Der Genfer Rohstoffkonzern wechselt die Geschäftsleitung. Der neue CEO steht vor grossen Herausforderungen.
Der Genfer Rohstoffkonzern Trafigura bekommt einen neuen CEO: Wie das Unternehmen am Dienstag mitteilte, übernimmt der 39-jährige Brite Richard Holtum ab dem 1. Januar die Konzernleitung.
Wie Trafigura in seiner Medienmitteilung schreibt, habe Holtum den Weitblick, die internationale Perspektive und die Expertise, um das Unternehmen durch die nächste Entwicklungsphase zu führen. Die Übergabe der Geschäftsleitung sei während der letzten drei Jahre geplant worden, um einer neuen Führungsgeneration Platz zu machen.
Der bisherige CEO Jeremy Weir wird Vorsitzender des Verwaltungsrats.
Holtums steiler Aufstieg
Richard Holtum ist in der Hierarchie des Unternehmens rasch aufgestiegen: Nach zwei Jahren beim Konkurrenten Glencore begann er seine Laufbahn bei Trafigura 2014 als Junior-Trader. Bereits fünf Jahre später wurde er zum Bereichsleiter des Gasgeschäfts befördert. Seit 2022 verantwortet er den Bereich Erdgas und Strom, 2023 kam die Sparte erneuerbare Energien hinzu.
Holtum hat einen bemerkenswerten Hintergrund. Nach dem Studium an der schottischen Eliteuniversität St. Andrews verbrachte er fünf Jahre bei der britischen Armee. Er absolvierte die Militärakademie in Sandhurst und diente anschliessend als Offizier in Afghanistan, wo er afghanische Streitkräfte ausbildete.
In seinem Auftreten erfüllt Holtum viele Klischees der Branche. In seiner Studienzeit war er Captain des Poloteams und engagierte sich bei der Global Investment Group, einem Studentenverein für Finanzthemen. Holtum trägt häufig eine goldene Rolex-Uhr sowie ein Hemd mit Manschettenknöpfen und eingesticktem Monogramm. Gehoben elegant, wie es sich für einen Rohstoffhändler alter Schule gehört.
Trafigura wird immer wieder von der Vergangenheit eingeholt
Holtum ist der dritte Geschäftsführer in Trafiguras Geschichte. Sein Vorgänger Jeremy Weir hat das Unternehmen seit der Amtsübernahme 2014 zu einem Riesen geformt: Trafigura ist im letzten Jahrzehnt grösser und diverser geworden.
Trafigura ist mehr als nur ein klassischer Rohstoffhändler, unterhält beispielsweise eine Frachter- und Tankerflotte oder gibt CO2-Zertifikate heraus. Das Unternehmen beschäftigt heute mehr als 12 000 Angestellte und ist in über 150 Ländern tätig. Die Firma ist weiterhin in privaten Händen, rund 1400 Mitarbeiter sind an ihr beteiligt.
Unter Weirs Führung wurde Trafigura aber immer wieder von Skandalen eingeholt. Vor zwei Jahren wurde Trafigura zum Opfer eines Betrugsfalls: Offenbar kaufte das Unternehmen tonnenweise Nickel, das sich jedoch als wertloses Metall entpuppte. Trafigura musste daraufhin eine Abschreibung von 577 Millionen Dollar vornehmen.
Und da wären noch die Korruptionsvorwürfe, die immer wieder auf ehemalige Angestellte von Trafigura einprasseln.
Im Dezember zum Beispiel werden sich drei ehemalige Mitarbeiter von Trafigura vor dem Bundesstrafgericht in Bellinzona verantworten müssen. Ihnen wird vorgeworfen, zwischen 2009 und 2011 Schmiergelder in Angola bezahlt zu haben. Unter den Angeklagten ist Mike Wainwright, der bis März 2024 das operative Geschäft des Unternehmens leitete. Wainwright bestreitet die Vorwürfe.
Und auch die Firma Trafigura selbst wurde im Kontext des Verfahrens angeklagt: Die Bundesanwaltschaft wirft dem Unternehmen vor, nicht alle erforderlichen und zumutbaren organisatorischen Vorkehrungen getroffen zu haben, um die Bestechungsvorgänge zu verhindern. Es ist das erste Mal, dass das Bundesstrafgericht die strafrechtliche Verfolgung eines Unternehmens in Bezug auf Bestechung prüft.
Selbst wenn der Ausgang des Prozesses noch offen ist: Es sind Schlagzeilen, wie sie ein Unternehmen lieber nicht über sich lesen würde. Weir hat in der Vergangenheit öffentlich betont, dass Trafigura seine Compliance-Struktur überarbeitet habe.
Holtums grösste Herausforderung
Wohin wird Richard Holtum Trafigura führen? Laut Berichten von Bloomberg liess er kürzlich seine Philosophie in einer Rede bei einem Besuch des Singapurer Büros durchblicken. Die Firma müsse sich aufs Wesentliche konzentrieren, nämlich aufs Geldmachen.
Diese Argumentation klingt banal, wird aber selten so offen ausgesprochen. Denn Rohstoffhändler agieren auf heiklem Terrain: In Zeiten der Energiewende ist verrufen, wer noch mit fossilen Rohstoffen wie Öl und Erdgas Geschäfte macht.
Auch viele Rohstofffirmen wurden sich dessen in den letzten Jahren bewusst und betonten in Kampagnen oft Tätigkeiten wie den Handel mit Metallen, die für Batterien oder die Elektrifizierung wichtig sind.
Doch hat innerhalb der Branche diesbezüglich erneut ein Umdenken stattgefunden. Glencore etwa, der Rohstoffkonzern aus Baar, entschied sich jüngst, die Kohlesparte beim Mutterunternehmen zu behalten. Noch im November hatte Glencore mit dem Gedanken gespielt, das Kohlegeschäft separat an die Börse zu bringen und die Baarer Marke stärker auf die Energiewende auszurichten.
Die Rohstofffirmen haben Rekordjahre hinter sich: Die Pandemie hat die Lieferketten durchgeschüttelt, der Krieg in der Ukraine Engpässe bei Energiegütern verursacht. Die Dienste der Händler waren so gefragt wie noch nie. Trafigura machte in den letzten drei Geschäftsjahren Gewinne über 17 Milliarden Dollar und liess seine Partner am wirtschaftlichen Erfolg teilhaben.
Es sind Zahlen, die sich kaum überbieten lassen. Bei Gas und Öl haben sich die Preise normalisiert, und bei den Metallen sind die Preise aufgrund hoher Kapazitäten tiefer, als sich das viele Beobachter erhofft hatten. Richard Holtum ist gefordert: Er braucht ein Geschäftsmodell, das an die erfolgreichen Jahre anknüpft und die Eigner bei Laune hält.