Freitag, September 27

Dem amerikanischen Manager Erik Fyrwald blieb es verwehrt, Syngenta zurück an die Börse zu führen. Nun steckt der Schweizer Agrochemiekonzern in der Krise. Die Spannungen zwischen China und den USA drohen das Geschäft zusätzlich zu belasten.

Mit 65 Jahren wäre Erik Fyrwald im perfekten Alter, um als Topmanager aufzuhören. Vor einem knappen Jahr, Ende Oktober 2023, hatte der Basler Agrochemiekonzern Syngenta auch angekündigt, sein damaliger CEO werde zum Jahresende «in den Ruhestand» treten.

Lange Gesichter bei Syngenta

Doch Fyrwald blieb gerade einmal fünf Wochen ohne Chefposten. Bereits am 6. Februar 2024 übernahm er die Konzernleitung beim amerikanischen Schwergewicht unter den Aromen- und Riechstoffherstellern, International Flavors & Fragrances (IFF).

Der schnelle Wechsel sorgt bei Syngenta bis heute für lange Gesichter. Der Agrochemiekonzern, der mit seinen Pflanzenschutzprodukten sowie Saatgut Bauern versorgt, und die Firma IFF, deren Kunden neben Lebensmittelunternehmen vor allem Hersteller von Kosmetika sind, stehen zwar nicht im direkten Wettbewerb. Doch war vorgesehen, dass Fyrwald mit seiner langjährigen Branchenerfahrung sowie seinem internationalen Netzwerk Syngenta nicht nur als Verwaltungsratsmitglied erhalten bleiben würde. Der Konzern verständigte sich mit ihm auch darauf, dass er dem Präsidenten Li Fanrong, der aus China stammt und hauptsächlich dort vernetzt ist, als Berater zur Verfügung stehen würde.

Blitzstart bei IFF

Mitglied des Syngenta-Verwaltungsrats ist Fyrwald bis heute geblieben, auch wenn er dafür wegen seiner neuen Managementfunktion wenig Zeit haben dürfte. Als Berater des Syngenta-Präsidenten trat Fyrwald hingegen zeitgleich mit seinem Wechsel zu IFF zurück.

Bei seinem neuen Arbeitgeber gelang dem Amerikaner ein Blitzstart. Er führte das Unternehmen, das sich zuvor mit einer aggressiven Akquisitionsstrategie verzettelt hatte, auf den Wachstumspfad zurück und verbesserte im ersten Halbjahr auch die Profitabilität.

Anlegern ist dies nicht verborgen geblieben: Gegenüber dem Schlussstand vom vergangenen Jahr hat sich der Aktienkurs von IFF um 28 Prozent erholt.

Chinesische Behörden verhindern Börsengang

Für Fyrwald dürfte das gute Abschneiden an der Börse eine grosse Genugtuung darstellen, denn bei Syngenta hatte er zuvor eine gänzlich andere Erfahrung gemacht: Trotz dreijähriger Vorbereitungszeit blieb ihm verwehrt, das Unternehmen, das sich seit 2017 in chinesischem Staatsbesitz befindet, zurück an die Börse zu führen.

Von Aufsichtsbehörden in China wurden Syngenta immer neue Auflagen mit Blick auf die geplante Kotierung gemacht. Als sein Abgang als Konzernchef im Oktober 2023 verkündet wurde, dürfte Fyrwald geahnt haben, dass es mit dem Börsengang nichts werden würde. Offiziell zog Syngenta am 29. März 2024, dem diesjährigen Karfreitag, die Reissleine.

Starker Umsatz- und Ertragsrückgang

Gleichentags gab Syngenta einen dürftigen Jahresabschluss bekannt. Der Umsatz sank 2023 gegenüber dem Vorjahr um 4 Prozent auf 32,2 Milliarden Dollar. Das Betriebsergebnis vor Abschreibungen (Ebitda) fiel deutlich überproportional dazu um 18 Prozent auf 4,6 Milliarden Dollar.

Damit war die Schwächephase beim weltgrössten Anbieter von Pflanzenschutzprodukten aber nicht beendet, im Gegenteil. In der ersten Hälfte des laufenden Jahres beschleunigte sich der Umsatzrückgang auf 17 Prozent. Der Ebitda brach um weitere 36 Prozent ein.

