Fabian Fry fühlt sich vom Stadtrat hintergangen.
Die Stadt Zürich spielte mit dem Gedanken, Restaurant und Hotel «Uto Kulm» des umtriebigen Wirts Giusep Fry zu kaufen. Mehr als fünf Jahre lang haben die Gespräche zwischen dem Stadtrat Daniel Leupi (Grüne) und der Familie Fry gedauert. Doch Ende 2023 endeten die Verhandlungen ohne Resultat. Weshalb, darüber war nichts bekannt – bis jetzt.
Im November des vergangenen Jahres hielt Leupi anlässlich des zwanzigjährigen Bestehens des Vereins Pro Üetliberg eine Festrede. «In launigen Worten und mit viel Humor» habe er bei dieser Gelegenheit über seine Beziehung zum 2023 verstorbenen Giusep Fry und die Verhandlungen mit diesem gesprochen.
So steht es in der Hauszeitschrift des Vereins, die Anfang Februar veröffentlicht wurde. Ein Teil dessen, was Leupi über Fry sagte, fand Eingang in ein Interview. Darin sagt Leupi, dass er bereits eine «informelle Mehrheit» für seine Pläne auf dem Üetliberg gehabt habe – und dass er sich mit Giusep Fry in den wesentlichen Punkten einig gewesen sei.
Was in der Zeitschrift ausserdem steht: Leupi ist selbst Mitglied dieses Vereins, der sich gemäss Website gegen die «übertriebene Aktivitis» auf dem Zürcher Hausberg starkmacht.
Im Interview mit der NZZ nimmt der «Uto Kulm»-Wirt Fabian Fry, der Sohn von Giusep Fry, Stellung zu Leupis Äusserungen.
Herr Fry, warum hat Ihre Familie das «Uto Kulm» am Ende der fünfjährigen Verhandlungen nicht an die Stadt Zürich verkauft?
Die Art und Weise, wie Herr Leupi verhandelt hat, war für uns irgendwann nicht mehr tragbar. Da einigt man sich auf gewisse Dinge, wie zum Beispiel den Preis, und verhandelt monatelang über Details, dann wird auf einmal der Preis gekürzt, und alle verhandelten Details werden obsolet. Einmal kamen sie plötzlich mit einem Vorschlag, der bedeutet hätte, dass wir unsere hundert Mitarbeitenden innerhalb von drei Monaten hätten auf die Strasse stellen müssen. Das konnten und wollten wir nicht verantworten.
Auf welchen Preis hatten Sie sich geeinigt?
Wie gesagt: Es gab keine Einigung. Zum Preis möchte ich daher nichts sagen.
Was bedeutete dieses Hin und Her für den laufenden Betrieb?
Wir wurden über Jahre ausgepresst wie eine Zitrone. Wir wähnten uns immer wieder nahe am Ziel. Aber dann mussten wir von neuem beginnen. Für einen Betrieb wie den unseren war das Gift, weil man natürlich nicht investiert, wenn man davon ausgeht, dass man bald verkauft. Und wenn dies über mehrere Jahre so ist, macht man den Betrieb kaputt. Aber nun ist klar, dass das System hatte und Herrn Leupi in die Karten gespielt hat: Als Mitglied eines Vereins, dem unser Betrieb ein Dorn im Auge ist und der eine Vision verfolgt, in der auf dem Üetliberg nur noch Erholungsuchende Platz haben, konnte es ihm nur recht sein, wenn seine Verhandlungstaktik unserem Betrieb schadete.
Was hätte die Stadt den «Erholungsuchenden» auf dem Üetliberg denn geboten?
Das habe ich einen der Verhandlungsführer mitten in einer Sitzung persönlich gefragt. Er sagte, die Stadt wolle bei null anfangen. Das «Uto Kulm» wäre in eine rudimentäre Beiz umgewandelt worden, ohne Hotelzimmer, ohne Seminarräume. Leupi rechnete allein für diesen Neubeginn mit Dutzenden Millionen Franken an Investitionen. Die ganze Wertschöpfung wäre dahin gewesen, alle Arbeitsplätze weg – alles nur, um die eigene Vision vom Naherholungsgebiet umzusetzen. Wahnsinn.
Das wäre nicht mehr Ihre Sache gewesen. Verkauft ist schliesslich verkauft.
Das sagt sich so leicht. Aber erstens geht es da um Menschen, um rund hundert Mitarbeitende, denen wir uns verpflichtet fühlen, zweitens ist das «Uto Kulm» das Lebenswerk meines Vaters, und drittens geht es doch auch darum, einen so traditionsreichen Ort mit Gastronomie, Hotellerie und Businessangeboten zu erhalten. Aber ja, letztlich hätte das Herr Leupi politisch verantworten müssen, unsere Sache wäre es nicht mehr gewesen. Das war mit ein Grund, weshalb wir letztlich nicht verkauft haben.
In einem Interview behauptet Daniel Leupi das Gegenteil. Anscheinend war er sich mit Ihrem Vater in allen wesentlichen Punkten einig. Wäre Ihr Vater nicht gestorben, wäre der Deal zustande gekommen – sagt Leupi.
