Samstag, November 23

Der Luzerner Kabarettist erklärt, warum er Trump nie parodieren würde, was ihn zu Beginn seiner Laufbahn bremste – und was ihn im hohen Alter noch derart antreibt.

Herr Steinberger, soeben haben wir beide auf einer Kino-Toilette mit der Technik gekämpft: ein Lavabo, das gleichzeitig ein Händetrockner sein soll . . .

. . . und bevor man die Hände überhaupt gewaschen hat, kommt Luft aus den Düsen. Da brauchte es eine mehrseitige Gebrauchsanweisung. Und eines Tages kann man sicher auch noch eine Suppe rauslassen. Manchmal habe ich das Gefühl, es ist eine Neuzeit angebrochen, in der alles immer blöder wird.

Ihr Alter Ego Emil auf der Bühne kämpfte auch oft mit den Tücken des Alltags.

Ich schöpfte mein Material stets aus Beobachtungen, etwa wenn mir jemand begegnet war, der ständig einfach weiterredete, obwohl ich mehrmals sagte, ich müsse auf den Zug.

Reizte es Sie nie, politisches Cabaret zu machen?

Nun, eigentlich wüsste ich, wie man politische Themen auf die Schippe nimmt. In den achtziger Jahren bot sich etwa das Waldsterben an, zu dem Medien groteske Szenarien des Weltuntergangs ausmalten. Aber ich wollte meine Alltagsbeobachtungen nicht mit Politik vermengen. Allerdings gab es eine Zeit, da ich es satthatte, den Guignol ohne politische Wirkung zu geben. Auch darum hängte ich den Emil in den neunziger Jahren vorübergehend an den Nagel und ging nach New York.

Jetzt hat Amerika seinen Präsidenten gewählt, Trump liefert Steilvorlagen für Parodisten.

Schon damals sagte ich, ich würde niemals mit einer amerikanischen Kapsel ins All fliegen. Die sind mir zu unzuverlässig, gerade im Handwerk. Wie etwa Telefontechniker in Amerika Kabel verlegen, da bekäme ein Schweizer Monteur einen Infarkt. Und nun hat eine Mehrheit für diesen Trump gestimmt, der einfach drauflosstürmt. Ein trauriges, blödes Kapitel, ich mag es gar nicht diskutieren. Aber Prominente habe ich ohnehin nie parodiert, das liegt mir nicht.

Können Sie selbst sich im politischen Links-rechts-Schema einordnen?

Eher nicht. Das zeigte sich schon daran, dass mich früher diverse Parteien auf ihre Wahllisten setzen wollten – über das ganze politische Spektrum hinweg. Ich folge keinen Parteiparolen, sondern der Vernunft und Zukunftsgedanken.

Abseits der Bühne äusserten Sie sich immer wieder zu politischen Themen. Vor drei Jahren sagten Sie in einem Interview, seit der Filmsatire «Die Schweizermacher» von 1978 habe sich im Grunde nichts geändert in der Einbürgerungspraxis hierzulande. Ist das so?

Gerade kürzlich wurde der Film wieder einmal vorgeführt, in Zug. Und es stellte sich heraus, dass eine Reihe von Zugewanderten im Publikum sassen, um zu erfahren, was bei Einbürgerungen verlangt wird. Es ist tatsächlich immer noch genau das Gleiche, das ärgert mich grausam. Jedes Dörfchen hat sein eigenes Gremium, das entscheidet, wer den Schweizer Pass erhält und wer nicht. Die Fragen, die da gestellt werden, sind zum Teil schikanös. Und am Schluss gibt es noch den Ausschlag, dass man den Namen des Dorfmetzgers nicht kennt. Das ist doch Kabarett. Es muss eine klare übergeordnete Regelung geben, was erfüllt sein muss. Der Film und sein Humor funktionieren übrigens noch heute sehr gut, das ist ein Kompliment an den Regisseur Rolf Lyssy.

Ihre besten Bühnennummern altern ebenfalls prima. Allerdings ist das Tempo der Comedy heutzutage deutlich verschärft. Könnten Sie in diesem Umfeld noch reüssieren?

Ginge es nur um den Text, würde ich die Sketches vermutlich auch schneller spielen. Wenn aber Mimik und Gestik mitentscheidend sind, reduziert man automatisch das Tempo, damit das auch wahrgenommen werden kann. Humor funktioniert nicht, wenn er bei einem Ohr rein- und beim anderen gleich wieder rausgeht. Er muss in irgendeiner Weise das Herz berühren und mehr bewegen als vielleicht für ein paar Sekunden die Lachmuskeln. Wenn man heutigen Kindern meine Sketches zeigt, sind sie davon sofort in Bann gezogen. Die sogenannte Langsamkeit ist da also verblüffenderweise überhaupt kein Hindernis.

