Dreieinhalb Monate nach den Hamas-Anschlägen erklärt Justizminister Jans, wie die Terrororganisation verboten werden soll. Der Gesetzesentwurf ist eine Gratwanderung.
Der neue Justizminister Beat Jans hat wenig Aufwärmzeit. Nur gerade rund 50 Tage nach seinem Amtsantritt präsentierte er am Dienstag in Chiasso seine härtere Gangart in der Asylpolitik. Tags darauf stand bereits die nächste Knacknuss auf der Traktandenliste – das Verbot der Hamas. Kurz nach den Terroranschlägen vom 7. Oktober auf Israel hatte der Bundesrat angekündigt, die Hamas zu verbieten. Dies, obwohl schon damals klar war, dass der Schweiz dafür ein taugliches Gesetz fehlt. Am Mittwoch erklärte der Justizminister nun, wie der Bundesrat vorgehen will.
Drei Effekte erhofft
Geplant ist ein Spezialgesetz, das die Hamas sowie Tarn- und Nachfolgeorganisationen verbietet und diese unmissverständlich als terroristische Organisationen nach Artikel 260ter des Strafgesetzbuches bezeichnet. Das Gesetz soll im ordentlichen Verfahren vom Parlament beschlossen werden. Bis dies so weit ist, werden deshalb noch Monate vergehen. Wieviel ein solches Gesetz abgesehen der symbolischen Wirkung wirklich bringt, ist deshalb offen. Der Bundesrat erhofft sich vor allem drei Effekte:
• Erleichterung von Einreiseverboten: Schon heute gibt es präventivpolizeiliche Massnahmen gegen Unterstützer von Terroristen – beispielsweise Einreiseverbote oder Ausweisungsverfügungen. In dem die Hamas per Gesetz eindeutig als terroristische Organisation definiert wird, werden solche Massnahmen in Zukunft rechtlich solider abgestützt. Der Nachweis, dass es sich bei der Hamas um eine Terrororganisation handelt, muss nicht mehr erbracht werden. Das erleichtere und beschleunige solche präventionspolizeiliche Massnahmen, erklärte Justizminister Jans vor den Medien.
• Mehr Effizienz in der Strafverfolgung: Ganz ähnlich verhält es sich vor Gericht: Wer terroristische Organisationen unterstützt oder für sie Propaganda macht, kann zwar schon heute bestraft werden. 2021 wurde die entsprechende Strafnorm sogar verschärft: Führungspersonen von Terrornetzwerken können seither für bis zu 20 Jahren Freiheitsstrafe verurteilt werden. Auch hier erleichtert aber die Benennung der Hamas als Terror-Organisation per Gesetz die Beweisführung vor Gericht.
• Besseres Lagebild bei der Terrorfinanzierung: Banken und andere Finanzintermediäre müssen es melden, wenn sie den Verdacht haben, dass Vermögenswerte zugunsten von Terror-Organisationen verschoben werden. Nicht immer ist aber klar, ob eine Gruppierung als terroristisch einzustufen ist. Das Gesetz schafft in Bezug auf die Hamas auch hier Klarheit. Sie erhoffe sich von der Neuerung deshalb ein verbessertes Lagebild über die Terror-Finanzströme, erklärte Nicoletta della Valle, Direktorin des Bundesamtes für Polizei (Fedpol), vor den Medien.
So nachvollziehbar die Zielsetzung des geplanten Gesetzes ist: Der Entwurf, der nun in die Vernehmlassung geht, zeigt, welche Gratwanderung der Bundesrat bestreitet. Das betrifft einerseits die verfassungsmässige Grundlage. Der Bundesrat bezieht sich auf seine Kompetenzen zur Wahrung der inneren und äusseren Sicherheit der Schweiz.
«Keine Änderung der schweizerischen Praxis»
Laut Christian Dussey, Direktor des Nachrichtendienstes des Bundes (NDB) gibt es allerdings derzeit keine Hinweise darauf, dass diese durch die Hamas oder verwandte Organisationen bedroht sei. Das Verbot rechtfertige sich aber dennoch, weil sich dies je nach Entwicklung der Situation im Nahen Osten jederzeit ändern könne, erklärte Dussey. Das Terror-Risiko in sei in der Schweiz ausserdem nach wie vor erhöht.
Nicht unumstritten ist das Hamas-Verbot aber auch mit Blick auf die Wirkung gegen aussen. Bisher hat der Bundesrat Terrororganisationen praktisch nie verboten. Dies unter anderem weil dies die Vermittlerrolle der Schweiz und die Guten Dienste infrage stellen könnte. Ausnahmen bildeten dabei die al Kaida sowie der Islamische Staat (IS), die in der Schweiz seit Jahren verboten sind. Bundesrat Jans erklärte deshalb, das Hamas-Verbot orientiere sich genau daran. Eine Änderung der schweizerischen Praxis sei mit dem Spezialgesetz nicht verbunden.
Tatsächlich fällt auf, dass das Hamas-Verbot eng gefasst wird. Anders als beispielsweise in Deutschland, wo auch ein Tätigkeitsverbot für die als ebenfalls terroristisch eingestufte Gruppierung Samidoun gilt, ist dies in der Schweiz nicht vorgesehen. Dies obwohl sich Exponenten und Kader von Samidoun in der Schweiz auch nach dem 7. Oktober getroffen hatten.
Zwar sieht das neue Gesetz vor, dass vom Bundesrat auch mit der Hamas verwandte Organisationen verboten werden können. Doch die Anforderungen daran bleiben hoch. Es reiche nicht aus, dass die gleichen Ziele verfolgt werden wie die Hamas, heisst es in dem erläuternden Bericht. Die erforderliche Nähe sei nur gegeben, wenn ein gemeinsames Vorgehen beschlossen worden sei. Denkbar wäre also, dass auch der Islamische Jihad unter das Verbot fällt, der Israel aus dem Gaza-Streifen ebenfalls mit Raketen beschiesst.
Bundesrat will nicht unter Druck geraten
Indem der Bundesrat die Grenzen für das Verbot eng fasst, will er verhindern, dass die Schweiz unter Druck kommt, in anderen Fällen ebenfalls Verbote auszusprechen und so die bisherige zurückhaltende Praxis schrittweise aufzugeben. Genannt wird in diesem Zusammenhang regelmässig die kurdische PKK, die beispielsweise in Deutschland ebenfalls als terroristisch eingestuft wird.
Doch trotz aller Zurückhaltung und obwohl das Hamas-Verbot dem Wortlaut der Wortlaut der Verbote von al Kaida ähnelt: Es gibt einen wesentlicher Unterschied. Während die Uno bei der al Kaida und dem IS einen Sanktionsbeschluss gefällt hat, ist dies bei der Hamas nicht der Fall. Das Verbot ist somit international schlechter abgestützt. Das Nachrichtendienstgesetz schreibt deshalb sogar vor, dass Organisationen in der Schweiz nur verboten werden können, wenn sie sich auf der Sanktionsliste der Uno befinden. Dies ist der Hauptgrund, weshalb dem Bundesrat beim Hamas-Verbot die Hände bisher gebunden sind.
Mit dem vorgeschlagenen Spezialgesetz versucht der Bundesrat die geltenden NDB-Vorgaben zum umdribbeln. Das Dilemma im Umgang mit der Hamas kann der Bundesrat mit diesem Spezialgesetz wohl lösen. Doch wie die Schweiz künftig in ähnlichen Fällen vorgehen will – das bleibt völlig offen.