Das ist nicht wahr! Wie gesagt haben die Art der Verhandlungen, der Verlust der Arbeitsplätze und die Tatsache, dass nichts vom Erschaffenen geblieben wäre, zum Abbruch der Verhandlungen geführt. Das hat mein Vater so gewollt, und der Rest der Familie war einverstanden. Das war ein halbes Jahr vor dem Tod meines Vaters. Ich finde es stillos, dass Herr Leupi das nun so verdreht, nur um in seinen Kreisen als Fast-Held dazustehen.
In demselben Interview gibt sich Leupi überzeugt, dass er für seine Pläne mit dem «Uto Kulm» eine politische Mehrheit gefunden hätte.
Das sei mal dahingestellt. Leupi wollte Dutzende Millionen Franken an Steuergeldern ausgeben – nur, um rückgängig zu machen, was unsere Familie in vierzig Jahren aufgebaut hat. Sie können mir doch nicht erzählen, dass so ein destruktiver Plan mehrheitsfähig ist.
Dass Daniel Leupi und Giusep Fry keine Freunde waren, ist stadtbekannt. Wie kam es, dass sich Ihr Vater trotzdem an Leupi gewandt hat?
Je älter mein Vater wurde, desto mehr beschäftigte ihn die Frage, was aus dem Betrieb werden würde, wenn er einmal aussteigt. Kontinuität war meinem Vater enorm wichtig. Und er machte sich Sorgen um mich, dass auch ich mein Leben lang gegen Windmühlen kämpfen muss, im ewigen Konflikt mit dem Verein Pro Üetliberg. Deshalb überlegte er sich, zu verkaufen. Er ist davon ausgegangen, dass die Stadt Zürich für die Mitarbeitenden eine sicherere Zukunft garantieren könnte als jeder andere Käufer.
Er wollte die alten Konflikte beilegen, um sein Vermächtnis zu sichern.
Das war ein Teil seiner Motivation, ja. Er glaubte daran, dass eine gute Lösung möglich ist. Und zwar unabhängig von seinen Differenzen mit dem Stadtrat.
Und der andere Teil?
Der andere Teil seiner Motivation war, dass wir seit zwanzig Jahren im Konflikt mit dem Verein Pro Üetliberg stehen. Die Mitglieder belästigen uns, fotografieren unsere Mitarbeiter und unsere Gäste, jeden Topf, der zwei Zentimeter zu weit im Fussweg drinsteht. Sie dokumentieren jeden Schritt, den wir machen, rufen ständig an, um sich zu beschweren. Mein Vater hat das zwanzig Jahre lang ausgehalten – aber mich wollte er davor bewahren. Das Wirken des Vereins ist nun auch für mich im Alltag etwas zermürbend. Deshalb bin ich auf Pro Üetliberg zugegangen, um, soweit möglich, ein konstruktives Miteinander zu ermöglichen, trotz gegenteiligen Positionen.
Wäre der Verein nicht gewesen, wäre ein Verkauf gar kein Thema gewesen?
Es spielten verschiedene Faktoren mit, aber der Verein hat sicher sehr dazu beigetragen. Umso glücklicher bin ich heute, dass wir nicht verkauft haben. Es wäre eine Katastrophe geworden. Auch für unsere Familie. Stellen Sie sich vor, wir hätten das Lebenswerk gutgläubig verkauft und dann festgestellt, dass wir es unserem ärgsten Widersacher vermacht hätten. Umso mehr sind wir überzeugter denn je, weiterzumachen und wenn nötig weiterzukämpfen.
Was sagen Sie dazu, dass Leupi selbst Mitglied im Verein Pro Üetliberg ist?
Mir fehlen die Worte.
Wussten Sie denn nichts davon?
Niemand wusste davon. Leupi hat uns getäuscht. Von einem Stadtrat erwarte ich, dass er einen Interessenkonflikt wie diesen zur Sprache bringt. Als Verhandlungspartner habe ich ein Recht darauf, zu wissen, woran ich bin. Alles andere ist absolut unprofessionell. Das ist ja, wie wenn ein Bundesrat über den Kauf von neuen Kampfflugzeugen verhandelt, heimlich aber GSoA-Mitglied ist, also Mitglied eines Vereins, der die ganze Armee abschaffen will. Grotesk.
Sie sagen, dass Stadtrat Leupi seine Position dazu benutzt hat, um private Ziele zu verfolgen. Das ist ein happiger Vorwurf.
Warum? Das ist ja belegt mit seiner Mitgliedschaft. Für ihn wäre das natürlich ein ziemlich grosser Coup gewesen, das muss ich zugeben.
Am Ende haben Sie ja nicht verkauft.
Gott sei Dank.
Sie würden wahrscheinlich jederzeit einen anderen Käufer finden.
Es wäre einfach, das «Uto Kulm» an irgendeinen Milliardär zu verkaufen, der alles abreisst und stattdessen ein privates Anwesen mit einem Zaun drum herum baut. Solche Anfragen hat es in der Vergangenheit auch immer wieder gegeben.
Aber?
Wir beschäftigen hier hundert Menschen, die zum Teil schon mehr als vierzig Jahre in der Firma sind, unzählige sind seit weit über zehn Jahren bei uns, ich weiss nicht, wo es das sonst noch gibt. Ich fühle mich verantwortlich für sie. Sie wegen ein paar Millionen auf die Strasse zu stellen, ist für mich ausgeschlossen.
Die NZZ hat Daniel Leupi mit Fabian Frys Aussagen konfrontiert: Lesen Sie hier seine Reaktion.