Bei Spanien und Argentinien kommt es an den Siegesfeiern zu Entgleisungen. Das gehört nicht einfach zum Fussball, sondern ist jämmerlich.
Ist es nicht seltsam, wenn die eigene Freude nicht genug ist? Zweimal wurde diese Woche ausgiebig gefeiert: Spanien versetzte Madrid mit dem EM-Pokal in Wallung, Argentinien brachte die Trophäe der Copa América aus Miami nach Hause. Und beide Male reichte es den Siegern nicht zu tanzen, zu singen und zu trinken, nein, sie mussten auch die Gegner erniedrigen.
In Madrid gab der Captain Álvaro Morata den Zeremonienmeister vor Zehntausenden Menschen auf der Plaza de Cibeles. «Der Pitbull!», schrie Morata, als er Dani Carvajal auf die Bühne holte. «Wo ist Musiala? Wo ist er?», heizte Morata das Publikum weiter an, ehe sich Carvajal das Trikot vom Leib riss und in eine testosterongestählte Herkulespose verfiel. Der Deutsche Musiala, muss man wissen, war im EM-Viertelfinal von Carvajal gefoult worden, der Spanier musste daraufhin mit der zweiten gelben Karte vom Platz und verpasste den Halbfinal.
Rassistische Kommentare gegen Franzosen
Um den Finalgegner England kümmerte sich dann der Mittelfeldspieler Rodri, der den beliebten Schlachtruf spanischer Fans intonierte. «Gibraltar ist spanisch», sang er mehrmals begeistert. Moratas nicht unvernünftiger Einwand, dass er doch in England spiele (bei Manchester City), wischte er lapidar weg: «Ist mir doch völlig egal.» Nicht ganz egal ist die Provokation Gibraltar, dessen Fussballverband bei der Uefa eine offizielle Beschwerde ankündigte.
Dass es noch schlimmer geht, zeigte derweil die bei der Copa América siegreiche argentinische Nationalmannschaft. In einem Video aus dem Mannschaftsbus sind argentinische Spieler zu sehen, die abwertende Texte über französische Spieler afrikanischer Herkunft singen. Der Mittelfeldspieler Enzo Fernández war sich nicht zu blöd, es auf Instagram zu teilen. Später löschte er es. Er sei, schrieb er, gegen Diskriminierung in jeglicher Form und entschuldige sich dafür, dass er sich von der Euphorie der Copa-América-Feier habe mitreissen lassen. Mitreissen? Wovon genau?
Dieses Video, dieser Moment, diese Worte, fuhr Fernández fort, spiegelten nicht seine Überzeugungen oder seinen Charakter wider. Das kann er seinem Teamkollegen Wesley Fofana bei Chelsea nach den Ferien persönlich erklären. Der dunkelhäutige französische Verteidiger bezeichnete die Schmähungen als «ungehemmten Rassismus».
Rückhalt aus der Politik
Die Frage, was Frankreich überhaupt für eine Rolle spielt bei einem südamerikanischen Nationenturnier, ist absolut berechtigt. War es eine späte Demütigung für den Gegner, den man vor eineinhalb Jahren im WM-Final geschlagen hat? Schwer nachvollziehbar ist auch, warum es Glücksgefühle potenzieren soll, wenn man primitiv nach jenen tritt, die man doch sportlich auf dem Platz besiegt hat.
Der argentinische Staatssekretär für Sport hat übrigens anschliessend an den rassistischen Vorfall eine Entschuldigung des argentinischen Captains Lionel Messi gefordert. Er wurde mittlerweile entlassen.