Die Schweizerische Nationalbank senkt den Leitzins um 25 Basispunkte auf 1,5%. Damit lockert sie die Geldpolitik noch vor der EZB und dem Fed. Der Franken gibt deutlich nach.
Typischerweise sorgt die geldpolitische Lagebeurteilung der Schweizerischen Nationalbank (SNB) an den Märkten kaum für Bewegung. Die Entscheide sind jeweils gut kommuniziert, die Marktteilnehmer wissen mit einiger Gewissheit, was die Währungshüter machen werden.
Heute Donnerstag sorgte die SNB indes für eine dicke Überraschung: Die Nationalbank lockert die Geldpolitik und senkt den Leitzins von 1,75% auf neu 1,5%. Damit ist sie entgegen der breiten Markterwartung vorgeprescht und hat noch vor der US-Notenbank (Fed) und der Europäischen Zentralbank (EZB) die geldpolitischen Zügel gelockert.
Die Bank of Japan hat am Dienstag sogar erstmals seit 17 Jahren die Leitzinsen angehoben (grüne Linie in der Grafik). Vor wenigen Tagen gaben die Marktteilnehmer einer SNB-Zinssenkung bloss eine Wahrscheinlichkeit von gegen 30%.
Spielraum dank abnehmendem Inflationsdruck
Nur vereinzelte Stimmen, wie etwa Karsten Junius, Chefökonom bei der Bank J. Safra Sarasin, argumentierten im Vorfeld, die SNB verfüge aufgrund der Normalisierung der Inflation über genügend Spielraum, die Geldpolitik zu lockern.
Diesen Punkt strichen die Währungshüter denn auch hervor: «Die Lockerung der Geldpolitik wurde möglich, weil die Bekämpfung der Inflation über die letzten zweieinhalb Jahre wirksam war», heisst es in der Medienmitteilung. Bereits seit mehreren Monaten verharrt die Teuerung nämlich unter 2%, was die SNB mit Preisstabilität gleichsetzt.
Noch im Dezember gab die SNB der Befürchtung Ausdruck, zum Jahresbeginn könnte es nochmals zu einem Preisschub kommen. Dieser ist jedoch ausgeblieben: Im Februar nahm die Gesamtinflation auf 1,2% ab, die Kernrate – sie klammert die schwankungsanfälligen Energie- und Nahrungsmittelpreise aus – ging auf 1,1% zurück.
Dieser Realität trägt die SNB in ihrer neuen Inflationsprognose Rechnung. Für 2024 rechnet die Nationalbank mit einer mittleren Inflation von 1,4% (zuvor lag die Erwartung bei 1,9%), für 2025 mit einer solchen von 1,2% und für 2026 wird ein Preisanstieg von 1,1% erwartet. Dies unter der Annahme, dass der Leitzins in diesem Zeitraum bei 1,5% liegen wird.
Starker Franken leistet Schützenhilfe
Ein weiterer Punkt, der der SNB in die Hände spielte, war der starke Franken. Nach der deutlichen Aufwertung des realen Frankenkurses in den Jahren 2022 und 2023 ist die Bewertung spürbar gestiegen. Der von der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich ermittelte reale effektive Wechselkurs berücksichtigt die unterschiedlichen Inflationsraten und ist ein Barometer für die Veränderung der Wettbewerbsfähigkeit eines Landes.
Der jüngste Anstieg zeigt, dass die Wettbewerbsfähigkeit der Schweiz zuletzt abgenommen hat (rote Linie in der Grafik) und der Franken tendenziell überbewertet ist. Allerdings hatte die Frankenstärke den positiven Nebeneffekt, dass dadurch der Preisanstieg von importierten Gütern gedämpft wurde.
Die Zinssenkung ergibt angesichts des schwachen Wachstums und der geopolitischen Unsicherheit ebenfalls Sinn. Die Aufwertung des Frankens im vergangenen Jahr sowie die schleppende Konjunktur in Europa und in China dämpfen die ausländische Nachfrage. So traut die SNB der Schweiz im laufenden Jahr lediglich ein BIP-Wachstum von 1% zu, wobei das einer Verbesserung gegenüber der Prognose von 0,5 bis 1% im Dezember entspricht.
Euro legt zum Franken kräftig zu
Dass die Finanzmärkte vom Entscheid überrascht wurden, zeigt die frappante Abwertung des Frankens von rund 1% zum Euro und zum Dollar. So schoss der Franken-Euro-Kurs von 0.968 auf 0.978 hoch, zum Dollar wertete sich der Franken von 0.887 auf 0.897 ab. Auch der Swiss Market Index verspürte Rückenwind und legte zwischenzeitlich um 1% zu, bevor er einen Teil der Avancen wieder preisgab.
Nach dem heutigen Schritt ist klar, dass die SNB den Kampf gegen die Inflation als gewonnen betrachtet. In der Tat verharrt die Inflation in der Schweiz im Vergleich zur Eurozone, dem Vereinigten Königreich oder den USA bereits seit einiger Zeit unter dem Zielwert. Er zeigt aber auch, dass für die SNB zunehmend die konjunkturellen Aussichten in den Vordergrund rücken und der bisherige Leitzins als zu restriktiv erachtet wurde.
Die Terminmärkte preisen nun eine weitere Senkung um 25 Bp an der kommenden geldpolitischen Beurteilung im Juni ein, bis Ende Jahr sollen es insgesamt zwei Schritte auf 1% sein. Die Frankenschwäche dürfte sich deshalb wohl fortsetzen.