Der Chef des weltgrössten Vermögensverwalters sieht in den gestiegenen Zinskosten ein Problem für die Vereinigten Staaten. Aber er sieht sein Unternehmen auch als Teil der Lösung.
Während der Corona-Pandemie öffneten Regierungen weltweit die fiskalpolitischen Schleusen. Um die Wirtschaft mit zusätzlichen Staatsausgaben vor dem Kollaps zu bewahren, nahmen die Regierungen hohe Schulden auf. In den Vereinigten Staaten erhöhte sich die Schuldenlast seither um 11,1 Billionen Dollar, wie der Blackrock-Chef Larry Fink in seinem am Dienstag veröffentlichten Brief an die Investoren hervorstreicht. Die öffentliche Gesamtschuldenquote der Vereinigten Staaten beträgt inzwischen rund 120 Prozent. Das sind 15 Prozentpunkte mehr als noch vor der Pandemie.
Für den amerikanischen Staat stellt dies ein Problem dar. Denn Schulden machen ist seit dem Wiederaufflammen der Inflation teurer geworden. Noch vor drei Jahren lag der Zins auf einer amerikanischen Staatsanleihe mit zehn Jahren Laufzeit bei unter 1 Prozent. Mittlerweile liegt er bei über 4 Prozent. «Dieser Anstieg um 3 Prozentpunkte ist sehr gefährlich», schreibt Fink. Die Lage sei dringlicher als je zuvor. Unter der Annahme, dass die Zinsen so hoch bleiben wie heute, rechnet Fink im nächsten Jahrzehnt mit zusätzlichen Kosten in der Höhe von 1 Billion Dollar pro Jahr für den amerikanischen Staat.
In der Vergangenheit gelang es den Amerikanern zwar zuverlässig, alte Schulden mit der Ausgabe neuer Staatsanleihen zu begleichen. Diese Strategie sei aber nur so lange praktikabel, wie es Leute gebe, die diese Wertpapiere kaufen wollten, betont Fink. Dafür gebe es jedoch keine Garantie. Der Anteil der ausländischen Gläubiger, der sich heute auf 30 Prozent belaufe, werde voraussichtlich sinken.
Die gleichen Sorgen treiben auch die Budgetwächter vom überparteilichen Congressional Budget Office (CBO) um. Der CBO-Direktor Phillip Swagel sagte am Dienstag der «Financial Times», die Verschuldung des amerikanischen Haushalts befinde sich auf einem «beispiellosen» Pfad nach oben. Die Regierung riskiere eine Krise am Anleihenmarkt.
Eine Situation wie in Japan?
In seinem pessimistischen Szenario erwartet der Blackrock-Chef Fink in den Vereinigten Staaten eine Konstellation, wie sie in den späten 1990er Jahren und in den frühen 2000er Jahren in Japan vorherrschte – mit hohen Schulden, lang andauernden Phasen der Stagnation und Austerität. «Ein hochverschuldetes Amerika wäre auch ein Land, in dem es viel schwieriger wäre, die Inflation zu bekämpfen, da die Geldpolitiker die Zinsen nicht anheben könnten, ohne die ohnehin schon untragbaren Kosten für den Schuldendienst drastisch zu erhöhen.»
Um die Schuldenquote langfristig konstant zu halten, plädiert Fink statt für Ausgabenkürzungen und Steuererhöhungen für eine Wachstumsstrategie. Wenn das Bruttoinlandprodukt real jedes Jahr durchschnittlich um 3 Prozent zunehme, liesse sich die Schuldenquote bei 120 Prozent halten. Das sei ein sehr hoch gestecktes Ziel, aber ein machbares.
Teil der Lösung soll – natürlich – auch Blackrock sein. Denn als Vertreter des Stakeholder-Kapitalismus sieht sich Fink nicht nur dem Aktionär, sondern auch allen anderen Anspruchsgruppen verpflichtet. Will heissen: Unternehmen sollen Geld verdienen und dabei etwas Gutes für die Gesellschaft tun. Einer der besten Katalysatoren für Wachstum seien Investitionen in die Infrastruktur, erklärt Fink.
Mit seiner geplanten Akquisition des Infrastrukturfonds Global Infrastructure Partners will Blackrock beim anstehenden Umbau der globalen Infrastruktur, besonders im Energiebereich, eine Schlüsselrolle spielen. Ohne privates Kapital gehe das nicht, ist Fink überzeugt. «Die Schulden sind einfach zu hoch.»
Pessimistische Generation Z
Fink schlägt in seinem Brief auch nachdenkliche Töne an. Ihm bereitet es Sorgen, dass die Generation Z (ab Jahrgang 1997) pessimistischer in die Zukunft blickt als jede Generation vor ihr. Dabei bezieht er sich auf Daten der Universität Chicago, die seit fünfzig Jahren Umfragen zur politischen Einstellung der amerikanischen Bevölkerung durchführt. Das Forschungsinstitut erhebt das Vertrauen der Bevölkerung in die Politik, die Medien sowie die Erwartungen der befragten Amerikaner für die eigene finanzielle und berufliche Zukunft.
Die jüngste Erhebung zeigt, dass sich die Stimmung innerhalb der jungen Generation in den vergangenen zwei Jahrzehnten verdüstert hat. Der Anteil derjenigen, die daran glauben, eines Tages wohlhabender zu werden als die eigenen Eltern oder einen guten Job zu finden, ist gesunken. 40 Prozent der Befragten geben an, es sei «schwer, Hoffnung für die Welt zu haben». Nach der Jahrtausendwende waren es noch weniger als 25 Prozent.
Er sei seit fast fünfzig Jahren in der Finanzbranche tätig, schreibt Fink, und er habe eine Menge Zahlen gesehen. «Aber kein einziger Datenpunkt hat mich jemals mehr beunruhigt als dieser.» Er frage sich, ob auch seine Enkel das grosse, hoffnungsvolle Amerika kennen würden, das er sein ganzes Leben lang gekannt habe. Wenn künftige Generationen keine Hoffnung für ihr Land und ihre Zukunft hätten, dann würden die Vereinigten Staaten die Kraft verlieren, die Menschen dazu zu bringen, zu investieren. «Wir laufen Gefahr, ein Land zu werden, in dem die Menschen ihr Geld unter der Matratze und ihre Träume in ihrem Schlafzimmer aufbewahren.»