Freitag, September 27

In Deutschland regiert die Ampel das Land, in der Schweiz unzählige Berichte und Broschüren.

In den Verhandlungen der Schweiz mit der Europäischen Union gibt es, so gehen die Gerüchte, ein Ampelsystem: Was grün ist, sei ein unbestrittenes Thema – anderes leuchte dunkelrot.

Im Bericht der Expertengruppe von Serge Gaillard, der Sparvorschläge für das Bundesbudget auflistet, dominieren Budgetposten, schwarz auf weiss. Die Gruppe hat aber ihre Vorschläge in ein vierstufiges Ampelsystem eingeordnet, neben Orange gibt es auch noch Gelb. Christoph Schaltegger, der in der Expertengruppe sass, hatte mit seinem Institut für Wirtschaftspolitik bereits im vergangenen Jahr die Bundessubventionen mit Farben bewertet.

Die Stiftung Landschaftsschutz hat die alpinen Solaranlagen, die geplant sind, nach einem Ampelsystem bewertet. Das entscheidende Kriterium für sie: die Landschaftsverträglichkeit. Nur 17 Prozent der Anlagen leuchten grün – bei allen anderen blinken Alarmfarben.

Die Ampel setzt sich auch in der Privatwirtschaft durch. Hilti Schweiz, ein Werkzeughersteller, berät seine Kundinnen und Kunden per Ampelsystem. Sie wollen möglichst staubarm hammerbohren? Der Hohlbohrer allein leuchtet rot. In den grünen Bereich kommt erst, wer «Hohlbohrer», «Bausauger» und «Bohrgerät» gleichzeitig einsetzt – dann arbeite man «beinahe staubfrei».

Grautöne unerwünscht

So ginge die Aufzählung immer weiter. Die Ampel ist überall, in Deutschland regiert sie das Land, in der Schweiz unzählige Berichte und Broschüren. Ampeln symbolisieren unsere Zeit: Zu viele Schattierungen sind unerwünscht (von Grautönen gar nicht zu reden), das Orange muss ganz allein für all die Zwischentöne stehen, die es gibt. Die heilige Dreifarbigkeit ist die Vorstufe zu den allgegenwärtigen Daumen, die hoch und runter gehen auf Social Media, zu 0 und 1 in der Programmiersprache, den Signalen einer längst eingetroffenen Zukunft. Text wird abgelöst von Emojis, die Ambivalenz von Farben. In einer Welt, die zunehmend als Dschungel wahrgenommen wird, will man angeleitet werden.

So ist es nichts anderes als konsequent, dass bereits die Kinder vorbereitet werden auf die Welt, die sie erwartet. Ein führender Materialanbieter für Schulen führt eine «Verhaltens-Ampel aus stabilem Karton» im Angebot.

Das vielleicht bekannteste Beispiel der Ampel ist der sogenannte Nutri-Score, eine Ampel, die Lebensmittel in Gut und Böse klassifiziert. Sie wurde eingeführt, um die gesunde Ernährung zu fördern. Und sie macht beinahe den Anschein von Nuanciertheit, denn es gibt nicht nur rot, sondern auch hellrot, nicht nur grün, sondern auch hellgrün.

Auswirkungen der Ampel

Im Frühling diskutierte der Nationalrat über den Nutri-Score. Der Mitte-Fraktionschef Philipp Matthias Bregy berichtete vom eigenen Küchentisch: «Unser 7-jähriger Sohn kennt inzwischen den Nutri-Score. Er findet, dass die Lebensmittel mit dem dunkelroten Punkt am besten schmecken. Haben Sie nicht das Gefühl, dass es vielen Kindern und Jugendlichen ähnlich ergeht?»

Die Lebensmittelampel leite nicht, sondern verleite zu falschen Entscheidungen. Der SVP-Nationalrat und Bauer Alois Huber erklärte in mehreren Auftritten am Rednerpult: «Wenn der Konsument die Ampel anschaut, kauft er übertrieben gesagt ‹Coci Zero› und keinen Apfelsaft, das ist das grosse Problem.» Das Parlament beriet darüber, warum der Apfelsaft auf dem Nutri-Score schlechter bewertet werde als das künstlich ungezuckerte Coca-Cola Zero. Alois Huber liess es keine Ruhe: «Nochmals», sagte er, «wenn ‹Coci Zero› besser ist als Süssmost, dann muss ich Ihnen sagen, ja, trinken Sie es halt und sterben daran.»

Am Ende fand der Nationalrat mehrheitlich, man müsse den «problematischen Einsatz» vom Nutri-Score unterbinden. Es muss ihm zu bunt geworden sein.

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