Sonntag, September 29

Das Gebäude in seiner bisherigen Gestalt zu erhalten, ist nicht trivial.

Das vielleicht eigenwilligste Gebäude am Zürcher Seeufer leuchtet in der Sonne, als sei es unerschütterlich. Golden spiegelnde Fenster und korrodierter Stahl. Doch der schöne Schein trügt. Die Pyramide am See aus den 1960er Jahren ist nur noch ein Hauch ihrer selbst, der Rost hat ihre Fassade aufgefressen.

Das Haus, das laut seinem Architekten Justus Dahinden einst nur dank einer List gebaut werden konnte, wurde zum Baudenkmal erhoben und erweist sich jetzt, vier Jahre nach Dahindens Tod, zugleich als aufsehenerregende Fehlkonstruktion. Die Anlagestiftung des Zurich-Versicherungskonzerns, der es gehört, muss es im kommenden Jahr aufwendig sanieren lassen.

Die 1993 gegründete Schönheitsklinik Pyramide verlässt daher bis Ende Jahr jenes Gebäude, das ihr den Namen geliehen hat, und kehrt nicht mehr zurück. Der auf chirurgische Eingriffe spezialisierte Betrieb zieht laut einer Medienmitteilung an den Zürichberg und wird dort in die Privatklinik Bethanien integriert. Diese gehört zur selben Gruppe, dem Swiss Medical Network.

Frühere Pläne, in einen Neubau nach Küsnacht zu ziehen, wurden offenbar verworfen. Durch den Umzug an den Berg spart die Gruppe bis zu zwei Millionen Franken im Jahr, sie erwartet entsprechend höhere Margen. Die vorerst letzte Schönheitsoperation in der Pyramide am See soll Ende November stattfinden.

Das Haus selbst hat mehr als nur ein Facelifting nötig. Die Fassade muss – unter Beaufsichtigung der Zürcher Denkmalpflege – komplett ersetzt und energetisch verbessert werden. Zudem sind auch Eingriffe im Innern des Gebäudes notwendig.

Wie die Pyramide danach genutzt wird, ist noch unklar. Die Zurich-Anlagestiftung meldete im Frühling zwar, dass die Bemühungen um eine Neuvermietung auf «positive Resonanz» gestossen seien. Aber viel weiter ist man seither offenbar nicht gekommen. Ein Sprecher sagt nun, es seien zurzeit «diverse Gespräche» am Laufen. Mehr könne man nicht preisgeben.

Der Architekt will damals mit einer Finte alle getäuscht haben

Ein Blick auf die Sanierungspläne verrät immerhin: Zu einem luxuriösen Wohngebäude an bester Lage wird die Pyramide kaum umfunktioniert. Die Aufteilung der unteren Geschosse deutet vielmehr darauf hin, dass diese wie ursprünglich als Büroräume gedacht sind. Auch die beiden obersten Stockwerke, in denen sich einst zwei Wohnungen befanden, werden schon länger nicht mehr als solche genutzt.

Für das Zürcher Architekturbüro Sam, das sich seit rund sechs Jahren mit der Sanierung der Pyramide befasst, hat sich die Aufgabe als komplex erwiesen. Denn der Zürcher Stadtrat hat das Gebäude Ende 2021 im Einvernehmen mit der Zurich-Anlagestiftung unter Schutz gestellt, um es für die Nachwelt zu erhalten. Begründung: Es zeuge mit seiner futuristischen Form und der Verwendung neuer Baumaterialien vom Aufschwung der 1960er Jahre.

Sacha Menz und Andrea Gubler vom Büro Sam merkten bei ihren Recherchen schnell, dass Dahinden in seiner Heimatstadt den Ruf eines Architekturheiligen geniesst. Zugleich stellt das, was dessen Faszination ausmachte, seine Nachfolger heute auch vor Probleme: Der Zürcher war ein eigenwilliger Kopf, der sich nicht um Konventionen scherte.

Dies zeigte sich beispielhaft bei einem Auftritt an der ETH, vierzig Jahre nach dem Bau der Pyramide, als Dahinden an der Legende von deren Entstehung spann. Der damals 83-Jährige, weisse Sturmfrisur und weisser Schnurrbart, erzählte vergnügt, dass die Bauvorschriften am See eigentlich etwas weitaus Banaleres vorgesehen hätten. Drei Sockelgeschosse und, zurückversetzt, zwei Obergeschosse.

Das sei für ihn nicht infrage gekommen, als er vom schwedischen Metallproduzenten Ferrolegeringar den Auftrag zum Bau des Wohn- und Geschäftshauses bekommen habe, sagte Dahinden. «An dieser sensationellen Lage am Zürichsee darf ich doch keine gerade Kiste bauen.» Also habe er zu einer List gegriffen: Er habe ein anderes Projekt eingegeben, als er tatsächlich habe realisieren lassen, und die Baustelle verhüllt, damit man dies nicht bemerkt habe.

Die Entscheidungsträger seien aber eingeweiht gewesen und hätten mitgespielt, auch der Stadtbaumeister. «Dann kamen die Lumpen weg», sagte Dahinden, «und ich habe mich verkrochen.» Das Echo in den Zeitungen war ungnädig, als die Pyramide zum Vorschein kam: «Raumstation», «Rosthaufen». Dahinden wurde vorgeworfen, mit seiner Eigenwilligkeit das Stadtbild zu zerstören.

«Jedem ist klar, dass sie nicht genau so erhalten werden kann»

Ob sich die Geschichte genau so zugetragen hat? Die Architekten vom Büro Sam haben ihre Zweifel. Ein anderer Entscheid Dahindens ist aber unbestritten und erweist sich heute als Nachteil: Er hat für die Fassade als Erster in der Schweiz den wetterfesten Cortenstahl verwendet – laut einem zeitgenössischen Bericht im vollen Bewusstsein, welche technischen Probleme dadurch entstehen.

Die Theorie war, dass sich auf dem Stahl eine Rostschicht bildet, die ihn vor weiterer Korrosion schützt. Doch die Technik war noch nicht ausgereift, man hatte kaum Erfahrung damit. Schon wenige Jahren nach dem Bau traten erste Mängel auf.

«Diese Fassade mit diesem Material – das funktioniert nicht», sagt Samuel Thoben, Projektleiter bei Sam. «Die Stahlplatten sind heute nur noch hauchdünn.» Für die Sanierung stellt sich dadurch ein Problem. «Die Wirkung der Fassade ist geschützt, aber jedem ist klar, dass sie nicht genau so erhalten werden kann.»

Die Lösung: Der Stahl soll nun durch Aluminium ersetzt werden, das eingefärbt wird, damit es optisch ähnlich aussieht. In den obersten Stockwerken wurde etwas Ähnliches in den neunziger Jahren von Dahinden selbst schon einmal versucht. Vor der Pyramide am See wird diesen Herbst ein Fassadenmodell aufgestellt, um den Effekt zu veranschaulichen.

Die Baubewilligungen für die Sanierung sind laut dem städtischen Hochbauamt erteilt. Geht alles nach Plan, bekommt die Zürcher Pyramide ab Anfang 2025 ein neues Gewand. Eines, das sie vielleicht nicht ganz so dauerhaft macht wie jene mittelamerikanischen Tempelbauten, die Dahinden als Vorbild dienten. Aber doch ein bisschen robuster.

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