Nach einem erbitterten Bieterkampf hat die dänische DSV den Zuschlag für den Kauf von DB Schenker, der Logistiksparte der Deutschen Bahn, erhalten. Nun stellt sich die Eisenbahnergewerkschaft EVG dagegen. Kann sie den Deal stoppen?
Die deutsche Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG) versucht, in letzter Minute den geplanten Verkauf von DB Schenker, der Logistiktochter der Deutschen Bahn (DB), zu verhindern. Die Arbeitnehmervertreter der EVG würden der Transaktion in der Aufsichtsratssitzung am 2. Oktober nicht zustimmen, kündete der EVG-Vorsitzende Martin Burkert in einer am Montag versandten Pressemitteilung an. Kurz zuvor hatte er sich bereits gegenüber einzelnen deutschen Medien einschlägig geäussert.
Aufsichtsrat am Zug
Mitte September hat der DB-Vorstand einen Vertrag zum Verkauf von DB Schenker an die dänische Transport- und Logistikgruppe DSV für einen Unternehmenswert von 14,3 Milliarden Euro unterzeichnet. Da sich die Summe durch die Verzinsung des Kaufpreises bis zum Vollzug der Transaktion erhöht, wird ein Verkaufserlös von insgesamt 14,8 Milliarden Euro erwartet.
Der Verkauf bedarf der Zustimmung des Aufsichtsrats, der am Mittwoch tagt, sowie des Bundes. Ersterer besteht entsprechend den deutschen Mitbestimmungsregeln je hälftig aus Arbeitgeber- und Arbeitnehmervertretern. Martin Burkert ist nicht nur EVG-Chef, sondern auch stellvertretender Aufsichtsratsvorsitzender der Deutschen Bahn AG. Die EVG hat aber nicht genug Vertreter im Gremium, um den Verkauf im Alleingang stoppen zu können. Sie müsste hierzu weitere Aufsichtsratsmitglieder von einem Nein überzeugen. Es ist fraglich, ob ihr das gelingt. Gleichzeitig will sie auf grösstmögliche Sicherheit für die Beschäftigten bei der DB Schenker drängen.
Die Arbeitgeberseite wird im Aufsichtsgremium vor allem durch Parlaments- und Regierungsvertreter repräsentiert, da die DB eine Aktiengesellschaft in Staatseigentum ist. Sollte es zu einem Patt kommen, hat der Aufsichtsratsvorsitzende Werner Gatzer mit einer Zweitstimme den Stichentscheid. Gatzer war bis Ende 2023 Staatssekretär im Finanzministerium.
«Tafelsilber verscherbelt»
Burkert kritisierte am Montag, die Politik und der Bahnvorstand wollten «das Verscherbeln von Tafelsilber als ‹Strategie› verkaufen». DB Schenker sei über viele Jahre Garant für einen einigermassen erträglichen Jahresabschluss der DB gewesen. Auch habe es der DB-Vorstand versäumt, eine sinnvolle Verzahnung von Schenker mit der Güterbahn DB Cargo herzustellen.
Tatsächlich hat Schenker mit seinen Gewinnen immer wieder die Verluste anderer Konzernbereiche zumindest teilweise kompensiert. Doch angesichts chronischer Probleme in ihrem Kerngeschäft, dem Bahnverkehr in Deutschland, will sich die DB künftig auf dieses konzentrieren. Zudem soll der Verkaufspreis laut Firmenangaben vollständig im Unternehmen bleiben und dessen Verschuldung reduzieren. Der DB-Konzern hatte per Ende Juni Nettofinanzschulden von gewaltigen 33 Milliarden Euro ausgewiesen.
Doch auch hierzu äussert die EVG Zweifel. Es gebe «keine rechtssichere Garantie» dafür, die Verkaufserlöse für die Entschuldung bei der DB einzusetzen, erklärte Burkert. «Das wäre aber bitter notwendig, um die finanziellen Handlungsspielräume des Konzerns nicht weiter zu gefährden.»
Zudem kritisiert die EVG, dass DB Schenker vom Markt verschwinden werde. Damit würden Wertschöpfung und Arbeitsplätze verlorengehen. DSV, die 2019 das Schweizer Logistikunternehmen Panalpina übernommen hat, will Schenker nach der Übernahme in den eigenen Konzern integrieren. Die Marke Schenker soll verschwinden.
Der Verkaufsvertrag enthält Sozialzusagen unter anderem zum Schutz von Arbeitsplätzen, die ab Abschluss der Transaktion für zwei Jahre gelten. Laut dem DSV-Chef Jens Lund sollen aber – grösstenteils durch natürliche Fluktuation und Renteneintritte – in Deutschland 1600 bis 1900 Stellen wegfallen. Einen Teil des Abbaus hatte Schenker schon zuvor geplant. Insgesamt beschäftigt DB Schenker weltweit 72 700 Mitarbeiter, davon rund 15 000 in Deutschland.
Erbitterter Bieterkampf
Dem Verkaufsentscheid war ein erbitterter Bieterkampf vorausgegangen. Zuletzt standen sich noch zwei Angebote gegenüber: Neben dem strategischen Investor DSV bemühte sich die Private-Equity-Gesellschaft CVC um Schenker. Sie hatte, unterstützt von drei Staatsfonds, das Unternehmen als Finanzinvestor für einige Jahre übernehmen, fitter machen und dann an die Börse bringen wollen.
CVC bleibt überzeugt, das vorteilhaftere Angebot vorgelegt zu haben, und kämpft unter anderem mit einem Gutachten gegen die Niederlage. In Reaktion darauf bekräftigte die DB am Montag, DSV habe zu jedem Zeitpunkt des Verfahrens bis zur Unterzeichnung des Kaufvertrages das eindeutig beste bindende Angebot abgegeben. Die Bahn seit dazu verpflichtet gewesen, dieses zu wählen, da sonst eine rechtswidrige Beihilfe vorgelegen hätte.
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