Die Zersplitterung der Schweizer Parteienlandschaft setzt den Mitteparteien zu. Die Mitte will ihren neuen Kurs nun mithilfe einer Mitgliederbefragung eruieren. Aber was macht die GLP? Denn die könnte sich theoretisch auch zur FDP hin orientieren.
Vor einigen Tagen haben die Mitglieder der Mitte-Partei Post bekommen. Im Auftrag der Parteispitze führt das Forschungsinstitut GfS Bern eine Umfrage durch, in der es um die Frage geht, welches Parteiprofil die ehemaligen CVP- und BDP-Mitglieder denn gerne hätten. Wie die «Sonntags-Zeitung» in ihrer jüngsten Ausgabe schreibt, geht es den Verantwortlichen darum, «Bedürfnisse und Einschätzungen zu Programm, Positionierung und auch zur Marke ‹Die Mitte› zu erfahren und diese weiterzuentwickeln».
Die Mitte kennt sich mit Fusionen und Kurswechseln aus
Aus parteipolitischem Blick am interessantesten ist die Frage, ob die Mitte mit der GLP fusionieren soll. Die Mitte hat bereits erfolgreich die ehemalige konservativ-katholische CVP mit der BDP vereinigt. Sie kennt sich also mit Zusammenführungen aus. Zudem hat sie unter dem Präsidium von Gerhard Pfister einige schwindelerregende Kurswechsel hinter sich, die ihr nicht geschadet haben. Noch vor ein paar Jahren liebäugelte Pfister mit der Idee einer konservativen, abendländisch geprägten Wertepartei. Heute positioniert sich die Mitte sozialliberal.
Die neue Strategie hat sich gelohnt. Dank Kurswechsel, der Fokussierung auf einige wenige Themen und knallharter Wahlarithmetik erreichte die Partei bei den nationalen Wahlen stabile 14,1 Prozent. Sie schloss damit zur FDP auf, die 14,3 Prozent erreichte.
Doch wie soll es nun weitergehen? Soll die Mitte weiterhin um jedes Zehntelprozent Wähleranteil kämpfen oder den ganz grossen Wurf wagen? Denn bequem ist die Ausgangslage der Mitte nicht. Wie die Wahlnachbefragung der Selects-Fors-Studie 2023 zeigt, konnte die Mitte zwar einige Wähler von der FDP und der SP gewinnen. Sie verlor aber auch Wähler an die SVP und die GLP. Diese Wanderungen zeigen klar, wie gross die Herausforderungen sind, denen die Mitte-Partei in einem zunehmend fragmentierten politischen Umfeld gegenübersteht.
In Bern kursieren deshalb seit längerem Gerüchte, wonach die Mitte über eine Fusion mit der GLP nachdenkt. Denn gemeinsam kommen die beiden Parteien auf 21,7 Prozent Wähleranteil. Sie wären damit grösser als die SP, die sich im Herbst 2023 mit 18,3 Prozent als zweitstärkste Kraft nach der SVP (27,9 Prozent) positionierte. Denkbar wäre deshalb auch eine Fusion der beiden Fraktionen im nationalen Parlament. Aus zwei Mitteparteien, die abwechslungsweise das Zünglein an der Waage spielen, würde eine politische Macht mit Anspruch auf entsprechende Vertretung im Bundesrat.
Was wollen die Grünliberalen?
Wie sich die Grünliberalen zu den Fragen einer Fusion oder engeren Zusammenarbeit mit der Mitte stellen, ist offen. Tatsache ist, dass auch die GLP 2023 leichte Wahlverluste hinnehmen musste. Wie die Selects-Fors-Studie 2023 zeigt, bekundeten sowohl die Grünen als auch die Grünliberalen grosse Mühe, die Wählerinnen und Wähler von 2019 bei der Stange zu halten. Die Grünen konnten lediglich 54 Prozent ihrer Wählerschaft von 2019 halten, die GLP 61 Prozent. Die Grünen verloren gut einen Viertel ihrer Wählenden von 2019 an die SP, während sich bei der GLP die Abgänge nach links (zu SP und Grünen) und nach rechts (zu Mitte und FDP) etwa die Waage hielten.
Insbesondere die GLP litt allerdings stark unter der rückläufigen Wahlbeteiligung der jungen Wählerschaft. Sie büsste bei den 18- bis 24-Jährigen im Vergleich zu 2019 am meisten Wähleranteile ein (–5 Prozentpunkte). Die SP erfuhr in dieser Altersklasse ihren grössten Zuwachs und stieg zusammen mit der SVP bei den jüngsten Wählenden zur wählerstärksten Partei auf.
Die Frage nach der politischen Positionierung stellt sich deshalb auch die Spitze der GLP. Soll sie sich weiterhin liberal ausrichten oder sich, wie die Mitte, ein neues, ausgeprägt sozialpolitisches Profil geben?
In einem Gespräch in den Tamedia-Titeln mit dem abtrünnigen Parteimitglied Georges Kern beantwortete der GLP-Präsident die Frage kürzlich so: «Ob Abschaffung der Industriezölle, Freihandelsabkommen mit Indonesien oder AHV-Reform: Die Wirtschaft hätte diese und weitere Anliegen ohne unsere Unterstützung nicht durchgebracht. Wir waren bei diesen knappen Entscheiden das Zünglein an der Waage. Auch wenn das anderen Parteien nicht passt: Wir sind und bleiben eine wirtschaftsfreundliche, liberale Partei.»
Womit sich die Frage stellt, ob nicht auch eine Fusion der GLP mit der FDP zumindest eine Diskussion wert wäre.