Im ersten Halbjahr hat die Nationalbank einen Buchgewinn von 56,8 Milliarden Franken erzielt. Dennoch bleibt für dieses Jahr eine Ausschüttung eher unwahrscheinlich.
Devisenreserven von 730,9 Milliarden Franken und eine Bilanzsumme von 822,5 Milliarden sind eine Grössenordnung, die schnell Schwindel auslösen können und bei der schon kleine Schwankungen einen grossen Einfluss auf den Buchgewinn haben.
Kurs- und Wechselkursschwankungen dominieren
Entsprechend volatil sind die Ergebnisse, die die Schweizerische Nationalbank als spezialrechtliche Aktiengesellschaft Quartal für Quartal ausweist. Im ersten Quartal 2023 hatte sie noch einen Buchgewinn von 26,9 Milliarden Franken ausgewiesen, Ende vergangenen Jahres schloss sie dann mit einem Minus von 3,2 Milliarden ab, zum Ende des 1. Quartals 2024 verbuchte sie wieder einen Gewinn von 58.8 Milliarden.
Per Ende des ersten Halbjahres hat sich das Zwischenergebnis nun um 2,0 Milliarden auf noch 56,8 Milliarden Franken reduziert, wie die SNB am Mittwoch berichtet. Leichte Verluste auf den Devisenreserven durch den wieder etwas stärkeren Franken wurden durch Wertsteigerungen des Goldbestands kompensiert; der Gewinnrückgang entspricht praktisch dem Zinsaufwand auf den Frankenpositionen.
Entscheidend dafür sind erstens Kursgewinne und -verluste. Die 25 Prozent der Devisenreserven, die die SNB in Aktien hält, haben seit Anfang Jahr deutliche Kursgewinne von 19,8 Milliarden Franken verbucht. Die Anleihen verloren hingegen mit den gestiegenen Zinsen 6,8 Milliarden Franken an Wert. Mit der gestiegenen weltweiten Unsicherheit nochmals teurer geworden ist das Gold. Auf dem unveränderten Goldbestand der SNB resultierte deshalb ein Bewertungsgewinn von 12,2 Milliarden Franken.
Ebenso wichtig für den Wert der Anlagen in Franken ist der Wechselkurs des Frankens. Dieser hat gegenüber Ende 2023 etwas an Wert verloren, was sich bisher in Kursgewinnen von stattlichen 29,5 Mrd. Franken niedergeschlagen hat.
Zweitens verzeichnet die SNB Dividenden- und Zinserträge von im ersten Halbjahr insgesamt netto 6,8 Mrd. Franken. Doch um den Leitzins am Markt zu etablieren, muss die SNB ihre Girokonten, SNB-Bills und Repogeschäfte verzinsen. Das hat im ersten Halbjahr ein Zinsaufwand von netto 4,5 Milliarden Franken verursacht. Der eigene Aufwand fällt dagegen mit 0,2 Milliarden (219,8 Millionen) Franken weniger ins Gewicht.
Gewinnausschüttung nur bei positiver Ausschüttungsreserve
Ob es für 2024 wieder eine Gewinnausschüttung an Bund und Kantone geben wird, bleibt höchst unsicher. Bedingung dafür ist nämlich, dass zuerst die Rückstellung für (das Risiko der) Währungsreseven um 10 Prozent erhöht werden kann, was in den vergangenen Jahren 10,5 Milliarden Franken erforderte. Zudem muss die Ausschüttungsreserve positiv sein. Diese weist nach dem Rekordverlust von 2022 noch ein Minus von 42,7 Milliarden Franken aus.
Um 2 Milliarden Franken ausschütten zu können, müsste die SNB per Ende Jahr also mindestens 55 Milliarden Franken an Gewinn ausweisen. Das würde erfordern, dass Aktien und Anleihen bis dahin weiter an Wert zulegen, obwohl die Zinsen auch im Ausland wieder sinken, und der Franken nicht spürbar stärker wird. Beides scheint unter den gegebenen Umständen nicht besonders wahrscheinlich. Schon im vergangenen Jahr verbuchte die SNB im Jahresverlauf Gewinnrückgänge. Sicher ist allerdings nur eines: möglich ist noch alles.
Überschätztes längerfristiges Gewinnpotenzial
Die Gewinne der SNB sind höchst volatil – was aber kann von einer Bilanz von 800 Milliarden Franken längerfristig an Gewinnpotenzial erwartet werden? Viele Beobachter dürften dieses überschätzen. Wichtig bei einer Beurteilung ist nämlich sich zu vergegenwärtigen, dass die SNB kein Staatsfonds ist. Ihre Bilanz dient der Geldpolitik. Sie muss sich schnell verändern können und sicher sein. Die SNB investiert deshalb nur einen Viertel in ein breites, passiv angelegtes Aktienportfolio. 64 Prozent sind in Staatsanleihen mit hoher Bonität und niedriger Verzinsung investiert, 11 Prozent in solide Unternehmensanleihen.
Ihre Passiven muss die SNB zum grössten Teil in der Nähe des Leitzinses verzinsen. Werden Zinssenkungen erwartet, rentieren Staatsanleihen eher niedriger als der Leitzins. Mittelfristig sollte es mit einem sehr sicheren und liquiden gemischten Portfolio, wie es die SNB hält, möglich sein, eine etwas höhere Rendite zu erwirtschaften, als an Zinsaufwand anfällt. Da der Franken aber im Trend über die Zeit stärker wird, muss die Rendite die Wechselkursverluste kompensieren, damit ein Nettogewinn entsteht. Alles in allem dürfte die Nettorendite damit mittelfristig über die Zeit im Zehntelprozent-Bereich zu liegen kommen. Mit etwas Glück sind so gesehen tiefe einstellige Milliardenbeträge wohl einigermassen realistische Durchschnittserwartungen, zweistellige nicht.