Freitag, September 27

Die Erkenntnisse einer neuen Studie mindern die Angst vor einer baldigen Vogelgrippe-Pandemie unter Menschen. Sie zeigen zudem, wie die Epidemie in den Ställen beendet werden könnte – und dass der Ausbruch in den USA menschengemacht ist.

Seit März 2024 grassiert eine spezielle Variante des gefährlichen Vogelgrippevirus H5N1 in Milchkuhbetrieben in den USA. Mittlerweile sind laut der Gesundheitsbehörde CDC 231 Herden in 14 Gliedstaaten betroffen. Auch bei 14 Farmmitarbeitern wurde das Virus bereits entdeckt. Es war bisher unklar, wie sich das Virus von Tier zu Tier verbreitet. Das alles schürte die Angst vor einer neuen Epidemie. Doch nun gibt eine neue Studie teilweise Entwarnung. Die Arbeit wurde in der Fachzeitschrift «Nature» publiziert.

Forscher der University of Kansas sowie vom Friedrich-Loeffler-Institut (FLI) auf der Ostseeinsel Riems haben sowohl Kälber als auch Milchkühe mit der in den USA grassierenden H5N1-Variante infiziert. Den Kälbern wurde eine Virusladung in Nase und Rachenraum injiziert, den Milchkühen direkt über die Milchgänge ins Euter gespritzt.

Die Kälber entwickelten eine leichte Erkältung in den oberen Atemwegen, die sie weder beim Fressen noch bei anderen Aktivitäten beeinträchtigte. Zwar schieden sie eine geringe Menge an Viren über Nase und Rachen aus. Doch das war so wenig, dass kein im selben Stall stehendes gesundes Kalb sich ansteckte. Schon nach wenigen Tagen hatten sich alle infizierten Kälber erholt.

Ganz anders sah es dagegen bei den Milchkühen aus. Sie entwickelten bereits einen Tag nach der Virusinjektion eine schwere Euterentzündung. Die Milchleistung reduzierte sich um 90 Prozent, die Tiere bekamen Fieber, verloren den Appetit, zwei mussten schon am dritten Tag eingeschläfert werden, weil sie unter starken motorischen Problemen litten und völlig lethargisch waren. Zwei andere Tiere erlitten später dasselbe Schicksal.

Das Überraschende war: Die H5N1-Viren hatten sich zwar explosionsartig im Euter vermehrt. Doch in der Lunge, im Nasen-Rachen-Raum oder auch in anderen Organen der Milchkühe fanden sich keine Viren. Aber dafür massenhaft in der Milch. Bereits ein Mikroliter weise eine Menge auf, die für eine Infektion anderer Tiere ausreiche, so berichtet Martin Beer, Virologe am FLI und einer der Hauptautoren, an einem Pressebriefing.

Für die Autoren ist damit klar, dass sich H5N1 in den Kuhställen nicht durch Husten, Niesen oder Schnauben infizierter Tiere verbreitet. Vielmehr wird es beim Melken durch kontaminierte Geräte von einem Tier auf das andere übertragen. Nicht klar ist, ob sich Kälber beim Trinken anstecken.

«Die Epidemie in den Milchkuhbetrieben ist eine rein menschengemachte», betont Beer. «Und sie könnte durch entsprechende technische Massnahmen jetzt beendet werden.»

Vier Massnahmen zur Eindämmung

Das ist eine gute Nachricht, auch wenn es sich vielleicht nicht so anhört. Denn die Experimente zeigen: In den Kuhställen zirkuliert kein Vogelgrippevirus, das einfach durch die Luft von Tier zu Tier oder auch von Tier zu Mensch übertragen wird.

Das macht auch die Eindämmung einfacher. So sollte noch mehr Augenmerk auf die Melkhygiene gelegt werden. Doch gerade in Grossbetrieben wie in den USA ist es nicht immer möglich, jedes Melkgeschirr nach dem Einsatz sofort umfassend zu reinigen. Daher müsste es vier ganz konsequente Testserien geben, fordert Beer. Erstens muss Tankmilch systematisch und regelmässig untersucht werden, um betroffene Betriebe zu identifizieren. Dann muss der ganze Bestand getestet werden, um infizierte Tiere zu finden. Diese müssen dann separiert und bei Bedarf getrennt gemolken werden. Und vor dem Transport auf eine andere Farm müssen Kühe immer getestet werden.

Diese Massnahmen sind allerdings teuer und aufwendig. Bis anhin werden sie in den USA noch nicht flächendeckend umgesetzt. Schon seit längerem beklagen nicht nur Wissenschafter, dass es in Landwirtschaft wie auch Politik an Einsicht und Willen mangele.

Doch es ist nicht nur aus Tierwohlgründen geboten, die H5N1-Epidemie in den Kuhställen zu beenden. Je länger das Virus die Chance hat, sich zu vermehren, desto höher wird das Risiko, dass es sich weiter genetisch verändert und somit besser an Säugetiere anpasst. Die H5N1-Variante in den amerikanischen Kühen ist bereits besser an Säugetierzellen angepasst als die H5N1-Varianten, die in Europa zirkulieren. Irgendwann könnte eine neue Variante entstehen, die via Luft übertragbar ist.

Kuh-Virusvariante bereits in Geflügelbetrieben gefunden

Zudem steigt derzeit auch die Gefahr für andere Tiere. In den USA wurde die H5N1-Variante aus den Kuhställen bereits auf mehrere Geflügelbetriebe übertragen, wie genau, ist noch unklar. Da Nutzgeflügel sehr anfällig ist, mussten alle Tiere gekeult werden. Und von den 14 Menschen, bei denen eine Infektion mit dem Kuh-H5N1 festgestellt wurde, steckten sich 10 bei krankem Geflügel an.

In Deutschland, Italien und einigen anderen europäischen Ländern wurden in den vergangenen Wochen Kühe und auch Tankmilch vermehrt untersucht. Bisher wurden keine H5N1-Viren entdeckt. Wann und wo das Vogelgrippevirus in den USA erstmals in das Euter einer Kuh gelangte, bleibt ein Rätsel.

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