Sonntag, September 29

Die SVP fordert, dass man im Kanton Zürich einen Teil seiner Mietkosten von den Steuern abziehen darf. In den neunziger Jahren war die Linke Feuer und Flamme für die Idee. Heute nicht mehr.

Wie sich die Zeiten ändern!

Im September 1992 trat der damalige Sekretär des Zürcher Mieterverbands, Niklaus Scherr, geknickt vor die Medien. Soeben hatte das Stimmvolk seine Mietzinsinitiative hauchdünn abgelehnt.

Scherr wollte mit seiner Volksinitiative die Mieter im Kanton – immerhin 80 Prozent der Zürcher Bevölkerung – steuerlich entlasten. Sie hätten künftig 30 Prozent ihres Jahresmietzinses vom steuerbaren Einkommen abziehen können. Die linken Parteien unterstützen das Anliegen, die rechten lehnten es ab.

50,4 Prozent votierten am Ende dagegen; Scherr sprach von einem «schmerzlichen Achtungserfolg». Das Problem der hohen Belastung der Mieterinnen und Mieter bleibe damit bestehen, liess sich der enttäuschte Verbandssprecher in der NZZ zitieren.

Allen voran weibelte der kantonale Finanzdirektor Eric Honegger – ein Freisinniger – gegen den Steuerabzug. Er hätte nach seiner Meinung zu «grossen steuerpolitischen Schwierigkeiten» und «riesigen administrativen Problemen» geführt. Gerechnet wurde mit Steuerausfällen von 100 Millionen Franken pro Jahr.

Zeitsprung ins Jahr 2024.

Im Rathaus Hard diskutierten die Herren und Frauen Kantonsräte am Montag erneut über einen 30-prozentigen Mietzinsabzug. Diesmal kam die Forderung aber nicht von links, sondern von rechts. Und der SVP-Sprecher Christoph Marty klang dabei wie der linke Verbandssekretär von einst.

«Der arbeitende Mittelstand zahlt zu viel», sagte Marty. In Zeiten «explodierender Abgaben und Gebühren» brauchten die Mieterinnen und Mieter in Zürich dringend eine Entlastung.

Dazu sollen auch Immobilienbesitzer neu die Möglichkeit erhalten, 30 Prozent des steuerbaren Reinertrags aus der Liegenschaftennutzung geltend zu machen. Der Abzug soll im Jahr aber maximal 10 600 Franken betragen dürfen.

Von «verlockend» bis «populistisch»

Auswertungen mit dem Online-Steuerrechner des Kantons Zürich zeigen, wie stark ein solcher Rabatt einschenken würde: Eine Einzelperson mit einem steuerbaren Einkommen von 106 000 Franken aus der Stadt Zürich bezahlt heute gut 14 500 Franken kantonale und kommunale Steuern.

Könnte die Person den Maximalabzug von 10 600 Franken geltend machen, sänke ihre Rechnung für die Kantons- und die Gemeindesteuer auf noch rund 12 500 Franken. Die Person würde also etwa 2000 Franken Steuern sparen.

Entlastung für die Mieter, Entlastung für die Hauseigentümer – eigentlich sollte sich dafür eine Mehrheit finden lassen. Könnte man meinen. Doch am Montag blieb die SVP mit ihrer Forderung alleine. Sie verfehlte die 60 Stimmen, die für die vorläufige Unterstützung ihrer parlamentarischen Initiative nötig gewesen wäre, klar.

Die Voten der anderen Parteien ähnelten sich. Die Idee eines Mietabzugs habe einen «gewissen Charme», hörte man. Sie sei «verführerisch», «verlockend», gleichzeitig aber «untauglich», «asozial» und «populistisch».

Der FDP-Mann und Finanzpolitiker Mario Senn versuchte zu differenzieren. Der Vorschlag der SVP sei nicht a priori falsch, sagte er. Tatsächlich seien die Wohnkosten für viele Menschen ein Thema. Die Angebotsmieten seien zuletzt vielerorts stark gestiegen, anders sei es bei den Bestandsmieten. Aufseiten der Hauseigentümer sei die heutige Regelung mit dem Eigenmietwert ein altbekanntes Problem.

Trotzdem hält Senn den SVP-Vorschlag für den falschen Weg. «Wir sollten die Probleme in der Wohnpolitik nicht über die Steuerpolitik lösen», sagte er. Es sei wenig effizient, einen neuen Abzug einzuführen und damit mehr Arbeit für die Steuerkommissäre zu schaffen. «Viel besser wäre es, die Steuern für alle zu senken.»

In der Wohnpolitik gebe es aber tatsächlich viele Baustellen, sagte Senn. Das Bauen müsse einfacher werden, damit das heutige Ungleichgewicht im Wohnungsmarkt zwischen Angebot und Nachfrage behoben werde. Was es brauche, seien zum Beispiel weniger kostentreibende Bauvorschriften.

SVP wird Idee weiterverfolgen

Die Linke wollte nichts mehr von der Idee wissen, die sie vor 32 Jahren noch so überzeugt vertrat. Tobias Langenegger (SP) rechnete vor, welche Folgen die Änderung für den Zürcher Finanzhaushalt hätte. Mehrere hundert Millionen Franken Steuerausfälle pro Jahr könne man sich nicht leisten. «Haben Sie das schon einmal mit Ihrem Finanzdirektor besprochen?», fragte Langenegger in Richtung SVP und deren Vertreter im Regierungsrat, Ernst Stocker.

Weiter verwendete der SP-Kantonsrat seine Redezeit dafür, für mehrere linke Volksinitiativen zu werben, die kürzlich lanciert worden sind. Steuerliche Entlastung ist nicht deren Ziel, sondern mehr staatliche Intervention, schärfere Mietregeln, Vorverkaufsrechte und weitere illiberale Massnahmen.

Jasmin Pokerschnig (Grüne) freute sich vordergründig, dass die SVP das Problem der hohen Mieten anerkenne. Nur sei ihr Rezept dagegen völlig falsch. Steuerabzüge dienten vor allem den hohen Einkommen, zudem entziehe man dem Staat «Gestaltungsmöglichkeiten», gemeint sind damit wohl Steuergelder.

Der Kanton Zug kennt einen solchen Abzug seit einiger Zeit. Für Pokerschnig ist das jedoch ein schlechtes Beispiel. «Oder haben Sie die Wohnsituation in Zug schon einmal angeschaut?» Die Lage sei dort teilweise noch angespannter als in Zürich.

Christoph Marty legte sich vergebens ins Zeug für seinen Vorstoss, die Meinungen waren gemacht. «Wir sind anscheinend die letzte liberale Volkspartei in diesem Saal», fasste es der SVP-Mann zusammen.

Aufgeben wollen er und seine Partei jedoch nicht. Als Nächstes werden sie eine erneute parlamentarische Initiative einreichen – diesmal einfach ohne Steuerabzug für Hauseigentümer, nur noch für Mieter. Falls dieser Weg erneut erfolglos sein sollte, behält sich die SVP vor, eine Volksinitiative zu lancieren. Wie einst ihre Widersacher auf der linken Seite in den frühen 1990er Jahren.

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