Sonntag, Dezember 1

Peinlich berührt von den eigenen Leistungen verschiebt der HC Lugano sehr kurzfristig eine Zeremonie zu Ehren der Klublegende Régis Fuchs. Und blamiert sich dann gegen Gottéron aufs Neue. Wie lange kann sich der erfolglose Coach Luca Gianinazzi noch halten?

Kurz vor dem Mittag verschickt der HC Lugano am Samstag eines der bemerkenswertesten Communiqués in der jüngeren Geschichte des Schweizer Eishockeys. Darin steht: «In dem Bewusstsein, dass die jüngsten Leistungen der Mannschaft auf dem Eis weder der Geschichte des Clubs, den Erwartungen noch der Leidenschaft ihrer Fans gerecht werden, hat der Hockey Club Lugano schweren Herzens beschlossen, die für heute Abend in der Cornèr Arena geplante Zeremonie zu Ehren von Régis Fuchs zu verschieben. Das derzeitige Gefühl der Enttäuschung unter den Fans bietet nicht die richtige Atmosphäre, um eine Legende des Clubs und seine Aufnahme in die Hall of Fame gebührend zu feiern.»

Es sind recht viele Worte um zu sagen: Wir schämen uns für die eigenen Leistungen, sie sind einer Ikone wie Régis Fuchs nicht würdig. Fuchs, 54, war in weniger trüben Tagen Luganos Captain; er gewann in der Resega drei Meistertitel. «Le Matin» hatte Fuchs in ergriffener Vorfreude diktiert, dass es ihn überrascht habe, in die Hall of Fame «eines so stolzen Klubs» aufgenommen zu werden. Man darf davon ausgehen, dass die Surprise des Romands noch ein bisschen grösser war, dass die Festivitäten knapp sechs Stunden vor dem geplanten Start abgesagt wurden.

Es ist ein Vorgang, den man nicht für möglich gehalten hätte. Aber Lugano sprengt in diesem Winter in vielerlei Hinsicht immer wieder aufs neue die Vorstellungskraft. Die Darbietungen der letzten Wochen hatten oft die Schaurigkeit eines Stephen-King-Romans. Lugano hat fünf der letzten sechs Spiele verloren und blamierte sich mit teilweise desillusionierenden Auftritten. In der Tabelle ist das Team auf Platz 13 abgerutscht, ein Frevel angesichts der Tradition und vor allem des Budgets dieser Organisation. Seit der Rückkehr in die NL von 1982 hat Lugano nie eine Saison schlechter als auf dem 10. Rang abgeschlossen. Es droht jetzt die ultimative Erniedrigung.

Nur der Tabellenletzte Ajoie hat mehr Tore kassiert als Lugano

Dabei hatte der Sportchef Hnat Domenichelli in sommerlicher Zuversicht davon gesprochen, dass die Mannschaft «den nächsten Schritt» machen müsse. Nach vier Jahren des Scheiterns im Play-off-Viertelfinal bedeutete das: Zumindest eine Play-off-Serie gewinnen. Davon ist Lugano in der heutigen Verfassung weiter entfernt als Zürich von einem halbwegs passablen Fussballstadion.

82 Tore hat Lugano in 24 Partien bereits erhalten, obwohl nicht viele Teams sich eine kostspieligere Abwehr leisten als die Tessiner, davon alleine 20 in den letzten vier Spielen. Am Samstag reiste Gottéron ohne seinen verletzten Topskorer Marcus Sörensen an und erzielte trotzdem mühelos fünf Treffer. Es war eine Art selbsterfüllende Prophezeiung: Mit der Mitteilung vom Mittag signalisierte die Klubführung, dass sie diesem Ensemble eigentlich nichts zutraut, ausser sich zum Gespött zu machen. Und die Mannschaft sagte sich dann: Gut, dann wollen wir das gleich einmal bestätigen. Die Ultras der Curva Nord rollten nach Schlusspfiff ein Spruchband aus, auf welchem sie der Equipe vorwarfen, «das Blut und den Schweiss dieser Stadt zu entehren».

In Lugano sind schon für deutlich weniger existenzielle Krisen Köpfe gerollt, und es fragt sich, wie lange die Vereinsführung dieses sportliche Desaster noch aussitzen kann. Auch nach mehr als zwei Jahren ist nicht ganz klar, was den Trainer Luca Gianinazzi eigentlich dazu befähigt, diese Mannschaft anzuleiten.

Gianinazzi, 31, war Luganos Versuch, das Modell von Ambri-Piotta zu kopieren und auf einen jungen Coach aus den eigenen Reihen zu setzen. Das würde a) für Goodwill sorgen und hätte b) den willkommenen Nebeneffekt, dass der Familie Mantegazza nicht ständig entlassene Trainer die Lohnliste belasten. Man tut Gianinazzi nicht unrecht, wenn man sagt, dass er mit einem anderen Namen und einem, sagen wir, kanadischen Pass, längst Geschichte wäre. Das auffälligste Charaktereigenschaft seines Teams ist in diesen Wochen, dass es beim ersten Anflug von Widrigkeiten in seine Bestandteile zerfällt. Am Freitag verspielte Lugano beim Schlusslicht Ajoie in weniger als vier Minuten einen 3:0-Vorsprung.

Bisher ist der Coach trotz schwachen Resultaten krampfhaft gestützt worden. Der Sportchef Domenichelli hat bei jeder Gelegenheit betont, dass Gianinazzi der letzte von ihm eingestellte Trainer sein werde, was das Schicksal der beiden Männer untrennbar verknüpft. Domenichelli stärkte Gianinazzi gegenüber Tessiner Medien auch nach dem sportlichen Offenbarungseid vom Samstag.

Bei der Selektion der Ausländer hatte Lugano zuletzt wenig Fortune

Nur könnte die Luft auch für ihn langsam dünn werden. Zwar gelingen ihm immer wieder respektable Transfers, in der Quersumme aber funktioniert das Kollektiv auch in der sechsten Saison seit seiner Einstellung offenkundig nicht. Und bei der Selektion der Ausländer scheint ihm nicht zum ersten Mal die Fortune zu fehlen: Die beiden bisher wenig produktiven tschechischen Stürmer Jiri Sekac und Radim Zohorna sassen am Samstag überzählig auf der Tribüne. Zohorna hatte erst im Sommer den Finnen Arttu Ruotsalainen ersetzt, dessen Vertrag aufgrund von ungenügenden Leistungen vorzeitig aufgelöst worden war. Ruotsalainen hatte in der Saison 2023/24 fünf Tore zustande gebracht – in Kloten waren es ein Jahr zuvor 18 Treffer gewesen. Er reiht sich in eine lange Liste von Akteuren ein, die in den letzten Jahren in Lugano ihr Handwerk auf rätselhafterweise verlernten.

Die Klubführung um die Präsidentin Vicky Mantegazza hat mit dem Duo Domenichelli/Gianinazzi reichlich Geduld gezeigt. Nach diesem rabenschwarzen Samstag mit der unerhörten Peinlichkeit, eine Klublegende aufgrund von sportlichem Versagen wieder ausladen zu müssen, könnte sie aufgebraucht sein.

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