Die Männer haben im Kanton Zürich schwere Straftaten begangen. In der Ukraine könnten sie nun in den Militärdienst eingezogen werden.
Am Mittwochmorgen hebt die Maschine am Flughafen Zürich ab. An Bord des Sonderflugs: drei Schwerkriminelle aus der Ukraine. Mehrere Beamte der Kantonspolizei Zürich begleiten sie. Die Polizisten wissen um die Bedeutung ihrer Mission. Es ist das erste Mal seit Kriegsbeginn im Februar 2022, dass die Schweiz straffällige Ukrainer in ihr Heimatland rückführt.
Der Ausschaffungsflug führt gemäss Informationen der NZZ nach Polen, von dort werden die drei Straftäter auf dem Landweg in die Ukraine gebracht. Wie sie genau über die Grenze gelangen, ist unklar – ebenso, was in der Ukraine mit ihnen geschieht. Gut möglich, dass sie in den Militärdienst eingezogen werden. Die ukrainische Regierung benötigt im Krieg gegen Putins Russland jeden wehrfähigen Mann.
Das Staatssekretariat für Migration (SEM) bestätigt die Informationen der NZZ. «Es ist richtig, dass drei Personen mittels Sonderflug in die Ukraine zurückgeführt wurden», schreibt die Behörde auf Anfrage. Es handle sich um verurteilte Straftäter mit Landesverweis. Weitere Angaben zu den Personen könne man wegen des Daten- und Persönlichkeitsschutzes nicht machen.
Sicher ist: Personen, die vor Gericht mit einem Landesverweis belegt werden, haben keine Bagatelldelikte begangen. Es müssen schwere Straftaten gewesen sein wie Raub, Freiheitsberaubung oder Körperverletzung, die ihnen angelastet werden. Ihre Taten begingen sie im Kanton Zürich, hier wurden sie auch verurteilt.
Mario Fehr: «Straftäter haben hier nichts verloren»
Ist es vertretbar, dass die Schweiz Personen – auch wenn es Kriminelle sind – in ein Kriegsland ausschafft?
Das SEM äussert sich klar: «Bei verurteilten Straftätern mit Landesverweis muss die Zumutbarkeit der Rückkehr nicht geprüft werden.» Was geprüft werden müsse, sei einzig die Zulässigkeit, also die Frage, ob der Person nach einer Ausschaffung eine Verfolgung oder gravierende Menschenrechtsverletzungen drohten.
Im Fall der drei Ukrainer sah man offensichtlich keine Probleme. «Ein möglicher Einzug in den Militärdienst ist in diesem Kontext kein Hindernis», schreibt die Behörde.
Vollzogen hat die Ausschaffung die Kantonspolizei Zürich. Der kantonale Sicherheitsdirektor Mario Fehr (parteilos) steht vorbehaltlos hinter dem Vorgehen, wie er auf Nachfrage sagt: «Straftäter haben im Kanton Zürich und in der Schweiz nichts verloren. Sie müssen in ihre Heimatländer zurückkehren.» Im Fall der Ukrainer habe die Zusammenarbeit mit dem SEM sehr gut funktioniert.
Dass den drei Männern in ihrem Heimatland nun der Wehrdienst drohe, sei selbstverschuldet, sagt Fehr. «Sie hätten ja nicht straffällig werden müssen.»
Auch wieder Rückschaffungen nach Afghanistan
Ist der Sonderflug mit den drei Ukrainern ein Anzeichen dafür, dass die Behörden bei Ausschaffungen konsequenter durchgreifen? Einiges deutet darauf hin.
Erst vor zwei Wochen sorgte die Rückführung von zwei verurteilten Afghanen nach Kabul für Schlagzeilen. Die Männer hatten in der Schweiz ebenfalls schwere Straftaten begangen. Vincenzo Mascioli, Vizedirektor im SEM und zuständig für Rückführungen, sagte damals gegenüber den Medien, dass bei solchen Tätern «Nulltoleranz» gelten müsse.
Zuvor wurden kriminelle Afghanen über fünf Jahre lang nicht ausgeschafft. Der Grund: 2019 wurden die Rückschaffungen nach Afghanistan wegen der Corona-Pandemie unterbrochen. 2o21 übernahmen die islamistischen Taliban wieder die Macht in Kabul. Die Schweiz setzte Zwangsrückführungen generell aus und behielt sie im hiesigen Strafvollzug – bis in diesem Oktober.
Vincenzo Mascioli, der das SEM ab Januar als neuer Staatssekretär leiten wird, sprach von einem «erfolgreichen Pilotprojekt». Weil die Rückführung der zwei Afghanen so gut funktioniert habe, wolle man bald weitere Straftäter ausschaffen. Laut dem «Sonntags-Blick» befinden sich zurzeit 13 kriminelle afghanische Staatsbürger im Land. Die Schweiz ist neben Deutschland erst der zweite europäische Staat, der wieder Zwangsrückführungen nach Afghanistan durchführt.
Bei den Rückführungen hätten die Behörden in den letzten Jahren generell Fortschritte gemacht, sagte Mascioli weiter. Er betonte aber auch, dass der Druck in diesem Bereich weiterhin hoch sei: «Es besteht Handlungsbedarf.» Dabei dürfte er auch kriminelle Ukrainer im Blick gehabt haben.
Ob es bald weitere Ausschaffungen von Straftätern in die Ukraine geben wird, konnte das SEM am Mittwoch nicht sagen. Der Wegweisungsvollzug falle in den Kompetenzbereich der Kantone. Das SEM leiste bloss Unterstützung im Vollzug, wenn Kantone Bedarf anmeldeten. So wie dies offensichtlich Zürich im Fall der drei Ukrainer getan hatte.