Ein Wetterphänomen im Pazifik begünstigt in diesem Jahr die zerstörerischen Wirbelstürme zusätzlich. Noch bremst Staub aus der Sahara ihre Entwicklung – aber nicht mehr lange.
Die Saison begann mit einem Trio. Die Wirbelstürme «Alberto», «Beryl» und «Chris» sind im Juni und Juli über den Atlantik gezogen. Besonders heftig wütete «Beryl»: So früh im Jahr zog noch nie ein Hurrikan der höchsten Kategorie durch den Ozean. In der Karibik, in Mexiko und in den USA hinterliess der Wirbelsturm eine Spur der Zerstörung.
Womöglich war das nur der Anfang von etwas Grösserem. Das Climate Prediction Center der amerikanischen Wetter- und Klimabehörde Noaa sagt eine Hurrikansaison mit hoher Aktivität voraus. Gemäss dieser Vorhersage werden zwischen 8 und 13 Hurrikane über den Atlantik ziehen – im Durchschnitt sind es 7.
Die Prognosen anderer Vorhersagezentren gehen zwar auseinander, aber sie liegen fast alle in dem Bereich, den die Noaa berechnet hat. Die Hurrikansaison dauert in der Regel bis Ende November. Von Jahr zu Jahr wechselt die Aktivität deutlich. 2005 und 2020 stechen mit besonders vielen Wirbelstürmen heraus.
2024 könnte es erneut eine sehr intensive Saison geben, weil mehrere Faktoren die Entstehung besonders vieler und starker tropischer Wirbelstürme begünstigen. Einer davon ist die Ozeantemperatur. Das Meeresgebiet, in dem die Zyklone entstehen und über welches sie hinwegziehen, ist zurzeit zwei bis drei Grad Celsius wärmer als sonst. Aus der Wärme des Wassers beziehen die Hurrikane den grössten Teil ihrer Energie.
Schon seit 2023 sei die gut durchmischte Wasserschicht an der Oberfläche des Ozeans in der Region, in der die Hurrikane entstünden, deutlich wärmer als sonst, sagt der Meteorologe Andreas Fink vom Karlsruher Institut für Technologie. Diese warme Deckschicht reicht von der Oberfläche bis zu 100 Meter tief. Laut Fink wird sich die extreme Wärme bis weit in die Hurrikansaison hinein halten. Darum stehe für die Wirbelstürme eine Rekordmenge an Wärme zur Verfügung. Das werde auch dazu führen, dass sich Hurrikane besonders rasch intensivieren könnten.
Bereits bei «Beryl» konnte man beobachten, was das bedeuten kann: Innerhalb von 24 Stunden verstärkte sich der Hurrikan von einem Exemplar der Stärke 1 zu einem der Stärke 4. Schneller geht das kaum. Dann wird es schwierig, die betroffene Bevölkerung rechtzeitig zu warnen.
Es ziehen mehr Keimzellen für Wirbelstürme auf das Meer
Ist das Wasser östlich der Karibik besonders warm, entwickelt der westafrikanische Monsun zudem häufig eine grosse Aktivität. Durch den Monsun, so Fink, zögen mehr geeignete Keimzellen für Wirbelstürme auf den Atlantik als sonst. Diese Keimzellen – das sind relativ starke und im Zentrum mit Gewittern angereicherte, bodennahe Windwirbel. Es hänge aber von einem subtilen Zusammenspiel mehrerer Faktoren ab, ob sich aus diesen Keimzellen Wirbelstürme entwickelten.
Hinzu kommt, dass sich im östlichen tropischen Pazifik zurzeit «La Niña» entwickelt: Das bedeutet, dass das Meerwasser vor der Küste von Peru und Ecuador kühler ist als sonst. Dadurch verändern sich grossräumige Luftströmungen. Es kommt zu einer Fernwirkung, wodurch sich über dem Atlantik die Winde abschwächen.
Obwohl es paradox klingt – auch diese Flaute der Winde begünstigt die Entstehung von Hurrikanen. Denn nur dort, wo der Wind zunächst schwach ist, sowohl der Höhenwind als auch die Passatwinde an der Oberfläche, kann sich die Dynamik eines tropischen Wirbelsturms entwickeln: Gewitterwolken ballen sich zusammen, beginnen einander zu umkreisen und saugen immer mehr feuchtwarme Luft aus der Umgebung an. Werden die Wolken immer wieder umgeblasen, bildet sich kein Wirbelsturm.
Heisse Luft aus der Sahara bremst derzeit die Aktivität
Seit sich «Beryl» und «Chris» aufgelöst haben, herrscht allerdings gespenstische Ruhe auf dem Atlantik. Grosse Wolken aus Saharastaub sind aufs Meer hinausgezogen. Sie hemmen die Entwicklung von Wirbelstürmen. Die staubige, trocken-heisse Luft lässt Wolkentröpfchen verdunsten. Dadurch kühlt sich die Luft ab, die daraufhin zu sinken beginnt. Dieser Prozess ist typisch für den Juni und Juli und dämpft die Hurrikanaktivität. Bald werden die Staubwolken schwinden, spätestens Mitte August. Dann, so verkünden Fachleute, gehe es rund.
Den Höhepunkt erreicht die Hurrikansaison in der Regel im September. Den Menschen an den Atlantikküsten bleiben also nur noch wenige Wochen, um sich für die schlimmsten Wirbelstürme dieser Saison zu wappnen. «In der Summe stehen die Zeichen ungut», sagt Fink.