steckt enorm viel Zeit in diese Aufgabe. Nvidia hat hierfür seinen Mitarbeiterbestand deutlich ausgebaut; zudem bezahlt das Unternehmen seine Angestellten immer besser.
Aus all diesen Gründen soll die Bruttomarge von Nvidia im laufenden Quartal vorübergehend auf knapp über 70 Prozent absinken. Die meisten Unternehmen können von solchen Margen nur träumen, aber bei Nvidia sind die Ansprüche höher. Für die zweite Jahreshälfte rechnet der Konzern aber wieder mit einer Bruttomarge «in den mittleren 70ern», wie die Finanzchefin Colette Kress sagte.
Nvidia überrascht auch mit seinem Ausblick einmal mehr positiv. Im laufenden Quartal erwartet man 43 Milliarden Dollar an Umsatz, während Analysten im Schnitt bloss mit 42,1 Milliarden Dollar rechneten.
Keine Delle wegen Deepseek
Gespannt hatten die Analysten auf neue Erkenntnisse dazu gewartet, ob der «Deepseek-Schock» die Nachfrage nach Nvidias Hardware beeinträchtigen würde. Deepseek, ein chinesisches Startup, hat vor einem Monat ein neues KI-Basismodell vorgestellt, das mit den besten amerikanischen Modellen mithält, dabei aber viel weniger Ressourcen verbraucht. Dank Deepseek wäre es also möglich, auch mit weniger Nvidia-Chips hervorragende KI zu bauen. Diese Sorge führte am 27. Januar dazu, dass Nvidia innert eines einzigen Handelstages 590 Milliarden Dollar an Marktwert einbüsste – mehr als je ein Unternehmen zuvor.
Derzeit scheint die Aussicht auf sparsamere Modelle den Run auf Nvidia-Chips aber nicht zu beeinträchtigen. Ein gegenteiliger Effekt hilft dem kalifornischen Konzern sogar: Wenn die Basismodelle effizienter werden, steigt die Nachfrage nach KI-Anwendungen umso schneller an, was wiederum Nvidia zugutekommt.
Huang betonte gegenüber Analysten jedenfalls die Wichtigkeit dieses KI-Ökosystems, in dessen Zentrum Nvidia sich befindet: Alle bedeutenden Modelle und enorm viele KI-Anwendungen werden im Hinblick darauf programmiert, dass sie auf einer Nvidia-Architektur effizient funktionieren. Deepseek ist so gesehen ein weiterer Fortschritt und kann dazu führen, dass noch mehr Lebensbereiche rasch von KI-Anwendungen durchdrungen werden. An diesem Punkt gerät Huang im Gespräch mit den Analysten jeweils rasch ins Schwärmen. Er zählt unzählige Anwendungsmöglichkeiten auf, wie KI das Gesundheitswesen, den Autobau oder den Bildungsbereich verbessern könnte.
Warten auf Trump-Zölle
Wegen dieses Ökosystem-Vorteils zeigt sich Huang auch überzeugt, dass die flexibleren Nvidia-Grafikprozessoren ihren Vorteil gegenüber den hochspezialisierten KI-Chips behalten werden. Viele Grosskunden von Nvidia entwickeln derzeit solche Chips, um von ihrem Zulieferer unabhängiger zu werden. Doch die Entwicklung von KI schreitet derzeit auf allen Ebenen sehr schnell voran – Hardware, Basismodelle, Anwendungen. Für Anwender lohnt es sich da umso mehr, mit einer Chip-Architektur zu arbeiten, die auch alle anderen Anwender nutzen – weil man so rasch voneinander lernen kann.
Eine letzte Quelle der Unsicherheit stellen die Exportkontrollen und die Zölle dar, welche die US-Regierung bereits implementiert hat oder noch einführen will. Nvidia darf seine neuesten Chips nicht nach China exportieren; für zahlreiche andere Staaten, einschliesslich der Schweiz, gibt es Exportlimiten. Gemäss Kress hat sich der Anteil des Umsatzes, den Nvidia in China erzielt, im vergangenen Quartal nicht verändert. Dieser Anteil liegt derzeit bei rund 15 Prozent – vor Einführung der ersten Exportbeschränkungen war er etwa doppelt so hoch.
Kress sagte, dass die Zölle eine Unbekannte blieben, «bis wir den Plan der US-Regierung besser verstehen»: ihr Timing, ihre Höhe und ihr Ziel. «Wir warten.»