Die Schweizerische Nationalbank (SNB) hat die Leitzinsen überraschend gesenkt. Im Juni könnte ein weiterer Zinsschritt folgen. Was der Entscheid für Sparer, Wohneigentümer und Mieter bedeutet.
Die Schweizerische Nationalbank (SNB) hat den Leitzins am Donnerstag überraschend von 1,75 auf 1,5 Prozent gesenkt. Bis zuletzt war offen, ob die SNB diesen Schritt so früh vollziehen würde, obschon die Finanzmarkt-Akteure mit baldigen Zinssenkungen gerechnet hatten. Eine Mehrheit der Beobachter ging nicht davon aus, dass der Zinsschritt bereits jetzt erfolgen würde.
Marktteilnehmer rechnen mit Zinssenkungen der SNB
Die Zinssenkung wurde zwar erwartet, aber erst im späteren Jahresverlauf. Indikatoren wie Swap-Sätze oder die Renditen von Anleihen zeigten bereits vor dem Zinsentscheid, dass die Finanzmarkt-Akteure bis Ende Jahr eine Senkung des SNB-Leitzinses bis auf 1 Prozent erwarten, sagt Thomas Stucki, Anlagechef bei der St. Galler Kantonalbank (SGKB).
Die Ökonomen der Grossbank UBS wiesen in diesem Zusammenhang darauf hin, dass die Inflation in der Schweiz seit Jahresbeginn rascher als erwartet gefallen ist und nun mit 1,2 Prozent deutlich im Zielband der SNB von zwischen 0 und 2 Prozent notiert. Die niedrigere Inflation hat folglich Raum für eine Senkung des Leitzinses geschaffen.
Vor dem Zinsentscheid waren die UBS-Ökonomen überzeugt, dass eine Zinssenkung im Juni dieses Jahres wahrscheinlicher sei als im März. Sie begründeten dies damit, dass die SNB kaum bereit sei, mit einer geldpolitischen Lockerung zu beginnen, bevor sie eine gewisse Sicherheit habe, dass auch die US-Notenbank Federal Reserve und die Europäische Zentralbank (EZB) bald mit Zinssenkungen beginnen. Fed und EZB dürften ihre Leitzinsen, so der Marktkonsens, nicht vor dem zweiten Quartal senken.
Es kam anders. Mit dem unerwarteten Zinsschritt hat die SNB womöglich den Weg für eine weitere geldpolitische Lockerung geebnet. Die Terminmärkte preisen bereits eine weitere Senkung um 25 Basispunkte an der kommenden geldpolitischen Beurteilung im Juni ein. Bis Ende Jahr könnte der Leitzins bis auf 1 Prozent fallen.
Auf die geldpolitischen Entscheide der SNB schauen indessen nicht nur Ökonomen, sondern auch Sparer, Wohneigentümer, Mieter und Finanzberater. Denn der Leitzins hat Auswirkungen auf Sparkonten, Säule-3a-Konten, Hypotheken und auch die Mieten. Was bedeutet der jüngste Entscheid nun für Hypotheken und verschiedene Geldanlagen – und was sind die Aussichten, wenn die SNB den Leitzins weiter senkt?
1. Festhypotheken
Stucki geht davon aus, dass sich an den Swap-Sätzen in nächster Zeit wenig ändern dürfte. Weil die Senkungen des SNB-Leitzinses bereits vor dem Zinsschritt «eingepreist» wurden, ist in nächster Zeit nicht mit allzu starken Bewegungen bei den Sätzen von Festhypotheken zu rechnen. Diese orientieren sich stark an den Leitzinsen.
Wie der Online-Vergleichsdienst Moneyland.ch am Mittwoch mitteilte, liegen die Zinssätze für Festhypotheken derzeit nahe am Jahreshoch beziehungsweise sogar darüber. Der durchschnittliche Zinssatz für zweijährige Festhypotheken betrug am Mittwoch 2,29 Prozent, der für fünfjährige 2,23 Prozent und der für zehnjährige 2,33 Prozent. Die Zinssätze für zweijährige Hypotheken liegen damit so hoch wie noch nie in diesem Jahr, die für fünf- und zehnjährige bewegen sich in der Nähe ihrer Jahreshöchststände.
Trotzdem sind die Zinssätze der Festhypotheken deutlich niedriger als noch im Herbst 2022. Laut Florian Schubiger, Mitgründer der Vergleichsplattform Hypotheke.ch, stiegen die Sätze von zehnjährigen Festhypotheken damals im Durchschnitt bis auf 3,2 Prozent.
Eine Besonderheit der derzeitigen Situation ist auch, dass die Zinssätze von zweijährigen Festhypotheken im Durchschnitt niedriger sind als diejenigen von fünfjährigen. Finanzexperten reden von einer inversen Zinskurve. Schubiger erklärt dies damit, dass die Marktteilnehmer mit sinkenden Zinsen rechnen.
