Donnerstag, Februar 27

Die dringende Aufgabe der FDP ist es nun, einen Kandidaten zu finden, der Leuteneggers Erbe antreten kann. Eine schwierige Mission.

Übernamen in den Medien hat er viele. Vor seiner Politkarriere war Filippo Leutenegger der «‹Arena›-Dompteur» des Schweizer Fernsehens, später als Stadtrat in Zürich der «bürgerliche Stachel im rot-grünen Fleisch der Regierung». Für die Einwohnerinnen und Einwohner der Stadt ist er einfach «der Filippo».

Optimieren Sie Ihre Browsereinstellungen

NZZ.ch benötigt JavaScript für wichtige Funktionen. Ihr Browser oder Adblocker verhindert dies momentan.

Bitte passen Sie die Einstellungen an.

Mit allen per Du, volksnah, zupackend – diesen Ruf erarbeitete sich das freisinnige Alphatier seit seiner Wahl in den Stadtrat 2014. Es sind Attribute, die im hiesigen Politbetrieb selten sind und Leutenegger zu Popularität verhalfen.

Unvergessen, wie er öffentlichkeitswirksam weisse Sonnenschirme auf dem Sechseläutenplatz aufspannte, auf städtischen Grünflächen höchstpersönlich Neophyten ausriss oder besorgten Eltern von Schulkindern während der Corona-Zeit Briefe schrieb. Politik als Spektakel, diese Disziplin beherrschte Leutenegger wie kein Zweiter.

Obwohl ihm politisch immer wieder SVP-Nähe nachgesagt wurde, schaffte er so die Wahl und zweimalige Wiederwahl in die städtische Exekutive – wahrlich kein leichtes Unterfangen für einen Wirtschaftsliberalen im rot-grünen Zürich.

Nun hat er in der NZZ seinen Rückzug aus dem Stadtrat angekündigt. Nach zwölf Jahren im Amt tritt er nächstes Jahr nicht mehr zur Wahl an. Seine Begründung ist nachvollziehbar. Er will sich voll und ganz auf das kantonale FDP-Präsidium konzentrieren, das er vor anderthalb Jahren übernommen hat. Dort braucht es ihn wohl tatsächlich mehr als im städtischen Schuldepartement, in das er 2018 zwangsversetzt wurde. Mit seinem Rückzug geht er Interessenkonflikten aus dem Weg – oder «Loyalitätskonflikten», wie er es nennt. Zudem ist es sinnvoll, mit 72 Jahren das Feld allmählich Jüngeren zu überlassen.

Was klar ist: Nach Leuteneggers Abgang wird eine Lücke bleiben. Eine Figur wie er fehlt fortan im Stadtrat, wo die Mehrheitsverhältnisse erdrückend sind. Die rot-grünen Parteien stellen sieben von neun Stadträten, Leutenegger war der Farbtupfer in der linken Monokultur.

Gerade wenn die Verhältnisse so klar sind wie in Zürich, braucht es Personen, die es wagen, zu widersprechen. Das tat Leutenegger. Er werde im Gremium zwar «oft überstimmt», sagt er zu seiner Rolle. Er müsse diese Minderheitsposition aushalten – im Gegenzug müssten die anderen aber auch ihn aushalten. Besser kann man das Wesen einer Konkordanzregierung nicht ausdrücken.

In der Stadtzürcher Politik, wo jegliche Ungleichheit mit Steuergeldern zugedeckt und mit Gesetzen reguliert wird, sind starke liberale Stimmen wie jene von Leutenegger gefragter denn je. Nicht für jedes vermeintliche oder tatsächliche Problem braucht es eine staatliche Lösung. Diese Denkweise geht in der grössten Stadt der Schweiz zunehmend verloren.

Die dringende Aufgabe der städtischen FDP ist es nun, eine Person zu finden, die nächstes Frühjahr Leuteneggers Erbe antreten kann. Es ist eine schwierige Mission. Von den potenziellen freisinnigen Kandidaten hat niemand nur annähernd den Bekanntheitsgrad des früheren TV-Aushängeschilds und Nationalrats. Anders als die linken Parteien können die Bürgerlichen in der Stadt Zürich nicht irgendeinen «No-Name» nominieren und sicher sein, die Wahl zu schaffen.

Nützen würde es den Freisinnigen, wenn es im Stadtrat zu weiteren Rücktritten käme. Je mehr Sitze frei werden, desto einfacher wird die Wahl für einen Neuling. Alle Augen sind dabei auf die beiden SP-Vertreter gerichtet, die Stadtpräsidentin Corine Mauch und den Hochbauvorsteher André Odermatt. Sie werden zum Wahltermin schon 17 beziehungsweise 16 Jahre regiert haben – eine sehr lange Zeit.

Filippo Leutenegger macht mit seiner Rücktrittsankündigung den Anfang, die beiden altgedienten Sozialdemokraten dürfen sich an ihm ein Beispiel nehmen. Dem eingerosteten Gremium mit insgesamt über hundert Amtsjahren täte eine Erneuerung gut.

Exit mobile version