Erst recht war es das 1970 nicht, als die NZZ Ihren ersten Soloauftritt in Zürich in höchsten Tönen pries. Sie hielt fest, es gebe einen neuen Schweizer Kabarettisten, was allein schon Seltenheitswert habe.

Dabei hatte ich gar nicht kommen wollen und hatte sehr bezweifelt, dass mich das Publikum akzeptieren würde in dieser Stadt, wo jedes Musical teuer ausgestattet war und Kabarettisten wie Cés Keiser massgeschneiderte Kostüme trugen. Doch aus geplanten fünf Abenden im Bernhard-Theater wurden dann vier Monate. Und als mir schliesslich einer sagte, selbst an der Universität oben würden sie jetzt reden wie Emil, hiess das für mich: Ich war angekommen, nicht nur beim Publikum der einfachen Unterhaltung.

Ihr Emil war auch in Deutschland ein Grosserfolg, wurde als präziser Blick auf das helvetische Spiessertum gefeiert. Und die Deutschen, so heisst es, lernten uns dafür zu lieben. Zementierten Sie damit nicht das Bild der unbeholfenen, verklemmten, überkorrekten Schweizer?

Ich schuf einfach Figuren, die in der Romandie ebenso funktionierten wie in Deutschland und vielen anderen Ländern, was mir immer wieder von Chinesen, Marokkanern und vielen anderen aus fernen Ländern bestätigt wird. Mein Geschäftsmann zum Beispiel könnte ebenso gut von anderswoher kommen. Ich behauptete auf der Bühne ja nicht, wir Schweizer seien so. Sie fassten das in Deutschland dann einfach so auf, und vor allem die Presse wollte meinen Erfolg dort so erklären.

Werden Sie eigentlich immer noch als «Emil» angesprochen auf der Strasse und geduzt, weil alle Sie mit Ihrer Kunstfigur gleichsetzen?

Erstaunlicherweise kommt das kaum mehr vor. Aber es störte mich auch nie, zumal fast alle dabei hochanständig blieben und das richtige Distanzgefühl zeigten. Allerdings kommt es noch immer vor, dass ein Wildfremder mir auf die Schulter haut mit der Bemerkung, wir hätten uns hier oder dort einmal gesehen.

Ich kann wegen eines Ihrer Sketches bis heute kaum von Ostern reden, ohne «Ogtern» mitzudenken. Was bedeutet es Ihnen, dass Ihre Pointen und Figuren Teil der Schweizer Volkskultur geworden sind?

Dem Abt von Einsiedeln geht es ähnlich wie Ihnen, wie er mir anvertraut hat. Schauen Sie, ich bin keiner, der darüber grübelt, was er erreicht hat. Ich kann nicht einmal sagen, dass ich mich darüber freue. Denn das hiesse ja, ich hätte das Ziel gehabt, berühmt zu werden. Das hatte ich so wenig wie missionarische Absichten.

Ihre Eltern verwehrten Ihrer Kunst von Anfang an die Anerkennung. Manche treibt solch frühe Ablehnung erst recht an, aus Rebellionslust, andere blockiert sie total. Was überwog bei Ihnen?

Es war jedenfalls nicht so, dass es mich angetrieben hätte, es erst recht zu versuchen. Das hätte nur Krieg im Haus gegeben. Ich lebte bei meinen Eltern, bis ich dreissig war, und wollte mich nicht noch mehr mit ihnen anlegen.

TYPISCH EMIL - Offizieller Trailer (OV/d)

Es hat Sie also gebremst?

Ja, zumindest im Gemüt sehr stark. Es kam vor, dass ich auf dem Weg von zu Hause zum Theater weinte: Ich verstand einfach nicht, warum sie keine Freude hatten an dem, was ich machen wollte. Auch als ich längst Erfolg hatte, fand die Mutter noch, das seien alles Dummheiten, mit denen ich hoffentlich bald einmal aufhören würde. Und meine Erinnerung trügt mich da nicht: Meine Frau Niccel stiess neulich im Archiv auf ein späteres Interview mit ihr, in der sie ziemlich wörtlich das sagte.

Was ist Ihre Erklärung dafür?

