Sonntag, September 29

Ein deutscher Psychologe wurde zu einer mehrjährigen Freiheitsstrafe verurteilt, weil er versucht haben soll, einen Freund anzustiften, Menschen zu erschiessen. Jetzt erhält der Mann sogar 220 000 Franken zugesprochen.

Im März 2021 stand ein heute 55-jähriger Psychologe wegen mehrfacher versuchter Anstiftung zu mehrfacher Tötung vor dem Zürcher Obergericht. Der Beschuldigte ist Buchautor, war jahrelang amtlicher Gutachter und hatte sein Berufsleben lang andere Menschen beurteilt.

Zwischen September und Dezember 2019 forderte er seinen ehemaligen besten Freund, einen Garagisten, über Whatsapp immer wieder dazu auf, drei Menschen zu erschiessen: seine damalige Partnerin, die ihn nur Geld koste, seine Ex-Freundin, die Unterhaltszahlungen forderte, und ihn, den Psychologen selber, weil er lebensmüde sei. Für die Taten bot er dem Garagisten 100 000 bis 300 000 Franken.

«Einfach ein Schwätzer»

In der Obergerichts-Verhandlung hatte der Beschuldigte 2021 allerdings beteuert: «Ich wollte nie real den Tod von irgendeiner Person.» Sein Verteidiger hatte nachgedoppelt: «Der Beschuldigte meinte es nicht ernst. Er ist einfach ein Schwätzer.» Sein Mandant habe nur von Tötungen phantasiert, als er betrunken gewesen sei oder unter Drogen gestanden habe.

Trotzdem hatte das Obergericht den Beschuldigten, der drei Kinder von drei verschiedenen Frauen hat und sich 2015 von einer älteren, adligen Frau adoptieren liess und seither einen Adelstitel trägt, zu einer Freiheitsstrafe von insgesamt sechseinhalb Jahren verurteilt. Ihm waren allerdings auch noch verschiedene Verstösse gegen das Waffengesetz und das Strassenverkehrsgesetz, der Besitz einer qualifizierten Menge Kokain sowie die mehrfache Verletzung des Berufsgeheimnisses als verkehrspsychologischer Gutachter vorgeworfen worden.

Im Urteil, welches das Obergericht damals erst zweieinhalb Monate nach der Verhandlung, am 25. Mai 2021, fällte, wurde der Beschuldigte auch noch zu einer Geldstrafe von 180 Tagessätzen à 200 Franken und 1000 Franken Busse verurteilt. Zudem wurde er für zehn Jahre des Landes verwiesen.

Der Psychologe legte beim Bundesgericht Beschwerde ein. Dieses stellte mehrere Mängel in der Sachverhaltserstellung fest, hob im August 2022 den Entscheid des Zürcher Obergerichts auf und wies die Sache zur Neubeurteilung zurück. Allerdings war nur noch der Vorwurf der mehrfachen versuchten Anstiftung zur Tötung neu zu beurteilen. Dafür wurde das schriftliche Verfahren ohne eine erneute Gerichtsverhandlung angeordnet. Nun liegt das schriftliche Urteil vor.

«Offensichtlich nicht ernst gemeint»

Das Obergericht kommt in seiner Neubeurteilung zu dem Schluss, dass die zahlreichen Text- und Sprachnachrichten, die der Beschuldigte nachweislich an den Garagisten geschickt hatte, zwar Tötungsaufforderungen enthielten. Diese seien jedoch «offensichtlich nicht ernst gemeint» und von ihm meist in alkoholisiertem Zustand versandt worden. Deshalb seien die Nachrichten von seinem Bekannten auch nie als ernsthafte Tötungsaufforderungen verstanden worden.

Der Beschuldigte habe deshalb gar nie damit rechnen müssen, dass der Garagist plötzlich zur Tat schreiten würde. Der Psychologe wurde von der Anklage wegen des Versuchs der mehrfachen Anstiftung zu mehrfacher vorsätzlicher Tötung freigesprochen. Für die verbleibenden Schuldsprüche in den anderen Straftatbeständen verhängte das Obergericht neu eine Freiheitsstrafe von noch eineinhalb Jahren, eine Geldstrafe von 160 Tagessätzen à 100 Franken und 900 Franken Busse. Eine Landesverweisung fiel dementsprechend weg.

Der Beschuldigte hat bereits 1289 Tage Untersuchungs- und Sicherheitshaft sowie vorzeitigen Strafvollzug abgesessen, was das neue Strafmass um 580 Tage übersteigt. Dafür erhält er nun eine Genugtuung von 116 000 Franken zugesprochen. Hinzu kommt eine Entschädigung für wirtschaftliche Einbussen von 104 700 Franken. Weitere Forderungen von ihm wurden vom Obergericht abgewiesen.

Urteil SB220512 vom 16. 7. 2024, noch nicht rechtskräftig.

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