Gesuche für Ausbildungsbeihilfen sollen rascher bearbeitet werden können. Was heisst das konkret?
Gesetzesanpassungen führen oft zu mehr Bürokratie, auch wenn sie die Bürger und die Verwaltung eigentlich von Papier- beziehungsweise Online-Kram entlasten sollten. Dieses Phänomen liess sich in den vergangenen Jahren auch beim Zürcher Bildungsgesetz beobachten, in dem das Stipendienwesen geregelt ist.
Die jüngste Reform der Beihilfen für Schüler, Lehrlinge, Studierende und Berufstätige in Weiterbildung hat die meisten ihrer Zwecke erfüllt. So konnte die Quote der Bezüger seit Inkrafttreten der damaligen Gesetzesrevision Anfang 2021 deutlich erhöht werden. Heute profitieren rund 20 Prozent mehr Personen von Unterstützungsbeiträgen als in den Jahren davor, wie André Woodtli, der Chef des kantonalen Amts für Jugend und Berufsberatung, am Dienstag vor den Medien in Zürich sagte.
Die meisten Stipendien gehen an junge Menschen, die eine Lehre absolvieren. 2022 stand diese Gruppe für weit über 3000 Stipendiatinnen und Stipendiaten. Danach folgten Studierende an Universitäten und Fachhochschulen (rund 1200 Personen) sowie Gymnasiasten (rund 470).
Die Berechnung allenfalls zu erwartender Unterstützungsleistungen ist transparenter geworden, ein Stipendienrechner auf der Website des Kantons vermittelt eine Vorstellung, ob man beitragsberechtigt ist oder eher nicht und wie hoch ein Stipendium oder Darlehen ausfallen könnte. Und man habe Anreize setzen können, damit Stipendiaten ihre Ausbildung rasch abschlössen, sagte Woodtli.
Keine Angst vor Betrügern
Ein wichtiges Ziel allerdings hat die Stipendienreform nicht erreicht: Die Bearbeitung der Gesuche wurde nicht einfacher, sondern noch komplizierter – mit unschönen Folgen für all jene, die sich um eine Ausbildungsbeihilfe beworben haben. Bis sie einen Entscheid erhielten, dauerte es oft länger als ein halbes Jahr.
Dieses Problem hat die Verwaltung in der Zwischenzeit zwar in den Griff bekommen. Das Amt stellte zusätzliche Sachbearbeiterinnen ein, und nach der üblichen Einarbeitungszeit hatten die neuen Mitarbeitenden genug Routine, um die Gesuche deutlich schneller abzuarbeiten als zu Beginn. Lehrlinge und Studenten werden nicht mehr über mehrere Monate im Ungewissen gelassen. Seit diesem Jahr dauert es laut Bildungsdirektion nur noch knapp sieben Wochen, bis Kandidaten für ein Stipendium oder ein Darlehen erfahren, ob sie vom Kanton finanziell unterstützt werden oder nicht.
Aber das reicht der Bildungsdirektorin Silvia Steiner (Mitte) nicht. Sie will das Zürcher Stipendienwesen grundsätzlich vereinfachen. Lehrlinge und Studenten aus finanzschwachen Familien sollen nicht mehr doppelt und dreifach beziehungsweise jedes Jahr aufs Neue belegen müssen, dass sie Anrecht auf eine Ausbildungsbeihilfe haben. «Diese Regeln stammen aus einer Zeit, als man grosse Angst vor Sozialbetrügern hatte», sagte Steiner im Februar 2023, als die Regierung beschlossen hatte, die Anforderungen für Stipendiatinnen und Stipendiaten zu entschlacken. «Nun ist die Zeit reif für eine Entbürokratisierung.»
Konkret heisst das:
- Kandidaten sollen nicht mehr selber entscheiden müssen, ob sie sich um ein Stipendium (à fonds perdu) oder um ein Darlehen bewerben sollen, das sie eines Tages zurückzahlen und verzinsen müssen.
- An die Stelle eines komplizierten Wahlmodells tritt ein Dreistufenmodell: 15- bis 28-Jährige können sich um Stipendien bewerben, die ihnen ein Auskommen ermöglichen sollen. Zwischen 28 und 35 Jahren kann man sich ebenfalls um ein Stipendium bewerben. In dieser Phase jedoch müssen Kandidaten mehr tun, um ihren Lebensunterhalt zu finanzieren: Die Beiträge, mit denen ihnen der Staat unter die Arme greift, sinken. Gleiches gilt für über 35-Jährige, die sich künftig um ein zinsloses Darlehen bewerben können sollen.
- Statt jahrelang Rechenschaft über Budget und persönliche Finanzen ablegen zu müssen, sollen Stipendiaten im Studium oder in der höheren Berufsbildung nur noch Beihilfen erhalten, bis sie einen entsprechenden Abschluss erreicht haben. Wer länger als fünf Jahre studiert, muss «einen angemessenen Studienfortschritt» belegen, um weitere Beiträge beziehen zu können.
- Anträge für ein Stipendium sollen nicht mehr im Monat des Ausbildungsbeginns eingereicht werden müssen. Das können Lehrlinge und Studierende neu auch rückwirkend tun, und zwar bis ein halbes Jahr nach dem Start der Ausbildung oder des Studiums. Die Bildungsdirektion hofft, dass sich die Stipendiengesuche so besser übers Jahr verteilen – und damit weiterhin speditiv bearbeitet werden können.
10 000 Franken pro Jahr
Bedenken, dass das neue Regime zwar schneller, aber auch laxer sein könnte, haben Woodtli und seine Vorgesetzte Silvia Steiner nicht. Die Bildungsdirektorin liess durchblicken, dass sich niemand in Ausbildung einer weiterhin eingehenden Prüfung unterziehe, um das subsidiäre Stipendiensystem des Kantons zu betrügen. Die ausgezahlten Beiträge blieben bescheiden, sagte Steiner am Dienstag. Im Studium und der höheren Berufsbildung erhalten Zürcher Stipendiaten im Durchschnitt jeweils 10 000 Franken pro Jahr.
Über Steiners Reform der Stipendienreform wird nun der Kantonsrat zu befinden haben.