Vom Telekomkonzern zum IT-Dienstleister zum Versicherungsvermittler: Die Swisscom stösst weiter in neue Geschäftsfelder vor.
Swisscom-Kunden können bei ihrem Telekomanbieter künftig nicht nur einen Handyvertrag oder ein TV-Abonnement abschliessen, sondern auch Versicherungen. Am Mittwoch lancierte der Konzern das entsprechende Angebot unter dem Namen «Swisscom sure».
Zwar hat die Swisscom bereits seit einigen Jahren Versicherungen für Geräte und Cybersicherheit im Programm. Nun will sie aber deutlich weiter gehen: Kunden sollen etwa Haftpflicht- und Reiseversicherungen abschliessen können, auch solche für Motorfahrzeuge oder Haustiere sind geplant.
Swisscom will nicht als Erstversicherer auftreten
Dirk Wierzbitzki, Leiter des Bereichs Privatkunden, legte bei der Präsentation vor den Medien grossen Wert darauf zu betonen, dass die Swisscom damit keinesfalls zum Erstversicherer werde: «Wir vertreiben und vermitteln Versicherungen von Kooperationspartnern.» Den Anfang machen eine Haftpflicht- und Hausratsversicherung über Zurich sowie eine Freizeitversicherung in Kooperation mit dem Anbieter ERV. In Kürze soll eine Mietkautionsversicherung bei der Axa folgen.
Laut Wierzbitzki liegen solche Angebote für die Swisscom aus geschäftlicher Sicht nahe. So könne man, wenn Kunden künftig ein Roaming-Paket für eine Reise buchten, ihnen im selben Zuge eine Reiseversicherung anbieten. Und wenn ein Kunde künftig umzieht und sich bei der Swisscom wegen eines neuen Anschlusses meldet, könnte er darauf aufmerksam gemacht werden, dass der Konzern auch eine Hausratsversicherung im Angebot habe.
Die Swisscom richtet sich dabei nach eigenen Angaben an den Kundenbedürfnissen aus, die sie im Vorfeld mit einer Umfrage erfragt habe. Demnach sei den Kunden bei Versicherungen Einfachheit, Übersichtlichkeit und Flexibilität wichtig, was man als Konzern bieten könne. Zudem erfreuen sich die bestehenden Geräteversicherungen bei den Kunden offenbar grosser Beliebtheit: Rund 30 Prozent schliessen laut Wierzbitzki eine solche ab.
Versicherungen in allen Lebensbereichen
Da liegt es aus Sicht von Swisscom offenbar nahe, sich auch in andere Versicherungsfelder vorzuwagen. Die Preise sind laut Unternehmensangaben marktüblich, der Konzern erhält für seine Vermittlungsleistung einen Anteil am Gewinn aus dem Geschäft.
Die ersten Produkte sind bereits lanciert, in einer zweiten Welle sollen weitere folgen: Rechtsschutz, Motorfahrzeuge, Zahlungsausfall und sogar Haustiere – in nahezu allen Bereichen des täglichen Lebens soll man sich künftig beim Telekomkonzern versichern können. Nur einen Einstieg ins Geschäft mit Lebens- oder Krankenversicherungen schliesst der Konzern dezidiert aus.
Auf die Frage, ob ein Engagement im Versicherungsbereich mit den vom Bundesrat verordneten strategischen Zielen der Swisscom in Einklang zu bringen sei, erklärte Dirk Wierzbitzki, der Bundesrat habe der Swisscom unter anderem aufgetragen, einen Beitrag zur Digitalisierung der Schweiz zu leisten. Nun leiste man diesen eben im Versicherungsbereich, indem man eine eigene Plattform für den Abschluss der Verträge errichte. Die Swisscom sei nach einer umfassenden rechtlichen Prüfung zu dem Entschluss gekommen, dass ein Einstieg als Vermittlerin in das Geschäft möglich sei.
Ein grosser Kundenstamm aus Monopolzeiten
Dennoch dürfte der Schritt von einigen Marktbeobachtern kritisch betrachtet werden. Als ehemaliger Monopolkonzern kann die Swisscom schliesslich auf einen umfassenden Kundenstamm zugreifen, an den sie die Versicherungsprodukte vermitteln kann. Die Tatsache, dass die Swisscom nach wie vor zu 51 Prozent dem Staat gehört, verschafft dem Telekomanbieter gegenüber der Konkurrenz weitere Wettbewerbsvorteile.
Jürg Grossen, Präsident der Grünliberalen Partei und Berner Nationalrat, übt deswegen Kritik an den Plänen: «Staatsfirmen sollen sich auf Leistungen konzentrieren, die zur Grundversorgung nötig sind und nicht ausreichend von privaten Anbietern erbracht werden. Versicherungen werden in ausreichendem Ausmass und preiswert angeboten, das muss und soll ein Staatskonzern nicht über Wettbewerbsvorteile konkurrenzieren.»
Vorstösse zur Privatisierung eingereicht
Tatsächlich hat das Parlament vor zwei Jahren Motionen zugestimmt, laut denen der Bundesrat Gesetzesänderungen vorschlagen soll, «um Wettbewerbsverzerrungen durch Staatsunternehmen einzudämmen». Im September 2023 erteilte der Bundesrat dem zuständigen Wirtschaftsdepartement den Auftrag zur Ausarbeitung einer neuen Regelung.
Unterdessen hat Jürg Grossen, ebenso wie seine Parteikollegin Barbara Schaffner, im März einen Vorstoss zur Privatisierung der Swisscom eingereicht. Demnach soll der Bundesrat prüfen, wie der Grundversorgungsauftrag der Swisscom auch ohne staatliche Mehrheitsbeteiligung erfüllt werden könnte. Stein des Anstosses war die Übernahme von Vodafone Italia durch die italienische Swisscom-Tochter Fastweb.
Der Bund als Mehrheitseigner der Swisscom hat deren Wachstumsstrategie bisher jedoch stets unterstützt. Das hat dazu geführt, dass das Unternehmen heute weit mehr ist als ein Telekomkonzern: IT-Dienstleister, Unterhaltungskonzern, Zahlungsabwickler – und nun auch Versicherungsvermittler.