Dank einem starken ersten Drittel schlagen die Genfer Skelleftea aus Schweden 3:2. Es ist die Krönung eines gezielten Aufbaus.
2009 hat sich als wichtiger Eckpunkt in die Geschichte des Schweizer Eishockeys eingegraben. Es war das Jahr, als die ZSC Lions im Final gegen das russische Team Metallurg Magnitogorsk die Champions Hockey League gewannen. Die Zürcher feierten ihren Triumph damals in einem Heimspiel, das in Rapperswil-Jona stattfand. Die Finalqualifikation kam derart überraschend, dass das Hallenstadion, die damalige Heimspiel-Stätte der Lions, besetzt und kurzfristig nicht verfügbar war.
Am Dienstagabend tat Genf/Servette es den Zürchern gleich. Mit einem Sieg über das schwedische Team von Skelleftea krönten sich die Genfer zum europäischen Champion. Ihre Qualifikation für den diesjährigen Final kam beinahe ebenso überraschend wie jene der Zürcher vor fünfzehn Jahren. Es war das erste Mal seit der Neulancierung des Wettbewerbs 2014, dass sich ein Schweizer Team für den Final qualifizierte. Der HC Davos und Fribourg-Gottéron hatten zweimal die Halbfinals erreicht und waren dort an Frölunda Göteborg gescheitert. Sonst schieden die Schweizer Vertreter regelmässig früh aus.
Die Siegerteams kamen bisher immer entweder aus Schweden (5-mal) oder Finnland (2-mal). Die russischen Teams aus der Kontinental Hockey League nahmen schon vor dem Ausbruch des Ukraine-Krieges nicht mehr am Wettbewerb teil. Zu wenig lukrativ ist das Preisgeld von total 2,5 Millionen Dollar. Dem Sieger winkt ein Check über 240 000 Dollar. Viel mehr als die ominöse schwarze Null lässt sich dadurch nicht erwirtschaften. Hätte Servette den Final nicht erreicht, die Teilnahme wäre für die Westschweizer wegen der hohen Reisekosten ein Minusgeschäft geblieben.
Mitmachen ist wichtiger als das Geld
In der Champions Hockey League ist mitmachen tatsächlich noch wichtiger, als zu gewinnen, zumindest was den wirtschaftlichen Erfolg betrifft. Um den sportlichen Wert des Wettbewerbs zu erhöhen, reduzierte die Liga das Teilnehmerfeld auf diese Saison von 44 auf 24 Teams und implementierte einen neuen Modus. Dadurch haben sich die Organisatoren etwas mehr Aufmerksamkeit und auch Prestige erhofft.
Genf war bis vor einem Jahr keine der ersten Adressen im Schweizer Eishockey. Im vergangenen Jahr gewann der Klub im 118. Jahr seines Bestehens den ersten Meistertitel. Das löste in der internationalsten Stadt der Schweiz eine eigentliche Eishockey-Euphorie aus. Das für gewöhnlich distanzierte Genfer Publikum zog mit. Die 7235 Plätze für das Finalspiel waren in Minutenschnelle ausverkauft. Les Vernets, das in die Jahre gekommene Heimstadion der Genfer, ist wieder zu einem Ort geworden, an dem man sich gerne zeigt.
Der Kanadier Chris McSorley hatte Genf/Servette zu Beginn der 2000er Jahre mit der Hilfe der amerikanischen Anschutz Entertainment Group wieder auf die nationale Landkarte des Spitzen-Eishockeys gehoben. Dreimal erreichte Servette unter McSorley den Final, verlor diesen aber immer. Den wirklichen Durchbruch schaffte der Klub erst nach dem Einstieg der Stiftung des Rolex-Gründers Hans Wilsdorf, die den Genfer Sport grosszügig unterstützt und viel Geld in kostspielige Ausländer wie die finnischen Olympiasieger und Weltmeister Sami Vatanen, Valtteri Filppula oder Teemu Hartikainen investierte.
Zwei Treffer bei ein und demselben Ausschluss
Unter der neuen Führung entwickelte sich Servette im Schweizer Eishockey Schritt für Schritt vom Aussenseiter zu einem Topklub. In der nationalen Meisterschaft hat Genf/Servette den Tritt in diesem Winter noch nicht richtig gefunden. Vor den letzten sechs Qualifikationsspielen liegen die Genfer lediglich auf Platz 8 und kämpfen noch um die direkte Play-off-Qualifikation.
International aber zeigt das von Jan Cadieux trainierte Team meist ein anderes Gesicht. Auch im Final gegen das schwedische Spitzenteam Skelleftea startete Servette druckvoll in den Match. Bereits in der sechsten Minute gingen die Genfer durch Eliot Berthon in Führung. Doch den Grundstein zum Erfolg, der Schweizer Eishockey-Geschichte schreibt, legte Servette kurz vor Ende des Startdrittels auch dank einer Besonderheit des Wettbewerbs. Anders als in allen anderen Wettbewerben erlischt in der Champions Hockey League eine Strafe nach einem Gegentreffer nicht automatisch, sondern läuft weiter. Sakari Manninen und Daniel Winnik nutzten ein und denselben Zwei-Minuten-Ausschluss des Schweden Oscar Lindberg zu zwei Treffern innerhalb von 57 Sekunden.
In der Fortsetzung des Spiels kamen die Schweden besser ins Spiel. Gezwungenermassen übernahmen sie die Initiative. Die Genfer aber verteidigten sich clever und auch leidenschaftlich. Dass sie die Führung bis zum Ende hielten, ist die Krönung des mittlerweile zwanzig Jahre dauernden Aufbaus.