Das Computersystem Alps in Lugano ist optimiert für Anwendungen der künstlichen Intelligenz. Wer es benutzen darf, könnte zum Politikum werden.
Die ETH weiht heute Samstag ihren neuen Supercomputer namens Alps in Lugano ein. Die Schweiz erhält damit einen der schnellsten Computer der Welt und eine Maschine, die auf künstliche Intelligenz optimiert wurde wie sonst kaum eine andere.
Alps wurde entwickelt, um die grossen Daten- und Rechenanforderungen der Wissenschaft zu erfüllen. Forschende können damit beispielsweise Klimamodelle simulieren, neue Inhaltsstoffe für Medikamente testen oder neue Erkenntnisse über das Weltall generieren.
Der Supercomputer besteht aus einem Cluster von über 10 700 Hochleistungs-Computerchips von Nvidia. Jeder einzelne rechnet etwa 4000-mal schneller als ein modernes Smartphone. In der Summe erreichte der Supercomputer beim letzten Test eine Leistung von 270 Petaflops pro Sekunde. Das bedeutet, er errechnete pro Sekunde 270 Billiarden Operationen. Damit schafft er es in der Rangliste der weltweit schnellsten Computer auf den 6. Platz.
Torsten Hoefler, Professor an der ETH Zürich und Spezialist für maschinelles Lernen, geht davon aus, dass sich Alps im Ranking noch verbessern könnte. «Der letzte Test ist noch nicht auf dem vollen System ausgeführt worden. Gut möglich, dass das Gesamtsystem heute nochmals schneller ist», sagt Hoefler.
Sollte sich diese Prognose bewahrheiten, ist es wahrscheinlich, dass Alps beim nächsten Test den finnischen Supercomputer namens Lumi überholt. Damit wäre Alps auf der Liste der 500 schnellsten Computer der Erde der erstplatzierte aus Europa.
Expertenpanel entscheidet über Benutzung
Der leistungsfähige Rechner weckt Begehrlichkeiten. Nebst Meteo Schweiz, das seine Wettermodelle heute schon auf Alps laufen lässt, haben sich bereits diverse Forschungsprojekte um die Rechenpower beworben. Wer den Supercomputer wann benutzen darf, entscheidet ein Panel aus Experten aus verschiedenen Naturwissenschaften.
Thomas Schulthess, ETH-Professor und Direktor des nationalen Hochleistungsrechenzentrums (CSCS), hat das Panel zusammengestellt und trägt die Verantwortung für seine Entscheide. Er sagt: Grundsätzlich stünde der neue Supercomputer Forscherinnen und Forschern weltweit offen. «Wir bemühen uns, die Zuteilung der Projekte im Sinne der Wissenschaft zu machen. Es werden Projekte vorgezogen, die in ihrem Gebiet Herausragendes bewirken.»
Auch Startups können sich bewerben
Nebst der Wissenschaft sollen zudem auch Startups, insbesondere Spin-offs von schweizerischen Universitäten, von der Rechenpower profitieren. Schulthess erwartet eine «Welle» von Bewerbungen von Jungfirmen. Auch das könnte zum Politikum werden, schliesslich verschafft der Zugang zu der Hochleistungsinfrastruktur den Startups einen Wettbewerbsvorteil. Weil dieser durch staatlich finanzierte Ausrüstung erfolgt, wirkt der Supercomputer wie eine Art indirekte Subvention.
«Das federn wir ab, indem die Startups nach maximal drei Jahren die Infrastruktur verlassen müssen», sagt Schulthess. Die Regel ist in den Richtlinien für ETH-Spin-offs festgehalten. Weiter müssen Firmen für die Rechenleistung bezahlen. Insbesondere die Stromkosten werden schnell teuer: Pro Tag dürften je nach Auslastung der Maschine schnell mehrere zehntausend Franken für den Strom anfallen.
Bereits bewilligt wurde eine Forschungskollaboration, an der Mary-Anne Hartley teilnimmt, eine Professorin an der EPFL und am Yale Institute for Global Health. Ihre Forschungsgruppe nutzte ein Open-Source-KI-Modell des Facebook-Konzerns Meta und trainierte es auf der Alps-Infrastruktur mit Gesundheitsdaten aus der Forschung.
Dabei entstand ein Large Language Model für Ärzte, das ähnlich funktioniert wie Chat-GPT: Ärzte können Fragen ans Modell stellen und erhalten Hilfe bei der Diagnosestellung. So erklärte es Hartley an einer Präsentation am wissenschaftlichen Symposium zur Einweihung von Alps am Freitagmorgen.
Big Tech hat längst mehr Leistung
Was Alps einzigartig macht, ist seine Optimierung auf KI und auf Simulationen, zum Beispiel für Wetterprognosen. «Wir haben das Cluster darauf ausgerichtet, dass Daten aus dem Arbeitsspeicher möglichst schnell in den Prozessor gebracht werden können», sagt der CSCS-Direktor Schulthess. Das sei für viele Anwendungen im KI-Bereich eine Art Flaschenhals in der Infrastruktur.
Ähnliche Zentren bauen nur Firmen, die Milliarden in ihre Rechenpower stecken. Laut dem ETH-Professor Hoefler gaben Firmen wie Meta, xAI oder Oracle bereits bekannt, dass sie Computer besässen, die etwa zehnmal grösser seien als Alps. Solche privat gehaltenen Supercomputer werden nicht in die Liste der Top 500 aufgenommen, ausser ihre Betreiber melden sie dafür an.
Doch obwohl der Alps-Computer im Vergleich zum grössten Rechner des Facebook-Konzerns Meta klein scheinen mag: Für europäische Verhältnisse ist er gigantisch. Alps beansprucht rund 2000 Quadratmeter und füllt damit eine kleine Fabrikhalle.
Auch sein Stromverbrauch ist massiv. Mit rund 10 Megawatt entspricht er bei voller Auslastung der Leistung von zwei Hochgeschwindigkeitszügen, sagt der CSCS-Direktor Schulthess. Die Stromkosten im Betrieb schätzt er auf 15 bis 18 Millionen Franken pro Jahr. Die Anschaffung des Systems habe um die 100 Millionen Franken gekostet, sagt Schulthess.
Wird die Schweiz künftig unattraktiv für Supercomputer?
Insbesondere die hohen Stromkosten führen dazu, dass sich Spezialisten bereits heute überlegen, wo noch grössere Rechenzentren stehen könnten: Vermutlich in Weltregionen, wo Strom günstig und Kühlung einfach ist.
«Anders als in der Vergangenheit werden wir künftig wohl nicht mehr viel effizienter rechnen können», glaubt der CSCS-Direktor Schulthess. «Wollen wir stärkere Computer, müssen wir also mehr Strom für sie bereithalten.»
Das sieht auch der ETH-Professor Hoefler so. In einem Vortrag am wissenschaftlichen Symposium am Freitagmorgen forderte er deshalb, «die Schweiz sollte dafür sorgen, dass die Stromkosten sinken». Schliesslich treibe Technologie den Wohlstand an – und Wachstum in der Computertechnologie benötige mehr Strom.
Am Samstag, 14. September, wird der Supercomputer Alps offiziell eingeweiht. Zwischen 14 und 17 Uhr steht er Interessierten am CSCS in Lugano für eine Besichtigung offen. An der Feier dazu werden Bundesrat Guy Parmelin sowie die Präsidenten des ETH-Rats und der ETH Zürich erwartet.