In der Werkstatt an den Paralympics in Paris werden über 2000 Reparaturen und Anpassungen an Prothesen oder Rollstühlen vorgenommen.
Als eine der Sehenswürdigkeiten in der Werkstatt des paralympischen Dorfes in Paris gilt der 3-D-Drucker. Ein Scanner dieses Gerätes erfasst zum Beispiel den Stumpf eines amputierten Oberschenkels; der Drucker stellt danach in drei bis vier Stunden einen Schaft her, den Para-Sportler bei der Entwicklung einer Sportprothese benötigen. Auch bei der Produktion von Ersatzteilen kommt der Apparat zum Einsatz.
Die Paralympics sind auch eine Technologiemesse. Besonders deutlich wird das in der Werkstatt im paralympischen Dorf, die seit den Spielen 1988 von Ottobock betrieben wird, einem deutschen Prothetikhersteller.
In diesem Jahr brachte Ottobock für die Paralympics 23 Tonnen Material nach Paris. In den Lagern sind 1500 Artikel eingeräumt. Es gibt Rollstuhlteile und Spezialbereifungen, Sitzkissen und Gurten oder Carbonfedern für Prothesen. In einem Raum werden Stoffe für Rollstuhllehnen genäht, in einem anderen werden Metallplatten geschweisst. Und in einem dritten stellen sich Sportler auf eine Kraftmessplatte, um ihre Balance zu ermitteln.
Die Carbonfedern sind seit 30 Jahren gleich
In der paralympischen Werkstatt sind noch bis Sonntag 160 Mitarbeitende aus 40 Ländern tätig. Während der zwei Wochen der Paralympics leisten sie über 2000 Reparaturen. Doch es gibt Sportler, die lieber selbst am Material tüfteln. Der Sprinter Johannes Floors zum Beispiel ist Orthopädietechnik-Mechaniker und studiert Maschinenbau.
Der Deutsche Floors ist an beiden Unterschenkeln amputiert. Er sagt, dass er seit einem halben Jahr fast keine Veränderungen mehr an seinen Prothesen vorgenommen habe. Die beste Zeit für solche Änderungen sei vor einer Saison oder danach. Es gehe dabei um die Beschaffenheit der Sohle oder den Winkel der Carbonfeder zum Schaft. Floors hat durch seine Ausbildung den Vorteil, dass er Wünsche zu Änderungen an den Prothesen niemandem erklären muss, sondern diese selbst durchführen kann.
Die schnellsten Sprinter an den Paralympics werden regelmässig mit dem Klischee konfrontiert, dass sie nur von Hightech-Prothesen abhängig seien. Die Carbonfedern der Sportprothesen haben sich allerdings seit mehr als dreissig Jahren nicht verändert. Im Gegensatz zu den Alltagsprothesen, die mit Computerelektronik ausgestattet sind und sich mithilfe einer App auf unterschiedliche Bewegungsabläufe ausrichten lassen. Dass die Leistungsdichte in der paralympischen Leichtathletik enger wird, hat mehr mit körperlichem Training zu tun.
Zweiklassengesellschaft im Para-Sport
Dennoch haben Sportler auch technologisch immer wieder Regeln gebrochen. Zum Beispiel mit längeren Prothesen – ein Vorteil beim Laufen. Um einen fairen Wettbewerb zu ermöglichen, werden beidseitig amputierte Sprinter wie Floors ausgemessen: die Länge ihres Unterarms, ihres Oberarms, ihres Oberschenkels und ihre Sitzhöhe. Die Formel, die sich daraus ergibt, bestimmt die maximal erlaubte Grösse der Prothesen.
Floors betont, dass die Prothese vor jedem Rennen geprüft werde, auch wenn Vorlauf und Final am selben Tag stattfänden. Darüber hinaus müssen Prothesen und mögliche Ersatzteile allgemein auf dem Markt verfügbar sein. Spezielle Sonderentwicklungen sind nicht gestattet.
Was dabei untergeht: Es ist auch diese technische Debatte, die aus dem paralympischen Sport eine Zweiklassengesellschaft macht. Weltweit leben 1,2 Milliarden Menschen mit einer Behinderung, 80 Prozent in einkommensschwachen Regionen. Im globalen Süden kommen Menschen mit einer Beeinträchtigung oft nicht zu Prothesen und Handbikes, die mitunter den Wert eines Kleinwagens haben.