Dies könnte bedeuten, dass die Zinssätze von länger laufenden Festhypotheken kaum oder gar nicht fallen könnten, auch wenn die SNB die Leitzinsen weiter senkt. Schliesslich ist dies am Markt bereits «eingepreist». Schubiger empfiehlt Hypothekarnehmern zudem, die Zinssätze von Hypotheken unbedingt zu verhandeln – viele seien hier zu wenig aktiv und unterschätzten, welche Möglichkeiten sich hier bieten.
2. Saron-Hypotheken
Bei Saron-Hypotheken sind die Zinssätze seit einigen Monaten höher als bei Festhypotheken – dies machte sie deswegen weniger attraktiv. Laut dem Vergleichsportal Moneyland.ch lag der durchschnittliche Zinssatz für Saron-Hypotheken Mitte Woche bei 2,59 Prozent. Dass die Sätze höher seien als diejenigen von Festhypotheken, sei historisch gesehen eine Ausnahmeerscheinung.
Saron-Hypotheken sind Geldmarkthypotheken. Ihre Zinssätze schwanken oftmals deutlich, da sie rasch auf Änderungen im Zinsumfeld sowie auf Zinsschritte der SNB reagieren. Wenn die Zinsen steigen, müssen Hypothekarnehmer mehr bezahlen – wenn sie sinken, ist es weniger.
Da die SNB die Leitzinsen nun um 25 Basispunkte gesenkt hat, werden die Zinssätze von Saron-Hypotheken entsprechend fallen. Saron-Hypotheken sind also für Leute wieder attraktiver, die mit weiteren Zinssenkungen der SNB rechnen. Allerdings sollten sie finanziell flexibel sein, falls es anders kommt.
Je nach verhandelter Marge könnten Saron-Hypotheken bei einer möglichen nächsten Zinssenkung wieder günstiger sein als Festhypotheken. Doch für Kreditnehmer ergeben sich auch Risiken. So haben sie mit Saron-Hypotheken keine Planungssicherheit wie mit Festhypotheken.
3. Mieten
Die Geldpolitik der SNB hat indirekt auch Auswirkungen auf die Mieten in der Schweiz – und zwar über den hypothekarischen Referenzzinssatz. An diesem Satz orientieren sich die Mieten in laufenden Mietverhältnissen. Er bildet den durchschnittlichen Zinssatz der inländischen Hypothekarforderungen der Banken in der Schweiz ab.
Der Referenzzinssatz wird vierteljährlich erhoben und auf Viertelprozentpunkte gerundet. Das Bundesamt für Wohnungswesen (BWO) hat den Referenzzinssatz im Juni 2023 erstmals erhöht, und zwar von 1,25 auf 1,5 Prozent. Im Dezember gab das BWO einen weiteren Anstieg auf 1,75 Prozent bekannt. Für Mietverhältnisse, die derzeit noch zu einem Referenzzinssatz von 1,25 Prozent laufen, sei folglich eine Erhöhung der Miete um bis zu zehn Prozent möglich, heisst es bei der UBS.
Weitere Anstiege des Referenzzinssatzes seien wegen der tendenziell tieferen Hypothekarzinsen im laufenden Jahr unwahrscheinlich, teilt die Bank weiter mit. Ein unmittelbarerer Rückgang ist aber auch nicht zu erwarten, denn der Referenzzinssatz reagiert mit einer zeitlichen Verzögerung. Gemäss einer Einschätzung der Bank Safra Sarasin sei die Senkung des Leitzinses jedenfalls auch Ausdruck davon, dass die SNB keinen weiteren Anstieg des Referenzzinssatzes erwartet.
4. Spar- und Festgeldkonten
Trotz der höheren Zinsen bieten viele Sparkonten von Banken weiterhin sehr überschaubare Zinsen. Schubiger kritisiert, dass viele Finanzhäuser die Leitzinserhöhungen der letzten Monate zu wenig an ihre Kundinnen und Kunden weitergegeben hätten. So liessen sich auch die Rekordergebnisse einiger Inlandbanken erklären.
Die Leitzinssenkung der SNB könnte Banken, welche die Sparzinsen kürzlich deutlich erhöht haben, indes auf dem falschen Fuss erwischen. Wenn die Finanzinstitute ihre Zinserhöhungen nach kurzer Zeit wieder zurücknehmen müssten, wäre dies schlecht für die Reputation.
Schubiger rät Sparern, einen Blick auf die Angebote im Bereich Festgeld zu werfen. Das Geld ist hier für eine Zeitlang gebunden, beispielsweise für ein Jahr oder zwei Jahre. Dafür gibt es für diese Periode höhere Zinsen.
Auch bei Säule-3a-Konten sind die Zinsen im Allgemeinen besser als bei den Sparkonten. Auch hier lohnt sich der Vergleich, da sich die Konditionen teilweise stark unterscheiden.
5. Kassenobligationen
Bei den Kassenobligationen (KO) haben die Banken in der Vergangenheit stärker auf die höheren Zinsen reagiert und die Sätze nach oben angepasst. «Kassenobligationen hängen stärker an den Swap-Sätzen, die Zinsen werden dort viel schneller nachgezogen als bei Sparkonten», sagt Stucki.