Die Schweizerische Nationalbank hat es geschafft, die Inflation zurück in ihrem Zielbereich zu verankern. Sie kann nun mit einer Zinssenkung am 21. März dazu beitragen, dass sich die Überbewertung des Frankens reduziert und die Wirtschaft zurück zum Potenzialwachstum findet.
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Die Schweizerische Nationalbank (SNB) ist als erste grosse Zentralbank am Ziel. Die Inflation in der Schweiz ist zurück in ihrem Zielkorridor. Der noch im Dezember von der SNB befürchtete Preisanstieg zum Jahresbeginn ist ausgeblieben. Stattdessen ist im Februar die Gesamtinflationsrate auf 1,2% und die Kernrate auf 1,1% gefallen.
Der starke Franken und die global schwache Güternachfrage haben dazu beigetragen, dass die Güterpreise mit 0,1% im Vergleich zum Vorjahr kaum gestiegen sind. Mit rund 2% liegen die Inflationsraten bei inländisch produzierten Gütern und Dienstleistungen, und vor allem bei den privaten Dienstleistungen, etwas höher.
Normalerweise wäre das ein Warnsignal für erhöhten Lohndruck durch Zweitrundeneffekte. Nicht so in der Schweiz. Hier verzerren die Mieterhöhungen das Bild. Ohne sie beträgt die Preissteigerung gegenwärtig lediglich 0,8%. Dies ist auch die Kennzahl, auf die die Nationalbank fokussieren sollte, da die Referenzzins-bedingten Mietanpassungen bereits im kommenden Jahr auslaufen sollten. Aber auch sonst spricht vieles für nur geringen Inflationsdruck.
Stark überbewerteter Franken
Die Wirtschaft wächst unter ihrem Potenzial, die Investitionen fallen, und die Kapazitätsauslastung ist unterdurchschnittlich. Die Wirtschaft im Euroraum stagniert, und die starke Aufwertung des Frankens im vergangenen Jahr reduziert die Auslandsnachfrage für die Schweizer Unternehmen zusätzlich. Derzeit liegt der handelsgewichtete und inflationsbereinigte Wechselkurs des Frankens so stark über seinem mittelfristigen Trend wie seit 2015 nicht mehr. In solch einem Umfeld fallen die Gewinnmargen der Unternehmen typischerweise, was zu niedrigerem Inflationsdruck beiträgt.
Das gleiche gilt für den Arbeitsmarkt. Seit einigen Monaten sinkt die Zahl freier Stellen, während die Arbeitslosenquote leicht steigt. Die durchschnittlich erwarteten Lohnsteigerungen sind auf 1,8% für dieses Jahr gefallen. Selbst bei nur geringem Produktivitätswachstum würden die Lohnstückkosten nur moderat steigen und den Inflationskorridor von 0 bis 2% nicht gefährden. Die Gefahr von Zweitrundeneffekten des Inflationsschubs der Vorjahre ist folglich gebannt.
Wieso nicht bis Juni warten?
Die SNB wird daher ihre Inflationsprognosen deutlich nach unten korrigieren müssen. Zinssenkungen sind nur noch eine Frage der Zeit.
Zentralbanker hätten asymmetrische Anreize bei der Inflationsbekämpfung, heisst es häufig. Sie sollten die Zinsen lieber etwas zu spät als zu früh reduzieren. Die SNB sollte daher besser bis Juni warten, wenn die EZB und die Fed vermutlich ebenfalls ihre Leitzinsen senken – so lautet ein gängiges Argument.
Das mag gelten, wenn die Inflationsgefahren hauptsächlich auf der oberen Seite liegen. In der Schweiz ist das aber nicht mehr der Fall. Die SNB sollte sich vergegenwärtigen, dass sie den Inflationsdruck bei ihren letzten Lagebeurteilungen eher überschätzt hat. Möglich ist, dass das Ausmass und die Dauer des gegenwärtigen Preisrückgangs bei Gütern genauso unterschätzt wird wie zuvor der aus der Pandemie und dem Energiepreisschock resultierende Inflationsdruck. Eine neue, deflationär wirkende Exportoffensive aus China könnten diesen Trend sogar noch verstärken.
Eine frühe Zinssenkung und eine davon ausgehende Abschwächung des Frankens wären daher die beste Versicherung, dass die Schweiz nicht wieder in ein Umfeld von negativen Inflationsraten und Zinsen rutscht. Die Gefahr eines Politikfehlers und die Notwendigkeit einer späteren Kehrtwende ist dabei gering, denn auch mit einem Leitzins von 1,5% bliebe das Zinsniveau noch im restriktiven Bereich.
Karsten Junius
Karsten Junius ist Chefökonom und Head of Economic and Strategy Research bei der Bank J. Safra Sarasin in Zürich. Von 2011 bis 2014 arbeitete er für den Internationalen Währungsfonds in Washington. Davor war er für die DekaBank in Frankfurt für das Kapitalmarkt- und Immobilien-Research verantwortlich. Junius hat an der Universität Kiel in Volkswirtschaftslehre doktoriert.