Syngenta leidet darunter, dass es Landwirten wegen der stark gefallenen Getreidepreise an Einnahmen fehlt. Viele weichen auf günstigere Nachahmerprodukte aus, und manche verzichten, vor allem beim Einsatz von Fungiziden, sogar ganz auf das Spritzen.

Dazu kommt, dass die Lager bei Bauern und Händlern vielerorts nach wie vor gut gefüllt sind. Wie in anderen Branchen stifteten auch im Geschäft mit Agrochemikalien während der Pandemie Lieferengpässe erhebliche Verunsicherung. Kunden bestellten extra grosse Mengen, die weiter darauf warten, verbraucht zu werden.

Stellenabbau in Basel ist nur ein kleiner Teil

All diese Probleme plagen auch Konkurrenten von Syngenta wie Bayer, BASF und den amerikanischen Anbieter Corteva. Beim Basler Unternehmen kommt allerdings hinzu, dass es, verführt durch mehrere Spitzenjahre in der Landwirtschaft sowie mit Blick auf den Börsengang, überdimensionierte Strukturen aufbaute. Insgesamt schuf der Konzern in wenigen Jahren rund 10 000 zusätzliche Stellen. Dies liess das Personal auf den heutigen Bestand von rund 60 000 Mitarbeitenden ansteigen.

Seit Anfang dieser Woche läuft das gesetzlich vorgeschriebene Konsultationsverfahren mit Arbeitnehmervertretern zum geplanten Abbau von 150 Stellen am Basler Konzernsitz. Das ist aber nur ein kleiner Schritt innerhalb einer gross angelegten Restrukturierung, die der neue Konzernchef Jeff Rowe, wie Fyrwald ein Amerikaner, nun durchziehen muss. Firmenintern ist die Rede davon, dass der riesige Personalausbau der letzten Jahre mehr oder weniger rückgängig gemacht werden müsse.

Davon betroffen ist auch die in Israel ansässige Tochtergesellschaft Adama. Das Unternehmen, das auf Basis von nicht mehr patentgeschützten Pflanzenschutzprodukten eigene Formulierungen anbietet, genoss innerhalb des Konzerns lange Zeit viel Eigenständigkeit. Doch der starke weltweite Preisdruck im Geschäft mit Agrochemie-Generika sowie der Nahostkrieg, der Transporte ab Israel empfindlich verteuert, haben sein Ergebnis tief in die roten Zahlen rutschen lassen.

Rochaden im Management

Ein neuer Geschäftsführer, der Franzose Gaël Hili, soll ab dem 1. Oktober ein umfassendes Kostensenkungsprogramm bei Adama umsetzen. Sein Vorgänger, der Kanadier Steve Hawkins, wurde in die Zentrale nach Basel abberufen, um dort die vakante Position des Leiters der Konzernsparte Pflanzenschutzprodukte zu besetzen. Diesen Geschäftsbereich hatte bis zu seiner Beförderung zum CEO Rowe geführt. Auch Hawkins wird von Tag eins an stark gefordert sein. Das Geschäft mit Pflanzenschutzprodukten erlitt im ersten Halbjahr mit 21 Prozent den grössten Einbruch von allen Divisionen.

Die Herausforderungen, mit denen Syngenta konfrontiert ist, sind aber nicht nur geschäftlicher, sondern auch geopolitischer Natur. Sollten sich die Spannungen zwischen China und den USA weiter verschärfen, dürfte dies die Beziehung zwischen der chinesischen Eigentümerschaft und dem noch immer westlich dominierten Management auf eine harte Probe stellen.

Wie weiter in Russland?

Schon jetzt kämpft das Unternehmen damit, dass wegen der Pandemie Banden zwischen Mitarbeitenden in China und solchen an westlichen Standorten abbrachen oder gar nicht erst geknüpft werden konnten. Dazu gesellt sich der Krieg in der Ukraine beziehungsweise die unterschiedliche Art, wie dieser innerhalb des Konzerns eingeordnet wird.

Syngenta hat die Geschäftstätigkeit in Russland fortgesetzt und zahlt damit weiterhin Steuern an den Kreml und zugunsten seiner Kriegsmaschinerie. Aus Rücksicht auf russische und chinesische Befindlichkeiten wird der Krieg gegen die Ukraine konzernintern deshalb bis heute bloss als «Konflikt» bezeichnet.

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