Sonntag, September 29

Für Ramsis Kilani sind israelische Zivilisten legitime militärische Ziele. Der FDP-Gemeinderat Jehuda Spielman fordert Konsequenzen. Die Veranstalter werden von der Stadt subventioniert.

Es soll um Geschichte gehen diesen Samstag in der Roten Fabrik. Um «Geschichte und Gegenwart des Widerstands». Die Podiumsdiskussion findet im Rahmen der Aktionstage «Eno9gh» in Zürich statt. Diese wollen ein Ort sein, «an dem Menschen von ihren Erfahrungen erzählen und von ihrer Arbeit berichten können». So beschreiben die Verantwortlichen die Veranstaltung auf ihrer Website. Die «Perspektiven jener, die von einem Thema betroffen sind», sollen im Zentrum stehen.

An der Podiumsdiskussion in der Roten Fabrik soll es um Palästina gehen, den Gaza-Krieg und die Geschichte des Nahen Ostens. Oder, wie es die Veranstalter ankündigen: «Die Geschichte der immensen Gewalt des zionistischen Siedlerkolonialismus Israels». Es diskutieren: Dania Murad, Faiq Mari und Ramsis Kilani, drei Aktivisten, die sich im propalästinensischen Umfeld bewegen.

Kilani ist eine umstrittene Figur. Der Berliner mit palästinensischen Wurzeln fiel in der Vergangenheit durch antisemitische Äusserungen und Sympathien für extremistische Organisationen auf.

So engagiert er sich unter anderem für die Organisation «Palästina Kampagne». Diese solidarisierte sich in der Vergangenheit mit dem Netzwerk Samidoun, das in Deutschland wegen antisemitischen Extremismus verboten ist.

«Palästina Kampagne» zweifelt in den sozialen Netzwerken Israels Existenzrecht an und verharmlost den Terror der Hamas. Den 7. Oktober kommentierte die Organisation auf X, indem sie auf den «wichtigen Kontext» hinwies, in dem der Anschlag stattgefunden habe.

Auch Kilani selbst verharmloste den Anschlag der Hamas. Ausserdem rechtfertigte er Gewalt gegen jüdische Zivilisten. Für ihn sind israelische Siedler legitime militärische Ziele, da sie alle Militärdienst geleistet hätten. «Die Grenze zwischen kolonial Zivil & Militär ist uneindeutig», schrieb er nach dem Angriff auf X.

Seine antisemitischen Positionen haben Kilani in der Vergangenheit schon in Bedrängnis gebracht: Im Januar dieses Jahres beendete die israelitische Gemeinde in Freiburg im Breisgau ihre Zusammenarbeit mit der Partei Die Linke, weil diese zu einer Podiumsdiskussion mit Kilani eingeladen hatte. «Wir können nicht mit Israel-Feinden kooperieren», sagte der Sprecher der Gemeinde damals.

Spielman will Absage – Mauch verweist auf Meinungsfreiheit

Jetzt wird auch in Zürich Kritik an Kilanis Auftritt laut. FDP-Gemeinderat Jehuda Spielman zeigt sich empört über den geplanten Auftritt des Aktivisten in der Roten Fabrik. «Ich habe noch selten jemanden gesehen, der den Terroranschlag der Hamas so offen feiert wie Kilani», sagt Spielman. Für ihn ist klar: Kilani ist ein Antisemit und ein Extremist. Kilani selbst sieht das anders. Die Vorwürfe gegen ihn seien absurd und frei erfunden, schreibt er auf Anfrage der NZZ.

Die Rote Fabrik erhält von der Stadt Zürich jährlich sechs Millionen Franken an Subventionen. Mehr städtische Mittel bekommen nur das Theater Neumarkt, das Kunsthaus, die Tonhalle und das Schauspielhaus. Spielman fordert deshalb, dass die Veranstaltung abgesagt wird.

«Jemanden wie Kilani in einer von der Stadt subventionierten Institution zu Gast zu haben, ist für mich unvorstellbar», sagt der jüdische Gemeinderat der FDP. Seine Forderung richtet er direkt an Stadtpräsidentin Corine Mauch, die in Zürich für die Kulturpolitik zuständig ist: «Ich erwarte, dass Frau Mauch ihre Verantwortung wahrnimmt. Eine Stadtpräsidentin sollte so etwas Radikales innert 24 Stunden absagen lassen können.»

Mauch teilt auf Anfrage der NZZ mit, dass sie die Äusserungen Kilanis zum Terroranschlag der Hamas persönlich «äusserst befremdend und verstörend» finde. Auch die Ankündigung der Veranstaltung sehe sie sehr kritisch. Das habe die Stadt der Roten Fabrik auch mitgeteilt. Absagen wird die Stadtpräsidentin die Veranstaltung aber nicht: Weil die Meinungsfreiheit rechtlich stark geschützt sei, sei ein Eingriff in die Programmfreiheit der Roten Fabrik nicht angezeigt, lässt Mauch durch ihren Mediensprecher ausrichten.

Stattdessen habe die Kulturabteilung der Stadt auf Hinweis von Gemeinderat Spielman mit der Roten Fabrik das Gespräch gesucht. Diese habe dargelegt, dass man keinerlei Antisemitismus toleriere – und die Veranstaltung am Samstag wenn nötig abbrechen werde.

«Frau Mauch hat mich falsch verstanden»

Spielman ist enttäuscht von dieser Reaktion: «Frau Mauch hat mich falsch verstanden», sagt er. «Wir wollen nicht nur keine antisemitischen Äusserungen an solchen Veranstaltungen, wir wollen überhaupt keine Veranstaltungen mit Terrorverherrlichern.»

Dass mit einer Absage die Meinungsfreiheit beeinträchtigt werde, findet Spielman nicht. «Das träfe zu, wenn es sich um eine private Veranstaltung handeln würde.» Weil es sich aber um eine Veranstaltung handle, die auch durch Steuergelder finanziert werde, sei die Lage eine andere: «Es kann hier nicht nur darum gehen, was strafbar ist und was nicht», sagt Spielman. «Es geht darum, welchen Menschen wir als Stadt Raum geben – und da müssen die Standards andere sein.»

Es ist nicht das erste Mal, dass eine subventionierte Kulturstätte wegen zweifelhafter Veranstaltungen in die Kritik gerät. Im Frühling lud die Zentralwäscherei die antisemitische Gruppierung Samidoun ein, der auch Kilanis Organisation «Palästina Kampagne» nahesteht. Danach musste die Zentralwäscherei der Stadt einen Bericht über die Veranstaltung einreichen. Weitere Konsequenzen hatte der Auftritt von Samidoun nicht.

Gemeinderat Jehuda Spielman sieht deswegen ein strukturelles Problem. «Bei diesen Institutionen gibt es immer wieder solche Vorfälle. Das sind keine Versehen mehr, das ist von den Organisatoren ideologisch so gewollt», betont er. Manche jüdische Gemeindemitglieder getrauten sich nicht mehr, Veranstaltungen in der Roten Fabrik zu besuchen, weil sie sich nicht sicher fühlten. «Seit dem 7. Oktober beobachten wir eine Radikalisierung, die uns Sorgen macht», sagt Spielman. Dem müsse die Stadt mit grundsätzlichen Reformen bei den Kultursubventionen begegnen.

Die Rote Fabrik antwortete nicht auf die Fragen der NZZ.

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