Das ist noch immer schwer zu verstehen für mich, auch wenn ich es immer wieder versuche. Mir ist schon klar, dass meine Eltern in Kriegszeiten eine fünfköpfige Familie durchgebracht hatten und fanden, wie ich Schöberli da so Lappi-Züüg auf der Bühne machen könne, das mit der Ernsthaftigkeit des Lebens nichts zu tun habe. Ich stelle jedenfalls fest, dass meine Mutter im Grunde alle drei Kinder fernsteuerte in Sachen Berufswahl. Ich machte die Verkehrsschule, weil sie fand, ich sollte das tun, ein Bruder wurde Bankdirektor, meine Schwester Chefin der Telefonauskunft. Gut, ich muss zugeben, dass ich anfangs nicht wusste, was ich werden sollte, das war eine Schwäche von mir. Der Berufsberater schlug mir alles Mögliche vor, Goldschmied, Tapezierdekorateur, Coiffeur.

Sie wurden dann Schalterbeamter bei der Post, wo Sie jahrelang Inspiration für spätere Bühnennummern sammelten. Im Rückblick auf Ihre Karriere sagen Sie, es sei Ihnen eigentlich alles gelungen, was Sie angepackt hätten. Wie wirkten die frühen Verletzungen nach?

Mein Erfolg entschädigte mich später für vieles. Aber die Situation im Elternhaus prägte mich. Ich musste damals lernen, alles heimlich zu machen: Auf die Aufnahmeprüfung für die Kunstgewerbeschule bereitete ich mich heimlich vor, ich übte das Zeichnen und Malen auf dem Nachttischchen und mit einem Tonbandgerät in meinem Schlafzimmer bei geschlossener Türe meine Nummern. Da gewöhnte ich mir fürs Leben an, niemanden zu fragen, einfach zu machen. Ich sage auch jetzt nicht, was ich als Nächstes anpacken werde, wenngleich ich das ständig gefragt werde.

Mit Ihren 91 Jahren wirken Sie nicht annähernd so selbstbezogen wie viele im hohen Alter und sagen oft, noch einiges vorzuhaben. Ist Lachen – und andere zum Lachen zu bringen – Ihr Elixier?

Das ist sicher eine Medizin. Die beste aber ist Neugierde. Seit Jahren ist das mein Motto: Man soll neugierig sein und interessiert an allem, was auf dem Tisch des Lebens präsentiert wird. Es sind die vielfältigen Interessen, die verhindern, dass ich mich nur mit mir selbst auseinandersetze und ständig an mir herumdoktere. Im Leben ist alles andere interessanter als ich selbst: Ideen kommen, daraus erwachsen Pläne. Niccel unterstützt mich seit bald dreissig Jahren in allem, hat jedes Projekt mit mir zusammen angepackt. Sie ist der wichtigste Grund dafür, dass ich noch immer so aktiv und voller Tatendrang bin. Die entscheidende Frage ist bei mir stets: Was gibt es noch zu tun, was fehlt noch? Und es fehlt noch vieles.

«Typisch Emil» im Kino

urs. · Emil weiss nicht, wohin mit den Händen und den Wörtern, wieder und wieder versucht er vergeblich, Ordnung ins Chaos des Alltags zu bringen: Das Alter Ego des 1933 in Luzern geborenen Emil Steinberger auf der Bühne gehört längst zur helvetischen Volkskultur. Nun wird den beiden im Dokumentarfilm «Typisch Emil» im Kino ein Denkmal gesetzt. Nachgezeichnet wird der Aufstieg des einstigen Postbeamten zu einem der begehrtesten Schweizer Künstler der siebziger und achtziger Jahre, mit selbstgewähltem Karriereknick vor der Jahrtausendwende, ehe er Frieden schliesst mit seiner Bühnenfigur und seinem Erfolg. Und eine Montage von «Blick»-Kioskaushängen zeugt vom Höhepunkt seiner Popularität: «Warum Emil Luzern verlässt», «Emil als Spion verhaftet», «Emil will in die Uno», «Emil will den Bundesrat abschaffen», «Emil muss Emil bleiben» . . . Das Ehepaar Emil und Niccel Steinberger prägt diesen Film vor und hinter den Kulissen, es hat das Drehbuch mitverfasst und gewährt Einblicke in seinen heutigen Alltag. Ein Emil-Werbespot ist unter der Regie des auf Werbefilme spezialisierten Phil Meyer nicht entstanden; aber ein durch und durch positiver, nur leicht an der Oberfläche kratzender Blick auf diese gewinnende Persönlichkeit – und auf das hohe Alter. In einem Moment wünscht man sich eine künstlerisch originellere Hommage an diese Ikone, im anderen sagt man sich: Dass das kein filmisches Feuerwerk geworden ist, ist womöglich auch typisch Emil.

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